Künstliche Intelligenz Früher Tumore entdecken mit KI-Assistenten beim Ultraschall
Hauptinhalt
12. Oktober 2023, 10:58 Uhr
In der Medizin ruhen große Hoffnungen auf der Technologie der Künstlichen Intelligenz. Denn die KI könnte Medizinerinnen und Mediziner künftig kräftig unterstützen. Eine besonders große Rolle spielt sie im Bereich der bildgebenden Diagnostik. Sehr vielvesprechend ist dabei offenbar der klassische Ultraschall: Der wird dank KI leistungsfähiger und ermöglicht schnellere und präzisere Diagnosen als bisher.
Zum ersten Mal seit der Corona-Pandemie lädt die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) wieder in Präsenz zu ihrem Dreiländertreffen. Und dabei wird das Thema Künstliche Intelligenz eine besondere Rolle einnehmen. Denn KI und Ultraschall - das passt offenbar wie der Topf auf den Deckel. Die Entwicklung künstlicher neuronaler Netze und Deep Learning haben diesem Bereich nämlich in den vergangenen Jahren einen Schub verpasst, erklärt André Farrokh vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und Präsident des Kongresses.
"Die ersten Ergebnisse und Studien sind sehr ermutigend und versprechen ein überaus großes Potenzial in zahlreichen Fachgebieten. Aus diesem Potenzial erwächst auf der anderen Seite aber auch eine große Verantwortung in der sachgemäßen Anwendung der KI", bilanziert Farrokh. Insbesondere im Bereich der Mammasonografie - also der Ultraschalluntersuchung der Brust - sieht der leitende Oberarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe großes Möglichkeiten für Fortschritte. Und wenn der Ultraschall neben besseren Bildauflösungen durch KI gestützt werde, könne er andere Bildgebungsverfahren wie Rötngen oder MRT zunehmend ergänzen oder gar ersetzen. Das wäre nicht nur kostengünstiger, sondern die Patientinnen und Patienten könnten Methoden vermeiden, die invasiv oder mit einer hohen Strahlenbelastung verbunden seien.
KI-Analyse von Ultraschall-Daten: So gut wie die von erfahrenen Fachleuten
Bei der Brustkrebs-Diagnostik etwa nutzen die Medizinerinnen und Mediziner unter anderem Ultraschalldatensätze in 3-D, die durch automatische Brustultraschall-Scanner erfasst werden. Dabei fährt also ein Scanner über die Brust, wie das auch ähnlich bei einer MRT- oder CT-Untersuchung passiert. Die Medizinerinnen und Mediziner können sich das 3-D-Bild anschließend auf dem Monitor anschauen. Wenn die KI diese Bilder analysiert und sozusagen nach Anzeichen für bösartige Gewebeveränderungen absucht, dann sind die Ergebnisse davon genauso gut wie bei der Analyse durch Fachärztinnen und Fachärzte mit mehrjähriger Erfahrung, erklärt Farrokh.
Darüber hinaus kann der KI-gestützte Ultraschall das Mammografie-Screening verbessern. Das ist ein Programm zur Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen zwischen 50 und 69 Jahren ohne Symptome. Bei der Mammografie wird die Brust geröntgt. Ziel des Screenings ist, Brustkrebs so früh wie möglich zu erkennen, sagt der Mediziner. Doch die Mammografie-Bildgebung stößt in gewissen Fällen an ihre Grenzen: Etwa die Hälfte der Patientinnen hätte eine sogenannte "dichte" Brust, die aus mehr Drüsengewebe bestehe. Hier sinke die Sensitivität der Mammografie von fast 90 auf 50 Prozent und Tumore könnten leichter übersehen werden. "Diese Lücke könnte der KI-gestützte automatisierte Brustultraschall schließen, erklärt Farrokh. "Denn der Ultraschall erkennt auch in dichtem Drüsengewebe zuverlässig Karzinome." Studien zeigten, dass so etwa drei zusätzliche Karzinome in 1.000 Untersuchungen gefunden werden könnten, die sonst übersehen worden wären.
Ultraschall: KI könnte auffällige Befunde erkennen und für Mediziner vorsortieren
Generell gebe es beim Thema Ultraschall eine Ausbildungsproblematik, erläutert Mediziner Farrokh. Es brauche eine hohe Expertise. Und diese Lernkurve sei lang. Hier könnten KI-gestützte, automatische Screenings die Versorgung deutlich verbessern. "Wenn wir einen automatischen Brustultraschall-Scanner einsetzen, dann brauchen wir nicht Hunderttausende von Ärztinnen und Ärzten, die vor Ort den handgeführten Ultraschall machen", erläutert Farrokh. Die Bilder könnten dann auch von Assistenzpersonal gemacht werden. Ärztinnen und Ärzte könnten anschließend die Ergebnisse für ihre Befunde auswerten.
Das KI-System könne dazu die Bilder aussortieren, die unauffällig seien, erklärt der Mediziner. Denn die KI könne die auffälligen Bilder gut herausfiltern. So könnten sogar Fehler verhindert werden, indem das System die Medizinerinnen und Mediziner bereits auf Auffälligkeiten hinweise. "Man könnte sich vorstellen, wenn wir einige Millionen Untersuchungen hätten, wäre es doch toll, wenn die KI mit einem Algorithmus erkennen würde: Bei 500.000 Bildern braucht ihr gar nicht draufgucken. Da ist alles sicher gutartig", so Farrokh. Ein solches Assistenzsystem würde die Arbeitsbelastung deutlich reduzieren. Und die Studien hätten belegt, dass die KI eine größere Genauigkeit an den Tag legt, als Ärztinnen und Ärzte am Anfang ihrer Ausbildung.
Der Ausbildungs-Assistent
Die Ausbildung von medizinischem Personal sei ebenfalls ein Punkt, an dem die KI-Systeme helfen könnten. Denn Ultraschall sei Ausbildung. "Man muss ganz viele Bilder gesehen haben, um da richtig gut drin zu werden", erläutert Farrok. Da könne eine KI am Anfang zum Beispiel als Sicherheitsnetz fungieren. Wenn also ein junger Arzt ein Ultraschallbild auswerte, könne sie sagen: Schau da bitte noch einmal etwas genauer hin, da scheint doch etwas Auffälliges zu sein. Und andererseits könne eine KI tatsächlich als Trainingswerkzeug für junge Ärztinnen und Ärzte verwendet werden, indem sie deren Analysen als korrekt oder falsch bewertet.
Und dennoch: Die KI werde auch künftig immer nur ein Assistenzsystem sein. 70 Prozent der Menschen könnten sich zwar vorstellen, dass diese Systeme in der Medizin unterstützen, aber am Ende wollten die meisten doch immer noch von einem echten Menschen mit Empathie behandelt werden, bilanziert Farrokh.
KI-Ultraschall bald Standard?
Aber wann wird die KI-Technologie beim Ultraschall der neue Standard sein? Zunächst befinde man sich noch in der Studienphase, sagt Farrokh. Die Medizinerinnen und Mediziner hätten die Trainingsdaten geliefert und prüften nun, wie gut die KI funktioniere. Die Technologie würde gerade in die ersten Geräte implementiert und diese dann evaluiert. Aber die Entwicklung verlaufe rasant. Farrokh rechnet damit, dass KI-Ultraschall schon innerhalb der nächsten fünf Jahre immer üblicher werden könnte.
Link zur DEGUM
Das ganze Programm des Dreiländertreffens der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) und weitere Informationen finden Sie hier auf der Kongress-Website.
(kie)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09. September 2023 | 19:46 Uhr