HIV-Prävention Schutz vor HIV: Spritze statt Pille
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11. November 2020, 16:16 Uhr
Weltweit sind 38 Millionen Menschen mit HIV infiziert und trotz des langen Kampfes gegen das Virus kommen noch immer jedes Jahr 1,7 Millionen Neuinfizierte dazu. Um diese Zahl zu senken gibt es mittlerweile Medikamente zur HIV-Prävention. Bei klinischen Studien hat sich jetzt ein Präparat als besonders wirkungsvoll erwiesen, das nur alle acht Wochen injiziert werden muss.
Eine HIV-Infektion ist heute kein zwingendes Todesurteil mehr wie noch in den 1980er-Jahren. Die Erkrankung an der Immunschwächekrankheit AIDS kann medikamentös verhindert werden. Trotzdem ist das AIDS auslösende HI-Virus bis heute nicht ganz besiegt. Die Forschung an einer HIV-Impfung läuft nach wie vor - und macht durchaus Fortschritte. Bereits auf dem Markt sind Mittel zur Prävention, damit man sich gar nicht erst ansteckt. Diese Medikamente werden auch als HIV-PrEP (kurz für Prä-Expositions-Prophylaxe) bezeichnet.
Gute Ergebnisse sorgen für vorzeitiges Test-Ende
Bei den etablierten HIV-PrEP-Medikamenten handelt es sich ganz einfach um Tabletten, die geschluckt werden müssen. Allerdings muss die blaue Pille jeden Tag eingenommen werden, um effektiv zu schützen. Für Frauen gibt es bisher nur das Präparat Truvada, für Männer und Transgender-Frauen gibt es noch ein weiteres Medikament.
Doch ist die Pille gegen HIV die beste Lösung? Forschende haben in klinischen Studien noch ein weiteres Medikament getestet. Das wird allerdings direkt in den Körper injiziert. Alle acht Wochen muss erneut gepiekst werden. Das macht also sechs Injektionen pro Jahr anstelle von 365 Pillen.
Das Ergebnis der Untersuchungen: Die zweimonatliche Injektion hat sich bei Frauen als wesentlich wirksamer herausgestellt. Anfang des Jahres hatte eine weitere klinische Studie bereits belegt, dass sie auch bei Männern eine bessere Wirkung zeigte. Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung bei den Frauen seien sogar so überzeugend gewesen, dass sie die klinische Prüfung des Mittels vorzeitig beenden konnten, so die Forschenden. Eigentlich war die Studie bis 2022 geplant.
Untersuchung in sieben Ländern
Die klinische Studie ist vom H.I.V. Prevention Trials Network durchgeführt worden - einer internationalen Kooperation. Die Forschenden haben das injizierte Medikament Cabotegravir mit der Pille Truvada verglichen. Insgesamt haben 3.223 Probandinnen an 20 Orten in sieben Ländern der Sub-Sahara (Botswana, Eswatini, Kenia, Malawi, Südafrika, Uganda und Simbabwe) teilgenommen. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmerinnen betrug 26 Jahre und 57 Prozent der Probandinnen waren zwischen 18 und 25 Jahre alt.
In der Gruppe der Frauen, die die HIV-PrEP Pille eingenommen haben, haben sich dem Forschungsteam zufolge 34 mit dem HI-Virus infiziert. Bei den Frauen, die die Injektionen erhalten haben, seien es nur vier gewesen. Zwei davon hätten jedoch die Injektionen abgesetzt. Nachdem eine Zwischenanalyse gezeigt habe, dass die Wirkung des gespritzten Medikaments bei 89 Prozent gelegen habe - und damit über der der Pille - habe ein unabhängiges Überwachungsgremium für Datensicherheit dann empfohlen, die Studie vorzeitig zu beenden. Damit ist es bei Frauen noch wirksamer als bei Cisgender-Männern und Transgender-Frauen. Die frühere Studie in dieser Gruppe mit fast 4.600 Probanden zeigte, dass die Injektion 66 Prozent wirksamer gewesen sei als Truvada, so die Forschenden.
Risikogruppe Frauen
Auch wenn sich bis heute die Assoziation von HIV als Infektion aus der schwulen Community hält, sieht die Wahrheit global ganz anders aus: Der UN-Organisation Unaids zufolge entfielen im Jahr 2019 etwa die Hälfte aller neuen Infektionen auf Frauen und Mädchen. Südlich der Sahara gibt es demnach auf dem afrikanischen Kontinent fünf von sechs Neuinfektionen bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren bei Mädchen.
"Wenn wir die Epidemie beenden wollen, müssen wir etwas tun, um die Infektionsflut bei den Frauen einzudämmen", sagte Dr. Kimberly Smith, Leiterin Forschung und Entwicklung beim Unternehmen ViiV Healthcare, das die Injektion herstellt, der New York Times. Demnach sei es für Frauen auch schwierig, die HIV-PrEP-Pille regelmäßig zu nehmen, was sie natürlich weniger wirksam machte.
Die Ergebnisse (der Studie) sind unglaublich wichtig für Frauen in Afrika, bei denen die Senkung der HIV-Inzidenz weiterhin Priorität hat. Wir wissen, dass die Einnahme einer täglichen Pille weiterhin eine Herausforderung darstellt und ein wirksames injizierbares Produkt ist für sie eine sehr wichtige zusätzliche Option zur HIV-Prävention.
Doch es gibt laut den Forschenden ein paar Haken: Die Injektion muss auch in armen Ländern bezahlbar sein. Das ist bereits bei der Pille Truvada nicht weltweit der Fall. Außerdem brauchen die Frauen natürlich auch das medizinische Fachpersonal, das ihnen alle acht Wochen eine Spritze verabreichen kann. Das sei aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie schon während der klinischen Studie in den Sub-Sahara-Ländern schwierig zu organisieren gewesen, so das Forschungsteam. Dennoch sei das neue Medikament ein Meilenstein im Kampf gegen das HI-Virus.
(kie)
(kie)
MDR-Team am 12.11.2020
@Felix, die Entwicklung von Medikamenten/Impfstoffen folgt (unabhängig von der Krankheit) immer dem gleichen Prozess. Dieser wird hier erklärt und gilt z.B. auch für die Entwicklung des Corona-Impfstoffs: https://www.bmbf.de/de/corona-das-ist-der-stand-bei-der-impfstoff-entwicklung-11152.html
Felix am 11.11.2020
Das würde mich auch interessieren: Wie hat man denn das festgestellt? Woher will man denn das wissen, dass die Spritze oder die Pille wirkt? Da bräuchte es ja eine Vergleichsgruppe, die sich identisch zu der Gruppe mit Spritze/Pille verhält. Und die Gruppe mit Spritze/Pille müsste sich ja mit Infizierten austauschen (mit ihnen Sex haben bzw. Körperflüssigkeiten austauschen), was man ja nicht wirklich machen kann. Wie kommt man auf solche Ergebnisse??
Chris00 am 11.11.2020
Wie wird eine Studie mit HIV Medikamenten- bzw. Impfstoff-Kandidaten durchgeführt?
Werden die Probanden aufgefordert ungeschützten Geschlechtsverkehr zu haben?