Aufmerksamkeit statt Schaden Kein Tierkauf durch Filme: Den "Nemo-Effekt" gibt es nicht

14. August 2019, 09:25 Uhr

Ob "Findet Nemo", "Zootopia" oder "Harry Potter": (Animations-)Filme mit Tieren sind beliebt in den Kinos. Und immer wieder sollen sie dafür sorgen, dass Menschen die Tiere so gern mögen, dass sie sich diese Tiere dann kaufen. Nach "Findet Nemo" etwa, soll der Verkauf von Clownfischen rapide angestiegen sein. Das Phänomen heißt seitdem auch "Nemo-Effekt". Aber stimmt das überhaupt? Forscher der University of Oxford sagen jetzt: alles Blödsinn!

Es war eine emotionale Warnung, die die Premiere vom zweiten "Findet Nemo"-Teil "Findet Dory" begleitete. Denn weltweit berichteten Medien nach Teil eins davon, dass die Verkäufe von Clownfischen, wie der kleine Nemo einer ist, infolge des Kinofilms in die Höhe geschnellt seien. Biologen und Tierschützer zeigten sich besorgt, denn das schade der Umwelt und den Tieren.

Vor genau diesem "Nemo-Effekt" warnte nun also niemand geringeres als die Stimme von Paletten-Doktorfisch "Dorie" höchstselbst: die US-amerikanische Talk-Legende Ellen DeGeneres. Die Apelle lauteten: Kauft keine Tiere aus dem Film, um sie als Haustier zu halten. Aber machen die Zuschauer das überhaupt?

"Nemo-Effekt" nicht nachweisbar

Ellen DeGeneres
Ellen DeGeneres ist die englische Stimme von "Dorie" Bildrechte: imago/ZUMA Press

Forscher der renommierten britischen Oxford University wollten das ganz genau wissen. Sie untersuchten deshalb den Zusammenhang zwischen der Verbraucher-Nachfrage nach Wildtieren und Blockbuster-Filmen. Und ihr Ergebnis ist eindeutig: Es hat im Fall von "Findet Nemo" keinen solchen Zusammenhang im englischsprachigen Raum gegeben.

Stattdessen stellten sie ein ganz anderes Phänomen fest: Die Leute wollen die Tiere zwar nicht kaufen, sie suchen aber im Internet viel intensiver nach Informationen über die Arten. Das Interesse sei also da, das Kaufbedürfnis eher nicht.

Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Wirkung von Filmen beim Kauf von Tieren in großem Maßstab begrenzt ist. Es gibt jedoch einen klaren Effekt in Bezug auf die Informationssuche, was bedeutet, dass die Medien eine wichtige Rolle dabei spielen, die Verbreitung von Wildtieren und den Naturschutz zu fördern.

Dr. Diogo Veríssimo, Department of Zoology University of Oxford

Das gelte insbesondere für Animationsfilme, die von einer weitaus vielfältigeren Personengruppe angesehen würden als beispielsweise Naturdokumentationen.

Mehr Google-Suchen, aber stabile Fischkaufdaten

Für die Studie führten die Briten mehrere Untersuchungen durch: Sie analysierten Daten zu Online-Suchmustern von der Google Trends-Plattform, Fischkaufdaten von einem großen US-Importeur von Zierfischen und Besuchsdaten von 20 Aquarien in den USA.

Wenn Blockbuster-Filme sich nun auf weniger bekannte Arten konzentrieren, dann machen sie die Zuschauer aufmerksam auf die Tierarten, die normalerweise kaum Beachtung finden, schreiben die Forscher. Dadurch beleuchteten sie die Vielfalt der Tierarten und wodurch sie womöglich bedroht seien.

Daniel Radcliffe als Harry Potter mit Eule
Halten mehr Menschen Eulen als Haustiere wegen Harry Potters "Hedwig"? Eher nicht... Bildrechte: imago images / United Archives

Die Legende vom "Nemo-Effekt"

Aber woher kommt denn nun die Behauptung, es gebe einen "Nemo-Effekt"? So ganz genau können das die Wissenschaftler auch nicht bestimmen. Zuerst habe es wohl kurz nach Kinostart des Films eine Reihe von Presseartikeln in den USA, Großbritannien und Australien gegeben. Und die hätten dann zahlreiche andere Medien auf der ganzen Welt aufgegriffen.

Wir halten diese Erzählungen für so überzeugend, weil sie auf einem eindeutigen Kausalzusammenhang beruhen, der plausibel ist und sich auf sehr prominente Ereignisse beziehen: 'Findet Dorie' ist einer der erfolgreichsten Animationsfilme der Geschichte.

Dr. Diogo Veríssimo, Department of Zoology University of Oxford
Fennek
Ein Star in "Zoomania": Der Fennek - der Wüstenfuchs Bildrechte: imago/imagebroker

Ganz ähnlich müsse das auch bei anderen Filmen gewesen sein, die mit einer steigenden Nachfrage von Wildtieren in Verbindung gebracht werden - etwa bei der "Harry Potter"-Filmreihe oder dem Animationsfilm "Zoomania". In beiden Fällen ergaben Studien ebenfalls, dass es keine Beweise gibt, die die Behauptung stützen würden, dass mehr Menschen Eulen oder Wüstenfüchse als Haustier gehalten hätten.

Als nächstes wollen die Forscher jetzt untersuchen, inwiefern Natur- und Wildtier-Dokumentationen unser Verhalten der Natur gegenüber beeinflussen. So zum Beispiel, ob die BBC Blue Planet-Reihe einen Einfluss darauf hatte, wie die Menschen mit Plastik umgehen.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | BRISANT | 29. September 2016 | 17:15 Uhr