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Internationale Forscher-InitiativeKlimaschutz, Artenvielfalt und soziale Gerechtigkeit – das kann nur zusammen funktionieren

10. Juni 2021, 18:05 Uhr

Was haben Klimaschutz, biologische Vielfalt und soziale Gerechtigkeit miteinander zu tun? Alle drei hängen untrennbar zusammen – das eine geht nicht ohne das andere. Das ist die zentrale Nachricht des ersten gemeinsamen Berichts von Weltklimarat und Weltbiodiversitätsrat. Diese Erkenntnis klingt recht offensichtlich, aber nur im ersten Moment.

von Kristin Kielon

Klimawandel ist nichts, das irgendwo stattfindet. Es geschieht hier und jetzt. Bildrechte: imago images / Lutz Winkler

Der Klimawandel und die biologische Vielfalt sind eng miteinander verwoben und beeinflussen sich gegenseitig. Und trotzdem werden sie wissenschaftlich und politisch oft getrennt diskutiert. Das kann dazu führen, dass etwas, was in Sachen Klima helfen soll, für die Umwelt problematisch sein kann. Das Aufforsten von Wäldern mit Monokulturen von Bäumen, die besser mit der Klimaerwärmung klarkommen und CO2 speichern sollen, sind ein Beispiel dafür, sagt der Mitautor des Reports Josef Settele vom Umweltforschungszentrum (UFZ) in Halle. Das sehen wir national etwa in der  Forstwirtschaft in den letzten Jahrzehnten, so Settele, „die war ja meistens monokulturell organisiert“.

Von Halle aus gucke ich gen Westen, gehe ich in den Harz, hab die ganzen entsprechenden Fichtenplantagen, die dann erst mal schon klimamäßig spannend waren, (…) die jetzt unter dem Klimawandel leiden und zugleich dann entsprechende Kalamitäten von Schädlingen wie Borkenkäfer verursachen.

Prof. Dr. Josef Settele, UFZ

Erneuerbar nur im Kreislauf sinnvoll

Wälder zu pflanzen allein reicht also nicht. Monokulturen sind immer ein Problem für die Artenvielfalt. Das zeige sich etwa auch beim Anbau von Energiepflanzen wie etwa bei Raps oder Soja. Besonders komplex wird das zum Beispiel beim Thema erneuerbare Energien, sagt Almut Arneth vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Hierfür werden Batterien gebraucht, um Energie zu speichern. Dafür baue man Rohstoffe ab, was wiederum Ökosysteme schädige. Deshalb müssten die Disziplinen immer gemeinsam Lösungen erarbeiten. Denn natürlich brauchen wir erneuerbare Energien, so Arneth.

Aber das Wichtige ist einfach, dass wir in diesen eher technischen Möglichkeiten ganz stark natürlich schauen müssen auf eine Kreislaufwirtschaft, auf Recycling, auf lang haltbare Produkte (…), die wirklich auch wieder Teil des gesamten Systems sein müssen, wenn man eben Klimaschutz und Artenschutz gemeinsam betrachtet.

Prof. Dr. Almut Arneth, KIT

Die Existenzen der Menschen sichern

Wissen, was wir lesenDie Triple-Krise: Artensterben, Klimawandel, Pandemien. Warum wir dringend handeln müssen.

Und dann gibt es da noch einen dritten Aspekt: Alles kann noch so gut aufeinander abgestimmt sein, wenn der Faktor Mensch nicht mitmacht, klappt gar nichts. Deshalb müssen auch Fragen der sozialen Gerechtigkeit immer mit in den Blick genommen werden, erläutert Klimaforscher Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut (AWI). Denn um Lebensräume zu erhalten, etwa wie die Tropenwälder, die auch wichtig als CO2-Speicher sind, muss man den Menschen, die dort leben die Möglichkeit geben, ihre Existenz zu sichern.

Und das bedeutet oft, dass man eben Armut bekämpfen muss und (…) auf diese Art und Weise eine existenzielle Grundlage für Gesellschaften schafft, die eben den Einzelnen davon abhalten, in die Ökosysteme zu gehen und das Ökosystem durch eigene Nutzung auch zu zerstören.

Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner, AWI

Umweltforscher Settele erklärt das an einem ganz praktischen Beispiel, dem Reisanbau. Denn der verursacht einen hohen Treibhausgasausstoß in Form von Methan. Schlecht für die Umwelt. Aber keinen Reis anzubauen ist aus vielen Gründe keine Alternative. Auch weil die Reisbauern eine andere Einkommensquelle suchen würden.

Dann habe ich nach einer Weile erst recht verloren, weil die Alternativen dann darin bestünden, zum Beispiel den Wald abzuholzen. Also ein lokales Beispiel in den Tropen in einem typischen Biodiversitäts-Hotspot auf den Philippinen, in diesem Fall.

Prof. Dr. Josef Settele, UFZ

Kommt in die Pötte!

Für den Report haben insgesamt 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Workshop diskutiert. Die Ergebnisse seien die klare Position der Wissenschaft. Und welche Erkenntnisse haben die Beteiligten aus der Diskussion mitgenommen? „Das eine“, so Almuth Arneth, „dass Klimaschutz nicht unbedingt Umweltschutz ist, aber sein sollte – und umgekehrt natürlich auch“. Und das zweite: „Wir können uns nicht leisten, noch länger zu warten. Es geht einfach nicht mehr. Und wir können handeln.“ Die Lösungen seien auf dem Tisch, so Arneth, und die müssten jetzt umgesetzt werden.

Und das ist auch wiederum eine Sache der Politik, dass sie da jetzt wirklich mal bitte in die Pötte kommt – und zwar schnell.

Prof. Dr. Almut Arneth, KIT

Link zum Bericht

Der IPBES-IPCC Workshop-Bericht zu Artenvielfalt, Ökosystemen und Klimawandel erscheint am 10. Juni 2021 und kann im englischen Original unter diesem Link heruntergeladen werden: 

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