Mobilität von Morgen Nachgefragt: Was ist mit dem kettenlosen Fahrrad aus dem Harz?
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15. August 2019, 10:33 Uhr
Ölverschmierte Finger, weil die Kette abgesprungen ist? Müsste nicht sein, wenn Räder einfach einen kettenlosen Antrieb hätten. An der Hochschule Harz wird seit 2013 daran getüftelt. Wie weit sind die Entwickler heute?
Wem unterwegs die Fahrradkette abspringt, der fummelt sie zwar meistens wieder drauf, hat dann aber auch oft gründlich ölverschmierte Finger - zumindest, wenn er kein blitzblank-wohlgeöltes Sonntagsrennrad unterm Hintern hatte. Die Hochschule Harz, genauer gesagt, das Institut für Automatisierung und Informatik (IAI), hatte 2013 für Schlagzeilen gesorgt, als sie ein Rad vorstellte, das ohne Kettenantrieb funktioniert:
Statt über eine Kette erzeugt ein Generator, eingebaut in den Kurbelantrieb des Fahrrades, elektrische Energie, die über den Elektromotor am Hinterrad weitergeleitet wird. Wie stark der Radler elektronisch unterstützt wird, soll sich stufenlos über Bluetooth am Handy einstellen lassen. Die Bremsenergie soll ebenfalls in nutzbare Energie verwandelt werden.
Nach dem ersten Aufschrei der Branche auf mehren deutschen Fahrradmessen sorgte das Rad auch in Italien und Spanien für Aufsehen. Und das, obwohl das "kettenlose Harzer" nicht das einzige seiner Art ist: Ein ebenfalls kettenloses Modul wurde etwa zeitgleich in Südkorea entwickelt und auf den Markt gebracht. Ist man in Südkreoa also den Entwicklern aus dem Harz einen Schritt voraus? "Keinesfalls," sagt Steffen Braune, "das koreanische 'Mando Footloose' hat unserer Ansicht nach wenig mit dem Radfahren, wie wir es hier definieren, zu tun, also in die Pedale treten und fahren. Außerdem ist es auch nicht weiter entwickelt worden, wie wir aus Gesprächen mit der Firma dort wissen."
Was nach den Schlagzeilen kam
Und was ist seither an der Hochschule Harz passiert? Hat das kettenlose Rad tatsächlich Zukunft, oder ist es eine Erfindung, die in den Schubladen der Forscher verschwunden ist? Das Interesse an den kettenlosen Fahrrädern sei am Markt groß, erklärt Projektleiter Steffen Braune im Gespräch mit MDR Wissen. Tatsächlich sei an der Hochschule intensiv weitergearbeitet worden und zwar nicht allein, sondern mit einem Partner aus der Industrie. Zuletzt wurden Braune zufolge neue Funktionsmuster des kettenlosen Antriebs - in der Branche heißt das "Chainless Drive System" - an einem Fahrrad und einem Dreirad als Studie in Betrieb genommen. Die Hochschule hat dabei verschiedene potentielle Radtypen für ihr Antriebsmodul im Blick: Lastenräder, Passagier-Räder, E-Bikes und andere Mikromobile.
Umstieg totale - Umrüstung wird's nicht geben
Wer vom herkömmlichen auf den kettenlosen Antrieb umsteigen will, muss allerdings sein Gefährt wechseln - Module für Anbau oder Umrüstung sind nicht geplant, sagt Steffen Braune. Dagegen sprechen einfach zu viele mechanische Veränderungen, spezielle Halterungen, Verkabelungen, Steuergeräte, die das kettenloses Fahrrad braucht.
Dieses Thema im Programm: MDR SPUTNIK | Sputniker am Morgen | 29. April 2015 | 09:10 Uhr