
Gravitation Schwerkraft statt Treibstoff: Raumfahrt zu anderen Planeten
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03. Januar 2020, 15:00 Uhr
Weltraumreisen sind extrem kompliziert: Die Ziele bleiben nie an einem Ort, sondern bewegen sich ständig. Dazu kommt die Schwerkraft der Planeten und der Sonne. Wie die Raumfahrt mit diesen Herausforderungen fertig wird.
Wie kommt man mit möglichst wenig Treibstoff zum Mars? Science-Fiction Filme vermitteln meist ein ziemlich falsches Bild von der Raumfahrt: Einfach Antrieb anschalten, hinfliegen, in einen Orbit einschwenken und fertig. In der Praxis aber ist Raumfahrt sehr, sehr viel komplizierter, wie der Vortrag von Sven Prüfer auf dem 36. Chaos Communication Congress zeigt.
Komplett andere Physik: Reisen durch den Weltraum
Prüfer ist Missionsplaner beim German Space Operation Center, einem Teil des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Sein Fachgebiet: Die sogenannte Orbitalmechanik. Welche Manöver muss ein Raumschiff vollführen, um vom Orbit der Erde zu dem eines anderen Planeten im Sonnensystem zu gelangen?
Auf der Erde können sich Reisende, ganz gleich ob im Auto, im Flugzeug oder zu Fuß, einfach an der sie umgebenden Masse abstoßen, um vorwärts zu kommen. Ein Flugzeug schaufelt sich durch die Luft, ein Auto rollt über den Boden, über den der Fußgänger geht. Im Weltall hingegen gibt es kein umgebendes Medium, nur unendliche Leere.
Wie die Gravitation Körper beschleunigt
Raumschiffe müssen selbst Masse abstoßen, um damit in die jeweils zum Ausstoß entgegengesetzte Richtung zu beschleunigen. Ein weiterer Faktor ist die Anziehungskraft aller Himmelskörper, etwa der Erde, des Mond, der Planeten oder der Sonne. Denn durch Gravitation ziehen sich all diese Massen an und zwar um so stärker, je näher sie sich sind.
Betrachten Forscher in ihrer Rechnung zwei Himmelskörper und ihre gravitativen Kraft zueinander, sprechen sie vom Zwei-Körper-Problem. Dafür gibt es einfache Alltagsbeispiele: Lassen wir einen Apfel zu Boden fallen, beschleunigt er. Ohne den Widerstand der Luft oder den Erdboden im Weg würde er bis zum Erdkern ständig an Geschwindigkeit zunehmen. Allerdings: Obwohl das aufgrund der extrem unterschiedlichen Größe von Erde und Apfel kaum beobachtbar ist – auch der Apfel zieht die Erde ein winziges bisschen zu sich hin.
Wie die Raumfahrt von der Gravitation profitiert
Diese Effekte der Gravitation sind für die Raumfahrt extrem nützlich. Denn bei allen Missionen ist der Treibstoff extrem knapp. Er muss von der Erde mitgebracht werden. Das Gewicht, das eine Rakete ins All befördern kann, ist aber eng begrenzt.
Deswegen nutzen die meisten Forschungsflüge, egal ob zum Mars, zum Jupiter, Saturn oder darüber hinaus, das Schwerkraftfeld der Planeten. Schlägt die Sonde die richtige Flugbahn ein, kann sie beispielsweise einen Vorbeiflug unternehmen, wie New Horizons bei Pluto. Will eine Sonde ein Objekt allerdings länger untersuchen, muss sie in einen elliptischen Orbit einschwenken. Dafür müsste sie einfach bremsen, wenn sie den Planeten erreicht.
Raumflug in der Praxis: Der Hohmann-Transfer
Plant man nun eine praktische Raummission, kann man einerseits darauf achten, nur dann zu starten, wenn das sogenannte Transferfenster günstig ist. So befindet sich der Mars alle 26 Monate in einer günstigen Postion zur Erde. Über einen sogenannten Hohmann-Transfer ist der rote Planet dann relativ leicht erreichbar. Das hat sich beispielsweise die NASA-Mission InSight zu Nutze gemacht.
Aber leider ist die Physik im Weltall noch komplizierter. Denn tatsächlich üben bei einem Flug zum Mars nicht nur Erde und Mars einen gravitativen Einfluss auf die Sonde aus. Während des Flugs zieht auch die Sonne am Raumschiff. Dadurch kommt es zum sogenannten Dreikörper-Problem, das als eines der schwierigsten Probleme in der Mathematik gilt.
Wie Raumschiffe mit der Schwerkraft beschleunigen oder bremsen können
Ziehen sich drei Körper wechselseitig an, können Mathematiker die Folgen davon nur noch näherungsweise berechnen. Die Umlaufbahnen dieser Körper umeinander sind dann nicht mehr gleichmäßige Ellipsen, sondern ein wildes, chaotisches Knäuel. Wissenschaftler versuchen dann, ihre Berechnungen mit einigen Tricks zu vereinfachen und handhabbar zu machen.
So können unterschiedliche gravitative Einflüsse genutzt werden, um ein Raumschiff durch sogenannte Gravity-Assists zu beschleunigen oder zu bremsen. Sonden können so fast ohne Treibstoff an Fahrt aufnehmen oder sich von ihrem Zielplaneten einfangen lassen. Ein Beispiel für eine solche Mission ist die von ESA und JAXA Sonde Bepicolombo, die derzeit auf dem Weg zum Merkur ist und dort im Dezember 2025 auf ihrer endgültigen Umlaufbahn ankommen soll.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 31. Dezember 2019 | 05:24 Uhr