Medizinische Fachangestellte impft eine Frau im Impfzentrum des Landkreises Altötting, Neuötting
Auffrischungen der Corona-Impfungen werden nur für Personen über 60 Jahren oder mit Vorerkrankungen empfohlen. Bildrechte: imago images/Wolfgang Maria Weber

Covid-19 Stiko: Corona-Impfung künftig nicht mehr für Kinder und Jugendliche empfohlen

26. Mai 2023, 12:04 Uhr

Die Ständige Impfkommission (Stiko) überarbeitet ihre Empfehlungen für Corona-Impfungen: Kindern wird sie nicht mehr empfohlen, bei Erwachsenen genügen zwei Dosen und ein Booster und nur Ältere sollen öfter auffrischen.

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  • Die Auffrischung der Coronaimpfung wird künftig nur noch für Personen über 60 Jahren und solchen mit Risikofaktoren empfohlen. Bei Erwachsenen genügt eine Grundimmunisierung mit Booster. Kinder und Jugendliche benötigen gar keine Coronaimpfung mehr.
  • Keine Impfempfehlung bedeutet aber nicht, dass es ein höheres Risiko durch die Impfung gebe, betonten die Experten.
  • Die Diskussion um das Post-Vac-Syndrom habe die Entscheidung nicht beeinflusst, hieß es.

Update 25. Mai: Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission wurden inzwischen verabschiedet und jetzt im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts hat ihre Empfehlungen für die Corona-Impfungen überarbeitet. Demnach wird eine Impfung für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht mehr empfohlen.

Alle Erwachsenen über 18 Jahre sollen künftig am besten zweifach geimpft sein und einen dritten Kontakt mit dem Antigen von Corona in einem Abstand von drei bis sechs Monaten nach der Grundimmunisierung gehabt haben. Sprich: Wer die Grundimpfung hatte, sollte nach etwa einem halben Jahr noch eine Booster-Impfung bekommen, wenn er sich bis dahin nicht mindestens einmal mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 angesteckt hat.

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Prof. Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission STIKO 5 min
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Nur ältere Menschen über 60 Jahren und Personen mit Risikofaktoren für einen schweren Coronaverlauf sollen auch künftig Auffrischungsimpfungen bekommen, vorzugsweise im Herbst, wenn auch gegen Grippe oder Pneumokokken geimpft wird. Das gilt auch für Mitarbeiter von Pflegeheimen und Kliniken. Allerdings legt die Stiko derzeit noch nicht fest, ob diese Auffrischungen jährlich erfolgen müssen oder ob eine bestimmte maximale Anzahl von Impfdosen genügt. Das müssen Daten zur Entwicklung der Immunität über den Zeitraum mehrerer Jahre zeigen, die bislang aber noch nicht vorliegen.

Endemischer Zustand: Bevölkerung hat ausreichende Grundimmunität erreicht

Bei einem Pressegespräch begründeten Mitglieder der Stiko die Überarbeitung mit dem Ende des pandemischen Zustands. Nachdem in den vergangenen zwei Jahren über 200 Millionen Impfdosen in Deutschland ausgegeben wurden, seien nun die meisten Menschen grundimmunisiert. Viele haben sich auch ein- oder mehrfach mit Corona infiziert, so dass nun eine relativ breite Immunität in der Bevölkerung vorhanden ist.

Das verhindert bei den meisten, dass sich eine Ansteckung zu einer lebensbedrohenden Krankheit entwickelt, die im Krankenhaus behandelt werden muss. Zudem habe das Virus in seiner Evolution zwar an Ansteckungsfähigkeit gewonnen, mache aber nicht stärker krank. Deswegen entfalle die bisherige Sonderrolle für Corona-Impfungen. Sie können nun in den allgemeinen Impfkanon aufgenommen werden, sagte der Immunologe Christian Bodgan vom Universitätsklinikum in Erlangen.

Die neue Empfehlung soll die bisher 25 Aktualisierungen ablösen und langfristig bestehen bleiben. Zugleich könnte die Rücknahme der Impfempfehlung für bestimmte Gruppen dazu führen, dass diese weitere Immunisierungen selbst bezahlen müssen, wenn sie sich trotzdem impfen lassen wollen.

Zahl schwerer Fälle von PIMS und MISC bei Kindern seit Omikron stark zurückgegangen

"Es ist gut, dass es künftig eine übersichtliche Impfempfehlung gibt, das hilft den Ärzten", sagte Carsten Watzl, Generalsekretär der deutschen Gesellschaft für Immunologie, der kein Mitglied der Stiko ist. Zugleich betonte er, dass die Stiko ausdrücklich darauf hinweise, dass die Änderung der Empfehlung für Kinder und Jugendliche nichts mit einer veränderten Risikobewertung für die Impfstoffe zu tun habe. Stattdessen sei das Risiko für schwere Verläufe bei Kindern und Jugendlichen sehr gering, weshalb es keinen großen Nutzen durch die Impfung gebe.

Stiko-Mitglied Martin Terhardt, Kinder- und Jugendarzt in Berlin, erklärte, dass mit Auftreten der Omikron-Variante die Zahl der PIMS und MIS-C Fälle stark abgenommen habe. "Das spielt bei den jetzigen Varianten keine große Rolle mehr." Auch gehe die Stiko davon aus, dass unter Kindern inzwischen eine relativ große Basis-Immunität vorhanden sei. Neugeborene hingegen erhielten einen Nestschutz durch die Antikörper ihrer geimpften Mütter. Für Schwangere wiederum gelte die allgemeine Impfempfehlung für Erwachsene über 18 Jahren. Auffrischimpfungen für Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft geimpft waren, werden nicht empfohlen.

Sowohl Watzl als auch Bodgan hoben hervor, dass die Impfungen eine Infektion der Atemwege mit Corona nicht verhindern könnten. "Wir müssen uns lösen von der Idee, dass die Impfstoffe einen Atemwegsinfekt total verhindern", sagte Bogdan. Das sei auch nicht das Ziel der Impfstoffentwicklung gewesen. Es gehe stattdessen vor allem darum, schwere Verläufe zu verhindern und hier seien die Impfungen ein großer Erfolg gewesen.

Post-Vac-Syndrom: Im Verhältnis zum Nutzen der Impfung sehr selten

Auch regelmäßige Aktualisierungen des Impfschutzes bei gesunden Erwachsenen sind aus Sicht der Stiko nicht notwendig. "Corona ist kein neues Influenzavirus", sagte Bogdan. Im Gegensatz zum Grippeerreger, der sich regelmäßig sehr stark verändere, seien die Mutationen bei Corona überwiegend auf das Spikeprotein beschränkt. Die zelluläre Immunantwort durch die sogenannten T-Zellen sei durch die neuen Virusvarianten bisher nie umgangen worden.

Die aktuelle Debatte um das sogenannte Post-Vac-Syndrom habe keinen Einfluss auf die jetzige Empfehlung der Stiko gehabt, betonten Bogdan und sein Kollege Terhardt. Es könne zwar durchaus dazu kommen, dass Menschen schwere Reaktionen auf eine Impfung entwickelten, die mitunter zu langanhaltenden, manchmal sogar bleibenden Schäden führten. "Das hat aber oft weniger mit dem Impfstoff zu tun, sondern mit immunologischen Effekten, die ungewöhnlich aber bekannt sind", sagte Bogdan.

Dazu zählte etwa, wenn jemand sogenannte Autoantikörper entwickle, die eine Überreaktion des Immunsystems darstellten. Solche Überreaktionen seien aber nach Infektionen deutlich häufiger, als nach Impfungen. Schwierig sei zudem zu unterscheiden, welche Komplikationen tatsächlich durch die Impfung ausgelöst wurden und welche nur zufällig zur gleichen Zeit auftraten. "Wir haben über 200 Millionen Dosen verimpft. Da ist es praktisch unvermeidlich, dass Impfungen zeitlich gemeinsam auftreten mit einem neuen klinischen Gesundheitsbild", erklärte der Immunologe.

Zugleich gebe es auch echte Komplikationen, die von der Impfung verursacht worden seien. Hier brauche es aber noch Forschung, um beides voneinander sauber unterscheiden zu können. Aufgrund der immunologischen Grundlagen sei es leider unvermeidbar, dass es in einzelnen Fällen solche Impfreaktionen gebe. Diese seien aber besonders gemessen am Nutzen der Impfung verhältnismäßig sehr selten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 25. April 2023 | 13:00 Uhr