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Studie aus ChemnitzWarum viele Sportler den Fitnesstracker weglegenGründe für den Ausstieg aus der digitalen Motivation

27. September 2019, 09:43 Uhr

Wenn die Tage kürzer werden, zieht es uns eher auf die Couch als in die Laufschuhe. Fitnesstracker sollen helfen, sich doch aufzuraffen. Sie zeigen schwarz auf weiß, was wir geleistet haben und teilen es sogar anderen mit. Trotzdem legt fast ein Drittel der regelmäßigen Nutzer die digitale Motivationshilfe schon bald wieder beiseite. Forscher aus Chemnitz und Lübeck haben erstmals genauer hinterfragt, warum das so ist.

Die Interaktion von Mensch und Technik ist das Steckenpferd der Psychologin Christiane Attig. Besonders intensiv beschäftigt sie sich sein einiger Zeit mit den Nutzern von Fitnesstrackern - auch aus persönlicher Motivation:

Ich habe selbst auch einen Tracker genutzt und irgendwann festgestellt, dass er mein Verhalten beeinflusst. So habe ich mich irgendwann in erste Linie für die Zahlen auf dem Display bewegt und nicht, um mir etwas Gutes zu tun. Ich wollte wissen, ob es nur mir so geht.

Christiane Attig, TU Chemnitz

Im Rahmen einer früheren Studie untersuchte sie bereits vor zwei Jahren, ob und wie die digitalen Motivationshilfen ihre Nutzer beeinflussen. Das Ergebnis: Ja, Trackerträger sporteln mehr, aber nur, so lange sie die Geräte auch tragen. Die Freude daran lässt bei den meisten jedoch nach wenigen Monaten nach. Warum das so ist, erforschte Christiane Attig in einer weiteren Untersuchung gemeinsam mit Professor Thomas Franke von der Universität Lübeck. Dazu befragten die beiden 159 ehemalige Trackernutzer online.

Schluss mit Fitnesstracking: Hauptgrund Motivationsverlust

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Etwa ein Drittel der Befragten hatte das Gefühl, nur noch für die Zahlen auf dem Tracker zu trainieren, und nicht, um sich etwas Gutes zu tun. Darüber hinaus fühlten sich viele durch die ständige Kontrolle in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt, auch wenn sie freiwillig auferlegt war. Und wer generell ein Problem mit dieser Form von Selbstquantifizierung hatte, verlor offenbar auch schneller die Freude und das Interesse am Tracking.

Wenn der Fitness-Tracker nicht mehr zum Leben passt

Auch wenn sich die Lebensumstände der Studienteilnehmer vorrübergehend oder dauerhaft geändert hatten, entschieden sich viele von ihnen später wieder gegen einen Alltag mit Tracker - zum Beispiel im Urlaub oder durch Krankheit, durch Schwangerschaft oder neue berufliche Herausforderungen. Also immer dann, wenn das Tracken unmöglich oder unwichtig geworden war.

Mehr als ein Drittel der Befragten gab außerdem an, dass sie wahrgenommene Messungenauigkeiten, geringer Tragekomfort und das unattraktive Design des Trackers so gestört hatten, dass sie ihn ablegten. Doch die Studienleiter Christiane Attig von der TU Chemnitz und Professor Thomas Franke von der Universität Lübeck fanden auch positive Gründe heraus:

Werden die Alltagsbewegung oder der Sport zur Gewohnheit, wird der Tracker nicht mehr als nötig erachtet. Das war immerhin bei etwa einem Drittel der Befragten der Fall.

Nutzer verabschieden sich nicht für immer vom Tracker

Über 70 Prozent der Studienteilnehmer können sich vorstellen, eines Tages doch wieder zum Tracker zu greifen. Sie hatten offenbar grundsätzlich gute Erfahrungen damit gemacht. Ob die Entscheidung gegen ein solches Gerät endgültig ist oder nicht, hängt auch von den Gründen ab, aus denen man sich dagegen entscheidet.

Leute, die aufhören, weil sie ihre Motivation verlieren, fangen mit geringerer Wahrscheinlichkeit wieder an zu tracken, als Leute, denen nur die Optik des Gerätes nicht gefällt.

Christiane Attig, Psychologin

Die Freude daran, nur für Zahlen zu laufen, erschöpft sich also offenbar nach einigen Wochen beziehungsweise Monaten. Hier sehen die Wissenschaftler noch Potential. Würden die Tracker individuellere und konkretere Rückmeldungen geben, könnten sie den Motivationseffekt durchaus noch verstärken.

Statt bloßer Zahlen sollte der Tracker zurückmelden, welche positiven Auswirkungen die Schritte ganz konkret auf das individuelle körperliche und psychische Wohlbefinden haben.

Professor Thomas Franke, Universität Lübeck

Der Tracker soll also nicht nur zusammenfassen, was der Benutzer geschafft hat, sondern gleich noch mitliefern, warum das gut für die Gesundheit ist.

Ftinesstracker: Was geschieht mit meinen Daten?

Diese Frage verunsichert Nutzer nach wie vor. Sie wünschen sich mehr Transparenz hinsichtlich der Weitergabe ihrer persönlichen Parameter zum Beispiel an Krankenkassen oder weitere App-Anbieter. Auch das ist ein Grund, aus dem Tracking auszusteigen, legten bereist vorangegangene Studien offen.

Die Nutzer brauchen viel mehr konkrete Informationen darüber, was mit ihren Daten geschieht. Wenn man sie stärker aufklärt, gewinnt man auch wieder Vertrauen in dieser Hinsicht.

Christiane Attig

Christiane Attig kann sich durchaus vorstellen, eines Tages auch selbst wieder zum Fitnesstracker zu greifen. Denn er hat tatsächlich mehr Bewegung in ihr Leben gebracht hat. Außerdem wird sie gemeinsam mit Thomas Franke in einer weiteren Studie untersuchen, welche Rolle die Persönlichkeit dabei spielt, ob man sich für ein Leben mit oder ohne Tracker entscheidet.

Die Studie der TU Chemnitz und der Universität Lübeck hatte erstmals im deutschen Sprachraum systematisch die Gründe untersucht, warum Menschen ihren Tracker ablegen. Die Wissenschaftler betrachteten auch erstmals mit, wie intensiv die ehemaligen Nutzer ihren Tracker vorher in Gebrauch hatten. Für die meisten war er ein permanenter Begleiter: bei 97 Prozent der Befragten erfasste er die gesamte Alltagsaktivität, 77 Prozent trugen ihn täglich, 56 Prozent an über 23 Stunden am Tag.

Ganz und gar nicht systematisch, dafür aber ganz praktisch, testete MDR-Wissen-Reporterin Daniela Schmidt ein neues Leben mit Tracker. Sie ließ ihren Schlaf und ihr Bewegungspensum überwachen.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Lexi TV | 28. Mai 2015 | 15:00 Uhr

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