Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung
Eine Steinhummel, gut zu erkennen am orangeroten Hinterteil. Bildrechte: IMAGO / Wassilis Aswestopoulos

Citizen ScienceInsektensommer: Wie Bürger wieder zu Forschern werden

01. Juni 2023, 14:40 Uhr

Am Freitag startet ein neuer "Insektensommer". Bürger sind aufgerufen, Insekten in ihrer Umgebung zu zählen und so der Biodiversitätsforschung zu helfen. Es ist die sechste Ausgabe der Citizen Science Aktion.

Haben Sie in der kommenden Woche Zeit, sich eine Stunde lang in Ihren Garten zu setzen und Bienen, Ameisen und Wanzen zu zählen? Dann können Sie einen echten, wissenschaftlichen Beitrag zur Erfassung der Biodiversität und damit auch zum Artenschutz leisten. Der Naturschutzbund NABU und der Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) rufen zum sechsten Mal zur Aktion "Insektensommer" auf.

Über 18.000 Bürgerwissenschaftler: Teilnehmerrekord im Jahr 2023

Wer mitmachen möchte, sollte sich an einem sonnigen und windstillen Tag im Zeitraum Freitag, 2. Juni, bis Sonntag, 11. Juni einen schönen Platz suchen. Dort gilt es, eine Stunde lang alle Insekten zu zählen, die von diesem Platz aus gesehen werden können. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, jedes Insekt ganz genau zu bestimmen. Das ist selbst für Profis kaum möglich, wie die Veranstalter auf ihrer Webseite schreiben. "Die Vielfalt ist so groß, dass selbst Experten bestenfalls eine Artengruppe überblicken, niemand kennt auch nur annähernd die 33.000 bei uns heimischen Insektenarten." Deswegen gelte für den Insektensommer einfach: "Jeder so gut, wie er kann."

Wichtigstes Ziel ist, dass sich möglichst viele Menschen beteiligen, um ein flächendeckendes Bild vom Vorkommen verschiedener Spezies in Deutschland zu erhalten. In der Vergangenheit waren NABU und LBV damit durchaus erfolgreich. Beteiligten sich meistens zwischen 12.000 und 15.000 Bürgerforschende an der Insektenzählung, waren es zuletzt sogar über 18.300 Teilnehmende, sagt Daniela Fanzisi, die die Aktion beim NABU leitet.

Ziel: Trends bei den Insektenpopulationen ermitteln

Für die Wissenschaft kann das ein echter Schatz werden. Denn das große Insektensterben ist dank der Studie des Entomologischen Vereins Krefeld vom Oktober 2017 in aller Munde. Die ehrenamtlichen Bürgerforscher des Vereins hatten in den Jahren 1989 bis 2016 jährlich an bestimmten Stellen erfasst, wie viele Insekten durch die Luft fliegen und auf diese Weise einen gewaltigen Rückgang der sogenannten insektiziden Biomasse festgestellt. Doch aufgrund der enormen Vielfalt der Insektenwelt fehlt es nach wie vor an flächendeckenden Daten.

"Ziel der Aktion ist ein deutschlandweites möglichst genaues Bild von der Welt der Insekten in unseren Städten und ländlichen Regionen. Dabei geht es nicht um exakte Bestandszahlen aller Insekten, sondern vielmehr darum, Häufigkeiten und Trends von Arten und Populationen zu ermitteln", schreibt der NABU auf seiner Webseite.

Vergleichbare Daten zu den Lebensräumen vor der Haustür

Damit diese Daten repräsentativ werden, müssen sie in jedem Jahr unter möglichst gleichen Bedingungen zu gleichen Zeiträumen erhoben werden. "So werden neue Kenntnisse zur Entwicklung einzelner Insektengruppen und Arten sowie zu regionalen Unterschieden gewonnen. Denn erst nach fünf bis zehn Jahren lassen sich die Daten näher auswerten, um besonders interessante Kenntnisse gewinnen zu können."

Da der Insektensommer "erst" zum sechsten Mal stattfindet, ist es für bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse noch zu früh. Nach etwa zehn und erst recht nach 20 Jahren dürfte das Potenzial für wirklich aussagekräftige Auswertungen aber enorm sein. "Bislang sehen wir, dass relativ konstant ähnliche Arten gemeldet werden, weil Leute eben vor ihrem Haus, im Garten oder Park oder auf dem Balkon zählen", sagt Daniela Franzisi. Dadurch werden über die Zeit hinweg tatsächlich vergleichende Aussagen zu bestimmten Lebensräumen im Umfeld der Menschen getroffen werden können.

Schwerpunkt Hummel – und Erkenntnisse zur blauen Holzbiene

Die Blaue Holzbiene fühlt sich dank wärmerer Temperaturen immer wohler in Deutschland Bildrechte: IMAGO / Frank Sorge

Ein besonderer Schwerpunkt, die sogenannte Entdeckungsfrage, liegt 2023 wie im Vorjahr auf Hummeln. Wie viele Stein-, wie viele Erd- und wie viele Ackerhummeln können Sie zählen? Diese Bestimmungshilfe zeigt ihnen, wie Sie die drei Unterarten voneinander unterscheiden können. "Die Entdeckungsfrage wird gut angenommen und hilft uns tatsächlich, Daten zu bestimmten Spezies zu bekommen", erklärt Franzisi. Dass immer eine Spezies zwei Jahre lang im Mittelpunkt steht, soll die Daten besser vergleichbar machen.

Wenn Sie nun in der kommenden Woche keine Zeit haben, sich zu beteiligen, können Sie das vielleicht zwischen dem 4. und 13. August nachholen. Diesen zweiten Zeitraum gibt es, da Insekten zu unterschiedlichen Zeiträumen im Jahr ausgewachsen sind und auf diese Weise Informationen zu mehr Spezies gesammelt werden können.

Eine Erkenntnis lässt sich laut Franzisi bereits ziehen: Die blaue Holzbiene, die sich früher eigentlich nur in südlichen Gegenden wohlgefühlt hat, breitet sich dank der Klimaerwärmung nun auch im Norden immer weiter aus.

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 03. November 2022 | 11:53 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen