MPI Jena/Uni Göttingen Hunde können menschliche Absicht erkennen

09. September 2021, 11:30 Uhr

Weiß mein Hund, was ich denke? Ein Forschungsteam aus Göttingen und Jena hat versucht, diese Frage zu beantworten – mit interessanten Ergebnissen: Hunde können offenbar erkennen, ob wir mit Absicht handeln oder nicht.

Ein Hundefrauchen kommandiert ihren Hund.
Bildrechte: imago/Panthermedia

  • In Experimenten untersuchten die Forschenden, ob Hunde zwischen absichtlichem und unabsichtlichem menschlichen Verhalten unterscheiden können – auch wenn das Ergebnis dasselbe ist.

  • Dafür wurde ihre Reaktion auf das Vorenthalten einer Belohnung durch die Forscherin in drei Kategorien beobachtet, die aus der "Theory of Mind" stammen.

  • Die Hunde erkannten im Experiment den Unterschied zwischen widerwilligem und unfähigem Verhalten und damit offenbar auch, ob Menschen etwas mit oder ohne Absicht tun.

Erkennen von Absichten nicht allein Menschen vorenthalten

Dr. Juliane Bräuer vom Jenaer Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte hat sich bereits mit vielen Aspekten des Zusammenlebens von Mensch und Hund beschäftigt, etwa mit der Frage, ob die Interaktion der Fellnasen mit uns angeboren ist oder woher der berühmte Hundeblick kommt. Nun hat sich die Wissenschaftlerin zusammen mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen der Uni Göttingen der folgenden Frage angenommen: Unterscheiden Hunde zwischen absichtlichem und unabsichtlichem menschlichen Verhalten? Im Ergebnis ihrer im Fachmagazin "Nature" erschienenen Studie können sie sagen: Ja, die Hunde können eine Absicht bei Menschen offenbar erkennen.

Für den Homo sapiens ist das Erkennen der Absicht bei einer Aktion sehr wichtig für deren Verständnis, wie die Forscherinnen und der Forscher erläutern. Dies hat zu der sogenannten "Theory of Mind" geführt, bei der es darum geht, Gefühle zu verstehen, um eigene oder fremde Handlungen vorhersagen zu können – ein ähnliches Konzept ist das der Empathie. Lange wurde die "Theory of Mind" als etwas typisch Menschliches angesehen, allerdings wurden inzwischen auch bei Tieren wie Schimpansen oder Eichelhähern Zuschreibungen von Handlungsabsichten beobachtet. Da der Hund das Tier ist, das in der Geschichte die engste Beziehung zum Menschen eingegangen ist, wollten die Wissenschaftlerinnen diese Theorie nun auch bei den Vierbeinern überprüfen – zum ersten Mal überhaupt.

Erkennen von Absichten kann evolutionär von Vorteil sein

Für eine praktische Umsetzung dieser Überprüfung nutzten sie das "Unwillig vs. Unfähig"-Paradigma, da hier nicht-verbale Handlungen untersucht werden können. Konkret enthält bei Experimenten dieser Art eine handelnde Person den Hunden eine Belohnung entweder absichtlich ("unwillig") oder unabsichtlich ("unfähig") vor. Bei einigen Tieren, etwa verschiedenen Affenarten oder Pferden, wurde ebenso wie bei menschlichen Kleinkindern bereits festgestellt, dass sie absichtliches Vorenthalten von unabsichtlichem unterscheiden können. Einerseits kann dies mit evolutionären Vorteilen für die jeweiligen Tierarten erklärt werden, andererseits ist bei solchen, die in Gefangenschaft leben, auch möglich, dass sie es vom Menschen gelernt haben. Für Hunde nehmen die Studienautorinnen beide Erklärungsansätze an.

Im Experiment wurden insgesamt 51 Hunde beobachtet, wie sie darauf reagierten, wenn die Versuchsperson ihnen eine Belohnung entweder absichtlich entzog, sie "aus Versehen" fallen ließ oder sie ihnen nicht geben konnte, weil eine Lücke in einer Trennwand verschlossen war. Dabei erwarteten die Forschenden, dass die Hunde in der Situation, in der die Belohnung absichtlich entzogen wurde, signifikant länger warten würden als in den beiden anderen – weil die Hunde bei dieser Situation annehmen, dass sie die Belohnung irgendwann noch bekommen würden. Und tatsächlich passierte genau dies, wobei sie auch länger warteten, wenn die Belohnung "aus Versehen" fallen gelassen wurde. "Dies bedeutet, dass Hunde tatsächlich in der Lage sein können, die Absicht der Versuchsperson zu erkennen", heißt es in der Untersuchung.

Dennoch sind die Erkenntnisse mit Skepsis zu betrachten, wie sie selbst betonen. Ein Problem liegt in der eng verbundenen Lebensweise von Menschen und Hunden, bei denen letztere auf verschiedene Verhaltensweisen gezielt abgerichtet werden – etwa, wie sie ihre Nahrung mit bestimmtem Verhalten bekommen können oder lernen, die Gesichtszüge von Menschen zu lesen. So könnten die Hunde im Experiment beispielsweise aus den Emotionen der Versuchsperson geschlossen haben, wann eine absichtliche oder unabsichtliche Situation vorlag. Daher sollte in künftigen Studien versucht werden, diese Art von Erklärungsansätzen systematisch auszuschließen. Am besten seien dafür Hunde geeignet, die bisher nur wenig Kontakt mit Menschen hatten. Auch wäre eine Untersuchung an Wölfen interessant, um herauszufinden, welche Rolle die Domestikation bei der Entwicklung dieser Fähigkeiten gespielt hat.

cdi

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