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IPCC-Bericht zum KlimawandelWeltklimarat: Diese Forscher aus Mitteldeutschland gehören dazu

20. März 2023, 15:35 Uhr

Johannes Quaas ist Professor für Theoretische Meteorologie an der Uni Leipzig und Dr. Sönke Zaehle ist einer der Direktoren des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena. Beide haben am IPCC-Bericht mitgearbeitet. Jeder hat einen eigenen Schwerpunkt. Einig sind sie sich aber auf jeden Fall: Der Klimawandel ist dramatisch.

von Marcel Roth

Sönke Zaehle vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena (links) und Johannes Quaas, Professor für Theoretische Meteorologie an der Universität Leipzig Bildrechte: Anna Schroll MPI-BCI / Katharina Werneburg Uni Leipzig

Der eine schaut in die Luft, der andere auf den Boden und in die Ozeane: Prof. Johannes Quaas erforscht an der Uni Leipzig, wie sich Wolken und Aerosole auf das Klima auswirken – und Dr. Sönke Zaehle berechnet am Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, wie viel CO2 Ozeane und zum Beispiel Wälder aufnehmen können und wie sich das im Klimawandel verändert.

Die Arbeit der beiden Forscher ist typisch für die Klimaforschung, denn sie setzt sich aus vielen, hochkomplexen Spezialgebieten zusammen. Deshalb ist es beeindruckend, wie die Berichte des Weltklimarates zustande kommen: Hunderte Wissenschaftler auf der ganzen Welt sichten Ergebnisse aus allen Bereichen der Klimaforschung und fassen sie für den Bericht zusammen. Noch beeindruckender: Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen liegen dabei (bis auf ganz wenige Ausnahmen wie einen Rechenfehler bei den Himalaja-Gletschern) seit 30 Jahren nicht falsch, sagt Johannes Quaas, Professor für Theoretische Meteorologie von der Uni Leipzig.

Es sind aber wohl nicht genug Konsequenzen gezogen worden: "Eine Generation des Klimawissens ist nicht deutlich beachtet worden", sagt Quaas.

Man hat 30 Jahre lang nicht genug getan. Und es war damals schon klar, was kommen würde.

Prof. Johannes Quaas, Uni Leipzig

Die wichtigste Aussage des IPCC-Berichts, an dem Quaas und Zaehle als einzige Forscher aus Mitteldeutschland mitgearbeitet haben, ist für beide Wissenschaftler: Der Klimawandel ist nicht irgendwann, sondern jetzt und wir können ihn beeinflussen.

"Je länger man zögert, desto gravierender werden die Folgen", sagt Quaas. Das bedeutet aber auch, je mehr man gegen den Klimawandel unternimmt, desto milder würden auch die Folgen für uns und nachfolgenden Generationen werden. Nichts zu tun, sei absurd.

Wir müssen ohnehin etwas machen. Je eher und je stringenter, desto sicherer können wir in die Zukunft blicken.

Prof. Johannes Quaas, Uni Leipzig

Und der Blick in die Zukunft gelingt Klimaforschern immer besser. Sie wissen mehr oder weniger, wie weit das Klima im Moment aus dem Gleichgewicht ist. Und sie wissen: Die Erwärmung der Erdoberfläche wirkt sich auf die Erwärmung der Ozeane aus. "Und das zieht sich über viele Jahrzehnte bis letztlich Jahrhunderte hin", sagt Quaas.

Wie sicher die Vorhersagen der Klimaforscher sind – diese Frage beantwortet Johannes Quaas in diesem Audio:

Dabei sind die Ozeane eigentlich der Freund der Menschheit. Das steht im Fachgebiet von Sönke Zaehle vom Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena lange fest.

Die Natur als unser Freund

Ozeane, aber auch Wälder und andere Ökosystem an Land nehmen nämlich auch CO2 auf. Sie haben in den vergangenen 60 Jahren die Hälfte der menschverursachten CO2-Emissionen aufgenommen.

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Aber ihre Aufnahmefähigkeit sinkt rasant: "In unseren Simulationen sehen wir zwar, dass noch Kohlenstoff gespeichert werden kann. Aber wir sehen auch, dass die Aufnahmerate abnimmt mit der Zeit." Die Wissenschaft würde die Prozesse sehr gut verstehen, sagt Zaehle. Weil Ozeane und Land nicht mehr weiter so viel CO2 aufnehmen können, erwartet die Wissenschaft eine zusätzliche Zunahme von CO2 in der Atmosphäre.

"Die Natur hat uns in den vergangenen 60 Jahren geholfen. Aber wir können uns nicht darauf verlassen, dass das im gleichen Maß auch in den nächsten 60 Jahren passieren wird", sagt Zaehle.

Wird die Klimakrise also zum Notzustand auf Dauer? "Ich halte nichts von einem permanenten Notstand", sagt Zaehle.

Aber es ist mit Sicherheit so, dass uns die Zeit davon läuft.

Dr. Sönke Zahle, Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena

Und einige Komponenten des Erdsystems sind wohl träge: "Meeresspiegel, Eisbedeckung und Gletscher werden sich unabhängig von dem, was wir jetzt tun, über die nächsten Jahrhunderte verändern." Aber die oberflächennahe Temperatur sei relativ eng an die CO2-Konzentration in der Atmosphäre gekoppelt. Damit könne man zeigen, dass es möglich ist, den Klimawandel schnell zu begrenzen. "Wenn wir es tatsächlich schaffen, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu stabilisieren, dann haben wir ein Großteil für ein stabiles Klima getan", so Zahle. Dafür müsse die Menschheit pro Jahr fünf Prozent weniger CO2 ausstoßen.

Hitze, Dürre, Starkregen auch in Mitteldeutschland

Wie sich die Veränderungen im Klima auf Mitteldeutschland auswirken, das kann keiner der beiden Wissenschaftler detailliert sagen. Aber beide wissen: extreme Wetter werden zunehmen. Quaas: "In Deutschland sind wir insgesamt bei weitem nicht so stark betroffen wie viele andere Gebiete auf der Welt." An der Uni Leipzig würde der Klimawandel in der Arktis und in den Tropen untersucht. "Dort haben sich schon wesentlich dramatischere Änderungen abgespielt und wir erwarten noch weitere dramatische Änderungen."

Was für Sönke Zaehle, dem Klimaforscher aus Jena, die wichtigste Aussage im aktuellen Weltklimabericht ist und was seine größte Angst ist – diese Fragen beantwortet er in diesem Audio:

In Mitteldeutschland erwartet Quaas weiterhin schwierige Klimaverhältnisse: Hitzewellen, Starkregen und milde Winter. "Wir werden uns grundsätzlich davon verabschieden müssen, dass wir zugefrorene Seen und Schnee haben", sagt Quaas.

Auch Zaehle erwartet keine so katastrophalen Zustände wie derzeit in Griechenland. Aber Dürreereignisse wie 2018, die nachhaltig die Wälder schädigen, wird es auch in Mitteldeutschland geben. Genauso wie lokaler Starkregen und mögliche Überschwemmungen. "In diesen Bereichen müssen wir unsere Infrastruktur überprüfen und geeignete Maßnahmen treffen", so Zaehle.

Nur: Was heißt das jetzt für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen? CO2-Ausstoß runter, Anpassungsmaßnahmen rauf – das ist das globale Rezept gegen den Klimawandel. Und regional? Was heißt Klimaanpassung für Salzwedel? Was für Johanngeorgenstadt? Was für Erfurt oder Dresden? Dafür sei noch viel präzisere Forschung nötig, sagen die beiden Klimaforscher.

Mehr Forschung hilft

Und solche regionale Klimaforschung müsse aufgebaut werden. Aus den Mitteln für den Strukturwandel für den Braunkohleausstieg ließe sich das finanzieren, glauben beide und wünschen sich ein neues Forschungszentrum in Sachsen. Der Vorschlag sei bereits eingereicht worden. "So könnten Fragen der Anpassung und der präziseren Vorhersage, zum Beispiel auch für Energie- und Wasserwirtschaft, erforscht werden", sagt Johannes Quaas von der Uni Leipzig.

Johannes Quaas sagt auch, es müsse viel mehr darüber nachgedacht werden, wie CO2 aus der Atmosphäre wieder dauerhaft und verträglich entnommen werden kann. Einige Ideen hören Sie in diesem Audio:

Und nun? Wählen!

So einig sich Quaas und Zaehle in der Wissenschaft sind, so zurückhaltend sind sie in ihrer öffentlichen Empfehlung für die Politik.

Quaas: "Ganz klar liegt der Schwarze Peter bei der Politik." Bundesregierung und Europäische Union hätten deutlich früher deutlich stringenter CO2-Bepreisung einführen müssen. Deswegen sei auch klar, was jeder und jede Einzelne machen könne: "Das mit Abstand Wichtigste, was wir tun können, ist, das Thema bei der Wahlentscheidung zu berücksichtigen."

Zaehle formuliert zurückhaltender: "Es ist nicht Aufgabe des IPCC, den Politikern zu sagen, was sie zu tun haben." Der Weltklimarat müsse Informationen liefern, mit denen die Politik Maßnahmen umsetzen könne.

Politik wird von Menschen für Menschen gemacht. Solange die Bevölkerung keinen Klimaschutz einfordert, werden die Parteien das auch nicht tun.

Dr. Sönke Zahle, Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena

Die Emissionen müssen in einer Größenordnung zurückgehen, die durch individuelle Einschränkungen nicht zu erreichen sind, sagt Zaehle. Deswegen seien Staaten und die internationale Gemeinschaft gefragt.

Sönke Zaehle ist einer von drei Direktoren des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena Bildrechte: Anna Schroll / MPI-BGC

Der Leipziger Klimaforscher Johannes Quaas hat sogar den Eindruck, dass Bürgerinnen und Bürger wesentlich weiter sind als die Politik. "Aber die Politik hat so lange notwendige Maßnahmen gegen den Klimawandel verschlafen, dass ich große Bedenken habe, dass die jetzigen Ankündigungen umgesetzt werden. Und ich denke, dass wir Bürgerinnen und Bürger Klimaschutz durchsetzen müssen."

Dem Jenaer Forscher Sönke Zaehle bereitet Sorge, dass der Klimawandel die bestehenden Konflikte in ärmeren Ländern verschärft. Das könne globale Konsequenzen haben. Wenn das Wasser in Mitteldeutschland knapp würde, die Menschen ihre Pools nicht mehr voll bekämen – solche Probleme seien lösbar, sagt Zaehle. "Aber wenn in anderen Weltregionen staatliche Strukturen zusammenbrechen, ist das das wesentlich größere Problem."

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