Comiczeichnung eines Menschen, der ein Smartphone in der Hand hält und ein Foto von seinem Ausschlag auf der anderen Hand macht.
Bildrechte: Google Health

Künstliche Intelligenz Kann ich mit dem Smartphone Hautkrebs erkennen?

05. Juni 2021, 10:00 Uhr

Krankheiten und Irritationen unserer Haut gibt es unzählige. Diese zu erkennen und einzuordnen ist schwer, auch für Allgemeinmediziner:innen und Pflegekräfte. Ein Google-Tool will mit Hilfe künstlicher Intelligenz Abhilfe schaffen. Das Smartphone soll das Hautbild bewerten und Informationen zu möglichen Krankheiten bereitstellen. Wie gut so ein Tool ist, schätzen Expert:innen am Universitätsklinikum Dresden ein, die in der Dermatologie ebenfalls künstliche Intelligenz nutzen.

Jedes Jahr verzeichnet die Suchmaschine Google über eine Milliarde Anfragen zu Haut-, Nagel- und Haarproblemen. Kein Wunder – die Haut ist unser größtes Organ, sie umhüllt unseren gesamten Körper, schützt uns vor äußeren Einflüssen, atmet. Sie ist ein Wunderwerk. Geht es ihr nicht gut, kommt es zu Irritationen und Krankheiten.

Was will mir meine Haut damit sagen?

Aber was genau ist jetzt dieser juckende Ausschlag und sieht dieser Leberfleck gesund oder irgendwie anders aus als die anderen? Das zu erkennen ist für den Laien nicht leicht und auch Allgemeinärzt:innen und Pflegekräfte, die Hautveränderungen oft als erstes bewerten, bevor sie von Dermatolog:Innen in Augenschein genommen werden, kommen an ihre Grenzen. Gerade in versorgungsschwachen Gegenden, also dort, wo nur selten Fachärzt:innen angesiedelt sind, stellen sich vor allem ältere Patient:innen als erstes bei ihrem Hausarzt vor. Diese stellen eine Blickdiagnose. Doch gerade seltenere Diagnosen können zur Herausforderung werden, denn die Ärzt:innen müssen dann nicht nur eine Diagnose stellen, sondern auch entscheiden, wie dringend eine fachärztliche Vorstellung notwendig ist.

Damit diese erste Inaugenscheinnahme vereinfacht und präzisiert wird, entwickelt Google Health ein Tool auf Basis künstlicher Intelligenz, das den Diagnoseprozess unterstützen soll. Weil es oft schwierig ist, die Hautirritationen konkret zu beschreiben, setzt das Tool auf drei verschieden Fotos aus verschiedenen Winkeln, die mit dem Smartphone gemacht werden. Anschließend sollen Fragen zum Hauttyp und den Symptomen beantwortet werden. Basierend auf diesen Angaben schaut das System nach einem möglichen Treffer.

Das Tool bietet zu jedem möglichen Treffer Informationen, die von Dermatolog:innen geprüft wurden. Diese sind aber ausdrücklich nicht als Diagnose zu sehen, sondern als Vorschlag.

Damit das Tool für alle funktioniert, beziehen die Entwickler:innen möglichst viele Variablen mit ein. Genau das ist es, womit die Effektivität einen solchen Tools steht und fällt, sagt Dr. Sarah Hobelsberger vom Uniklinikum Dresden.

Die Qualität eines solchen Diagnostikprogramms hängt von den eingespeisten Daten ab. Diese sollten möglichst vielseitig sein. Am besten wäre es, weltweit zu rekrutieren und verschiedene Diagnosen sowie auch Hauttypen und Körperregionen in Bildform zu integrieren, sodass das Tool uneingeschränkt eingesetzt werden könnte. Es ist bekannt, dass Programme mit künstlicher Intelligenz Hautveränderungen (z.B. Pigmentmale) sehr gut erkennen können, allerdings kann ein Programm nicht den Kontext interpretieren.

Dr. Sarah Hobelsberger, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Dresden

Da könnte die künstliche Intelligenz also an ihre Grenzen stoßen. Denn es ist laut Hodelsberger möglich, dass ein solches Diagnostik-Tool, das auf den braunen Fleck einer Bananenschale gerichtet wird, diesen als schwarzen Hautkrebs interpretiert.

Veränderungen des Bildes durch Markierung der Grenzen eines Pigmentmals mit einem Filzstift können das diagnostische Tool in seiner Diagnose beeinflussen und gegebenenfalls verfälschen. Diagnostische Tools müssen also im Hinblick auf diese möglichen Fehldiagnosen geprüft und adjustiert werden.

Dr. Sarah Hobelsberger, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Dresden

Hodelsberger erklärt weiterhin, dass zwar einige Diagnosen tatsächlich durch Bilder und weitere Informationen, etwa die Vorgeschichte oder die Symptomatik, gestellt werden könnten, doch gäbe es auch sehr viele Diagnosen, bei denen eine zusätzliche Diagnostik wie zum Beispiel durch ein Auflichtmikroskop oder eine Biopsie und Laboruntersuchungen nötig wäre. Das wäre dann der Bereich, in dem jemand ohne dermatologische Vorerfahrung trotz des Tools Schwierigkeiten haben wird, eine Diagnose zu stellen.

Höhere Trefferquote mit KI-Unterstützung

Das Google-Tool wurde bisher in einer Studie mit 20 Klinikärzt:innen und 20 Pflegekräften, die insgesamt 1.048 Fälle betrachteten, untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die Diagnosen mit Hilfe der Unterstützung durch künstliche Intelligenz häufiger mit denen der kontrollierenden Dermatolog:innen übereinstimmten, als ohne Einsatz des Tools. Die Rate verbesserte sich von 48 Prozent Übereinstimmung auf 58 Prozent.

Auch die Klinik und Poliklinik für Dermatologie in Dresden arbeitet immer wieder im Rahmen von Studien mit künstlicher Intelligenz. Das "Skin Classification Project" entwickelte zum Beispiel mit Hilfe künstlicher Intelligenz Algorithmen für die Diagnostik von pigmentierten Hautveränderungen. Diese Studie erfasste Hautläsionen, also Verletzungen oder Krankheiten der Haut, mittels Dermatoskopiebildern und brachte diese mit verschiedenen Metadaten, also Angaben zu den Patient:innen, Gewebsschnitten und molekularen Analysen des Gewebes zusammen. Diese Studie erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum.

Ganz aktuell ist die Arbeit an einem bildgebenden Verfahren zur Diagnostik von frühen Melanomen bei Hochrisiko-Patienten. Dabei wird untersucht, ob die bildgebenden Verfahren Total Body Photography (Ganzkörperfoto), Dermatoskopie (per Lichtmikroskop werden die oberen Hautschichten untersucht) und konfokale Lasermikroskopie (ein Laserstrahl tastet Punkt für Punkt das Gewebe ab) als Ergänzung des primären Hautkrebsscreenings für Pigmentmale zu einer frühzeitigeren Diagnose von Melanomen führen. Das Projekt hat gerade begonnen. Über zehn Jahre werden von den Patient:innen immer wieder Ganzkörperfotografien gemacht. Ein Computerprogramm soll dann im Verlauf anhand der Aufnahmen erkennen, ob Hautveränderungen seit der Erstaufnahme neu entstanden sind.

Hilfs-Tool für die breite Masse

Das Google-Tool steckt schon mitten im "Massentest". Über die Website kann man sich anmelden und ausprobieren. Die Nutzung über das Smartphone macht es im Prinzip für jeden zugänglich. In den USA wurde es bisher noch nicht in durch die zuständige Behörde FDA (Food and Drug Administration) in Sachen Sicherheit und Effizienz bewertetet. In der EU erhielt das Tool die CE-Kennzeichnung Klasse 1 als medizinisches Hilfsmittel – das sind sterile Geräte zum Beispiel mit Messfunktionen oder wiederverwendbare chirurgische Instrumente.

Auch Sarah Hobelsberger sieht in einem solchen Tool, eingesetzt von Pflegekräften oder Hausärzt:innen einen Mehrwert. Bei unklaren Hautveränderungen könnte es eine klinische Einschätzung verbessern und auf Differentialdiagnosen hinweisen, die unter Umständen für die Patient:innen gefährlich werden könnten.

Dr. med. Sarah Hobelsberger
Dr. med. Sarah Hobelsberger beschäftigt sich am Universitsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden mit nicht-invasiver bildgebender Diagnostik und Teledermatologie. Bildrechte: Sarah Hobelsberger

So könnte möglicherweise eine Wartezeit über mehrere Monate auf einen Termin in der Dermatologie bei einer Diagnose wie schwarzem Hautkrebs verhindert werden. Tatsächlich bekommen wir regelmäßig Fotos von Angehörigen zugesandt, deren Angehörige im Pflegeheim sind und durch ihre Immobilität keine dermatologische Sprechstunde wahrnehmen können. Zwar ersetzt kein Foto einen vollständigen Hautcheck, aber das Foto kann zu einer beschleunigten Diagnostik und Therapieeinleitung führen.

Dr. Sarah Hobelsberger, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Dresden

Auch die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass viel weniger Menschen zur Hautkrebsvorsorge gegangen sind, ergab eine Umfrage unter Dermatologen in Deutschland. Ein Problem, das auch andere Länder betraf, wie eine Studie aus Großbritannien bestätigt. Schätzungen zufolge könnten weltweit 60.000 Hautkrebsfälle dadurch nicht erkannt worden sein. Und leider kommt es laut Hobelsberger immer wieder vor, dass besonders Menschen in versorgungsschwachen, oft ländlichen Gebieten ohnehin erst sehr spät zum Hautarzt gehen und Tumore dann oft bereits fortgeschritten sind.

Sowohl bei bestimmten Typen vom sogenannten weißen Hautkrebs (Plattenepithelkarzinomen), als auch bei schwarzem Hautkrebs (Melanomen) kann es zu einer Metastasierung kommen, weshalb eine Früherkennung die Prognose deutlich verbessern kann.

Dr. Sarah Hobelsberger, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Dresden

Hautkrebs erkennen ohne App

Nun hat aber nicht jeder eine Hautscreening-App auf seinem Smarthphone. Trotzdem können wir unsere Haut aufmerksam beobachten. Ein Hinweis für weißen Hautkrebs sind zum Beispiel neu aufgetretene Hautveränderungen, welche gegebenenfalls bluten, über lange Zeit nicht abheilen oder an Größe zunehmen. Ein Hinweis für schwarzen Hautkrebs können einige Punkte der sogenannten ABCDE-Regel sein, mit denen man Pigmentmale untersucht. Eine regelmäßiger Check in einer dermatologischen Praxis ist aber auch weiterhin unerlässlich.

ABCDE-Regel zur Beurteilung von Pigmentmalen

A - Asymetrie der pigmentierten Hautveränderung
B - Begrenzung (unregelmäßig)
C - Colorit (uneinheitliche Pigmentierung)
D - Durchmesser (> 5mm)
E - erhabene Hautveränderung

JeS

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1 Kommentar

allesfeucht am 05.06.2021

Was Doktor Google alles möglich macht!