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Das MDR Klima-Update | Freitag, 13. August 2021Der Weltklimarat liefert den Realitäts-Check

19. August 2021, 09:57 Uhr

Das MDR Klima-Update: Diese Woche war geprägt vom Bericht des Weltklimarats IPCC. Der menschengemachte Klimawandel erwärmt die Erde mehr denn je. Die Folgen spüren Landwirte etwa in Sachsen-Anhalt schon jetzt. Aber der Bericht ist auch ein Dokument, das Hoffnung macht.

von Kristin Kielon

Bildrechte: MDR / Imago

Liebe Abonnentinnen und Abonnenten,

ich hoffe, Sie haben den ersten Schreck dieser Woche einigermaßen verdaut. Es steht nämlich noch schlechter ums Klima, als bisher angenommen, bilanzierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) am Montag Die Erde erwärmt sich nämlich schneller als erwartet, manche Folgen sind bereits jetzt auf Tausende Jahre unumkehrbar - zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels. Der Bericht ist ein Realitätscheck haben die Forschenden zur Veröffentlichung gesagt, denn er zeigt so valide wie nie zuvor, wie schlimm es tatsächlich um das Klima steht. 

Der aktuelle Report ist der Bericht der ersten Arbeitsgruppe und beschäftigt sich mit den physikalischen Grundlagen des Klimawandels - und er enthält auch die Prognosen für die Zukunft. Fünf unterschiedliche Szenarien von sehr wenig Emissionen ab sofort bis hin zu weiterhin sehr hohen Emissionen werden da durchgespielt. Das Ergebnis kann genauso gut motivieren wie auch frustrieren: Bleibt alles, wie es ist, könnte die weltweite 1,5-Grad-Grenze schon Anfang der 2030er-Jahre überschritten sein - senken wir dagegen unsere Emissionen sehr schnell sehr drastisch, sieht das schon anders aus. Die gute Nachricht ist also: Jetzt ist die letzte Chance, das Schlimmste zu verhindern. 

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Klimaforscher: Es gibt keinen "Point of no return"

Wahrscheinlich haben Sie diese Woche schon einiges über den neuen Sachstandsbericht des Weltklimarats gehört, gelesen oder gesehen. Wir haben deshalb einen der Leitautorinnen und -autoren um eine Einschätzung gebeten. Prof. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie war Leitautor für das Kapitel "Künftiges globales Klima: Szenario-basierte Projektionen und kurzfristige Informationen". Er fasst die Kernbotschaften des Berichts so zusammen:

  1. Der derzeitige Klimawandel wurde eindeutig vom Menschen verursacht.
  2. Wenn der Ausstoß von CO2 nicht rasch und dauerhaft gesenkt wird, werden die Pariser Klimaziele verfehlt.
  3. Selbst bei raschem Herunterfahren des CO2-Ausstoßes könnte die Marke von 1,5 Grad Celsius des Pariser Abkommens im Lauf der nächsten zwanzig Jahre überschritten werden, wenn auch nicht zwangsläufig.
  4. Der Anstieg des Meeresspiegels etwa durch das Abschmelzen der großen Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis wird auf Jahrtausende unumkehrbar sein.
Bildrechte: IPPC/MDR

Klimaforscher Marotzke geht es aber auch um eine Botschaft der Hoffnung. Denn die Aussage "Jedes halbe Grad globale Erwärmung verursacht klar unterscheidbare Zunahmen an Hitzewellen, Starkniederschlägen und Dürren" liefere ja auch einen hoffnungsvollen Hinweis darauf, dass es keinen "Point of no return" gebe. 

Zwar steigen Klimarisiken mit dem Grad der Erwärmung, es gibt aber keinen abrupten Übergang vom "sicheren" zum "gefährlichen" Klimawandel.

Prof. Dr. Jochem Marotzke

Wenn die Erwärmung eine bestimmte Marke erreicht, so der Klimaforscher, sei das eben nicht wie eine Klippe, hinter der nur noch der freie Fall komme. Richtig sei, dass die Risiken mit fortschreitender Erwärmung zwar immer weiter zunehmen, aber nicht so, dass es egal wäre, wie die Menschheit handelt. Marotzkes Botschaft lautet also: Es ist immer möglich, etwas für den Klimaschutz zu tun und es wird immer einen positiven Effekt haben. Wir sind der Krise nicht schutzlos ausgesetzt - auch nicht ab dem Überschreiten der Pariser Klimaziele. Und dieses "Es ist nie zu spät" ist wirklich eine sehr wichtige Erkenntnis, finde ich. 

Diese Forscher aus der Region waren am IPCC-Bericht beteiligt

Am neuen Bericht des Weltklimarats haben insgesamt 243 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 66 Ländern mitgearbeitet - drei Jahre lang von Sommer 2018 bis Juli dieses Jahres. Das klingt nicht nur nach viel Arbeit, sondern irgendwie auch ziemlich abstrakt. Insgesamt waren auch sieben Fachleute aus Deutschland dabei. Zwei davon hätten auch Ihre Nachbarn sein können - also zumindest, falls Sie in der Region Jena oder Leipzig wohnen. Das klingt dann vielleicht schon nicht mehr so abstrakt. 

Prof. Johannes Quaas ist Professor für Theoretische Meteorologie an der Universität Leipzig. Er erforscht, wie sich Wolken und Aerosole auf das Klima auswirken. Dafür sind er und sein Team häufig in der Arktis unterwegs, denn in der Nordpol-Region verändert sich das Klima noch wesentlich rasanter als in unseren Breitengeraden. 

Dr. Sönke Zaehle interessiert sich dagegen eher für das, was am Boden passiert. Er ist nämlich Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Er erforscht unter anderem wie viel CO2 Ozeane und Wälder aufnehmen können und wie sich das auf die Klimaerwärmung auswirkt.

Wir haben die beiden mitteldeutschen Klimaforscher natürlich auch zum Weltklimarat-Bericht befragt. Und das waren ihre Antworten: 

Was ist die wichtigste Aussage im IPCC-Bericht aus dieser Woche?

Johannes Quaas: Dass wir jetzt genau nachvollziehen können, dass die beobachtete Erwärmung sich durch die menschengemachten Änderungen im Klimawandel exakt erklären lässt.

Sönke Zaehle: Er zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen zukünftigen Emissionen und zukünftigem Klimawandel auf. Und er legt deutlich nahe, dass nur durch schnelle, umfassende und nachhaltige Reduktion von CO2 Emissionen der Klimawandel noch auf 1,5 oder zwei Grad begrenzt werden kann.

Was macht Ihnen in der Klimakrise Angst?

Johannes Quaas: Ich bin eigentlich grundsätzlich optimistisch. Aber die Politik hat so lange notwendige Maßnahmen gegen den Klimawandel verschlafen, dass ich große Bedenken habe, dass die jetzigen Ankündigungen umgesetzt werden. Und ich denke, dass wir Bürgerinnen und Bürger Klimaschutz durchsetzen müssen.

Sönke Zaehle: Sorge bereitet mir, dass der Klimawandel gerade in ärmeren Ländern bestehende Konflikte verschärft und dadurch möglicherweise zu Unruhen oder Wanderungsbewegungen führt, die dann wiederum globale Konsequenzen haben.

Übrigens: Prof. Johannes Quaas kann nicht nur in Fachkreisen und der Politik die Sache mit dem Klima erklären, sondern auch Schülerinnen und Schülern. Gemeinsam mit seinem Bruder, Prof. Martin Quaas, hat er das während der Schulschließungen im Lockdown nämlich in unserer MDR Wissen Lernvideo-Reihe #Gernelernen gemacht:

Zwischen Dürre und Starkregen: Die Klimakrise ist jetzt

Die Klimakrise ist schon heute keine entfernte Bedrohung mehr. Sie macht sich schon in unserem Alltag bemerkbar. Ein Beispiel dafür ist Starkregen - ganz abgesehen von so extremen Wetterereignissen wie in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass es, wenn es denn von oben nass wird, gleich richtig intensiv regnet? Ein Grund dafür ist die wärmere Luft: Denn je wärmer sie wird, desto mehr Wasser können die Wolken aufnehmen. Und wenn man das weiß, ist es auch ziemlich plausibel, dass es, wenn es regnet, gleich viel stärker runterkommt, als man das so in Erinnerung von früher hat. Nur für den Fall, dass Sie sich fragen, ob Ihre Erinnerung Sie da getäuscht hat.

Doch auf der anderen Seite hat der verregnete Sommer bisher noch nicht einmal ein Extrem der vergangen Jahre beenden können: die Dürre. Das zeigt sich besonders deutlich in Sachsen-Anhalt. Der Landstrich im Norden des Landkreises Jerichower Land hat nämlich ein besonderes Mikroklima, das hier für besonders niedrige Grundwasserstände sorgt. Die Landwirte haben es hier also besonders schwer und die Bedingungen werden immer schlechter. Das Wasser für die Felder wird knapp. Längst müssen die Bauern Tiefbrunnen einsetzen, aber dafür sind teure und langwierige Anträge notwendig, eine Garantie auf Erfolg gibt es nicht. Und: Es kann immer sein, dass die Brunnen in harten Zeiten gar nicht genutzt werden dürfen. Eine Region also, in der deutlich wird: Der Klimawandel ist jetzt.

Der heißeste Tag Europas und die Feuersbrunst

Hitze-Rekord in Europa geknackt?

Nach wie vor haben hohe Temperaturen den Mittelmeerraum fest im Griff. Die Hitzewelle ist wohl sogar rekordverdächtig: Bei Syrakus auf Sizilien in Süditalien ist das Thermometer auf 48,8 Grad geklettert, berichtet die Tagesschau. 

Wenn der italienische Wetterdienst diesen Wert der lokalen Behörden bestätigt, ist das nicht nur ein neuer Hitzerekord für Italien, sondern für ganz Europa - allerdings auch einer, auf den viele Menschen womöglich lieber verzichtet hätten. Der bisherige europäische Rekord von 48 Grad wurde 1977 in Griechenland gemessen.

Wird Mittelmeer-Urlaub künftig unerträglich?

Nicht nur Italien, sondern auch Spanien, Griechenland und die Türkei ächzen derzeit unter den extrem hohen Temperaturen. Und solche Hitzewellen werden laut Experten künftig noch häufiger vorkommen. Können wir also künftig überhaupt noch im Sommer in Südeuropa Urlaub machen? Also für mich wäre das bei Temperaturen jenseits der 40 Grad-Marke nämlich nichts mehr. Die Region und der Tourismus müssen sich verändern, schreiben Maren Beddies und Christian Dittmar.

Und auch die Prognosen des Weltklimarats-Berichts für die gebeutelte Mittelmeer-Region sehen nicht besonders rosig aus. So schreibt der Spiegel, dass die Menschen sich dort in Zukunft auf stärkere Hitzewellen, Trockenheit und mehr Feuer einstellen müssen. Zusätzlich kämen aber auch noch der Verlust der biologischen Vielfalt an Land und im Meer, Risiken im Zusammenhang mit Dürren, Waldbränden, Veränderungen des Wasserkreislaufs, gefährdete Nahrungsmittelproduktion, Gesundheitsrisiken in städtischen und ländlichen Siedlungen durch Hitze sowie veränderte Krankheitsüberträger hinzu.

Auf der griechischen Insel Euböa loderten heftige Waldbrände. Bildrechte: IMAGO / NurPhoto

Brennen noch immer die Wälder?

 Die Waldbrand-Situation ist weltweit noch immer akut. Wo es überall brennt, ist unter anderem auf der Feuerkarte der US-Raumfahrtbehörde NASA zu sehen. 

In der Türkei und in Griechenland entspannt sich die Waldbrand-Situation langsam. Auf der Insel Euböa und der Halbinsel Peloponnes haben Regenfälle in der Nacht zu Donnerstag einige Feuer gelöscht. Hier war vor allem die Dürre ein großes Problem. In der Westtürkei ist es den Einsatzkräften indes gelungen, das Großfeuer einzudämmen und unter Kontrolle zu bringen. Allerdings brennt es nun in Nordafrika: In Algerien haben verheerende Waldbrände zahlreiche Todesopfer gefordert. 

Und dann brennt es noch in einer Region von der man es nicht sofort erwarten würde, denn dort ist es klischeemäßig eigentlich eher kalt: Sibirien. Betroffen ist aber auch die russische Region Mordwinien, südöstlich von Moskau. Dort steht das russische Kernforschungszentrum. Die Behörden verhängten vorsorglich den Ausnahmezustand. Besonders heftig wütet das Feuer aber im Osten Sibiriens. Nach Behördenangaben standen landesweit rund 3,5 Millionen Hektar in Flammen – das entspricht der Fläche von Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammengenommen. Hier lesen Sie mehr zu den Bränden in Russland.

Zum Schluss

Auch wenn die Botschaften dieser Woche geprägt durch den IPCC-Bericht ziemlich drastisch sind und wir uns dem Ernst der Situation, in der wir uns als Menschheit befinden, bewusst sein müssen, sollte doch zum Schluss die hoffnungsvolle Botschaft von Klimaforscher Prof. Marotzke als Wochenfazit stehen bleiben: Es ist nie zu spät, etwas für den Klimaschutz zu tun!

Nächste Woche informiert Sie an dieser Stelle wieder meine Kollegin Julia Heundorf von MDR SACHSEN-ANHALT über die wichtigsten Neuigkeiten in Sachen Klima.

Wir freuen uns auch über Ihr Feedback: Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu Themen rund um die Klimaerwärmung an klima@mdr.de. Sie können uns auch gern Themen für dieses Update vorschlagen: Worüber wollen Sie mehr wissen? Fragen Sie ruhig!

Bis bald!

Mit besten Grüßen

Kristin Kielon

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