Erster ISS-Außeneinsatz unter Frauen Nichts zum Anziehen: Weltraumspaziergang abgesagt

Der kommende Freitag galt in der Geschichte der Weltraumspaziergänge als historischer Tag: Erstmals sollten ausschließlich Frauen einen Einsatz im freien Weltall ausführen. Doch daraus wird erstmal nichts.

Nick Hague (mit Raumanzug), Anne McClain (mit Raumanzug) und Christina Koch in der ISS vor ihrem Weltraumspaziergang, in der ISS schwebend
Vergangene Woche waren Nick Hague und Anne McClain auf Außeneinsatz. Am Freitag ist Christina Koch dran. Bildrechte: NASA

Was eine gute Abendgarderobe betrifft, stellen Frauen weitaus größere Ansprüche an sich als Männer: Bei vollem Kleiderschrank "nichts zum Anziehen zu haben", kann – dem Klischee aus der Geschlechterkiste zufolge – auch bloß den Frauen passieren. Nur, dass der Kleiderschrank voll sei, kann man den Raumfahrerinnen Christina Koch und Anne McClain nicht vorwerfen.

Vierzig Jahre altes Anzugdesign

Ursprünglich sollten die beiden US-Amerikanerinnen am kommenden Freitag Teil eines historischen Momentes sein und den ersten Außeneinsatz unter Frauen abhalten. Bei einem Reparatureinsatz in der vergangenen Woche habe McClain aber gemerkt, dass ihr ein Oberteil der mittleren Raumanzuggröße am besten passe – und sie damit die gleiche Größe wie Koch tragen müsse. Allerdings sei von dem Modell bis Freitag nur eins einsatzfähig. Dass der Anzug sitzen muss, ist hier keine Frage der Mode: Schließlich ist er das einzige, das sich zwischen dem freien Weltall und der Astronautin befindet – und somit Temperaturen von plus oder minus 100 Grad, je nachdem, ob die Sonne scheint. Die derzeit verwendeten Anzüge wurden vor mehr als vierzig Jahren entwickelt – damals gab es im Übrigen erst eine Frau im Weltall. Experten zufolge sei das Design auch nur für eine Lebensdauer von 15 Jahren ausgelegt.

Noch keine Gleichberechtigung im Weltall

Briefmarke der Sowjetunion mit Zeichnung von Swetlana Sawizkaja, der ersten Frau auf Außeneinsatz und ihren männlichen Kollegen
Swetlana Sawizkaja und ihre männlichen Kollegen auf einer sowjetischen Briefmarke Bildrechte: Wikimedia Commons/Post der Sowjetunion (gemeinfrei)

So sind zwar in der Einsatzplanung neue Zeiten der Gleichberechtigung angebrochen, die Weltraumausstatter hängen aber noch ein bisschen hinterher. Und das, obwohl Außeneinsätze durch Raumfahrerinnen längst Weltraumalltag sind: Die erste Frau auf Außeneinsatz war die Kosmonautin Swetlana Sawizkaja im Jahr 1984. Ihr männlicher Konterpart – Kosmonaut Alexej Leonow, der erste Mensch im freien Weltall – hatte seinen Einsatz bereits 1965, also fast zwanzig Jahre früher. Mit zehn Spaziergängen im freien Weltall ist die Astronautin Peggy Whitson die Frau mit den derzeit meisten Außeneinsätzen. Mit 16 die meisten Ausstiege insgesamt hat der Kosmonaut Anatoli Solowjow zu verzeichnen.

Weltraumspaziergang ist kein Spaziergang

Auch die Dauer der Ausstiege ins Weltall hat sich verändert: Von anfänglich wenigen Minuten sind die Einsätze mittlerweile oft einen ganzen irdischen Arbeitstag lang. Rekordhalter sind die Astronauten Susan Helms und James Voss, die 2001 mit fast neun Stunden Einsatzzeit Überstunden einlegen mussten. Weltraumspaziergänge sind dabei nicht so trivial, wie sie vielleicht klingen: So ist es besonders der Raumanzug, der Raumfahrern und -fahrerinnen den Ausflug in die endlosen Weiten erschwert. Neben Druckverhältnissen, auf die Astro- und Kosmonauten vor dem Ausstieg erst vorbereitet werden müssen, sind sie im Raumanzug einer großen Lärmbelastung durch die dort installierte Klimaanlage ausgesetzt. Außerdem sind sie in der Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt, obwohl bei den "Spaziergängen" häufig technische Aufgaben auf der Agenda stehen.

ISS am Himmel

Im März 2019 war die ISS den ganzen Monat - erst morgens, dann abends - mit bloßem Auge am Himmel zu sehen.

Raumstation
Die Raumstation ISS. Am Morgenhimmel fast so hell wie die Venus. Bildrechte: NASA/Mark Garcia
Raumstation
Die Raumstation ISS. Am Morgenhimmel fast so hell wie die Venus. Bildrechte: NASA/Mark Garcia
ISS
Sojus MS-12 hatte Mitte März drei neue Besatzungsmitglieder auf die ISS gebracht: Christina Hammock-Koch, Alexej Owtschinin und Nick Hague Bildrechte: NASA/Mark Garcia
ISS
Vor dem Ausstieg: NASA Astronautin Anne McClain (Mitte) inspiziert die Raumanzüge der neuen Crewmitglieder Christina Hammock-Koch (l.) und Nick Hague (r.) Bildrechte: NASA/Mark Garcia
Weltraum
Die Nacht des 19. Januar 2019 über Nordeuropa. Zu sehen sind London (r.), der Ärmelkanal, Amsterdam, Den Haag, Rotterdam, Antwerpen und Brüssel. Bildrechte: NASA/Mark Garcia
Astronaut
Das Fenster zur Welt - die Beobachtungskuppel der ISS. Der kanadische Astronaut David Saint-Jacques fotografiert. Bildrechte: NASA/Mark Garcia
Raumstation
Module der ISS in Nahaufnahme: rechts ein Teil des Destiny-Labormoduls NASA), daran das Harmony-Modul. Vorn links das Kibo-Labormodul (JAXA), oben drauf ein Logistikmodul. In der Mitte das Columbus-Labormodul der ESA. Bildrechte: NASA/Mark Garcia
Raumstation
Das Cygnus-Frachtschiff verlässt die ISS aus den Greifern des Canadarm2-Roboterarms. Unten zu sehen: Der Pazifik. Bildrechte: NASA/Mark Garcia
Astronautin und Astronauten
Expedition 59 ist Mitte März 2019 auf der ISS eingetroffen: Christina Koch (NASA, l.), Alexej Ovchinin (Roscosmos, M.) and Nick Hague (NASA, r.) Bildrechte: NASA/Mark Garcia
Astronautin und Astronauten
Im russsischen Kosmonautenzentrum "Juri Gagarin": Christina Koch (NASA, l.), Alexej Ovchinin (Roscosmos, M.) and Nick Hague (NASA, r.) vor ihrem Flug zur ISS. Bildrechte: NASA/Mark Garcia
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Für Anne McClain wird am Freitag nun der männliche Kollege Nick Hague einspringen. Der nächste historische Moment der Raumfahrt folgt also erst, wenn der Kleiderschrank auf der ISS ordnungsgemäß gefüllt ist.

Dieses Thema im Programm: MDR JUMP Radio | 26. März 2019 | 21:10 Uhr