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MDR KLIMA-UPDATE | 6. Januar 2023Rückblick auf ein Jahr voller erwartbarer (trauriger) RekordeAusgabe #70 vom Freitag, 6. Januar 2023

06. Januar 2023, 11:00 Uhr

Statt Schnee zu Weihnachten gab es Frühlingstemperaturen zu Silvester. Das Jahr 2022 endet mit mehreren Hitzerekorden. Lange dürfte es die aber nicht halten, denn der Klimawandel hat gerade erst begonnen.

Liebe Freundinnen und Freunde des Weltklimas,

dass sich das alte Jahre mit einem Temperaturrekord verabschiedet hat, wird Sie nicht erstaunen. Wie warm es dann tatsächlich war, vielleicht schon. Ganze 19,4 Grad wurden an Silvester in Dresden gemessen. T-Shirt-Wetter zum Jahreswechsel, wer hätte das erwartet nach dem kalten Beginn des Dezembers?

Allerdings sagt die Klimaforschung schon seit langem voraus, dass ein Anstieg der durchschnittlichen Lufttemperatur nicht nur größere Wärme sondern vor allem extremere Temperatursprünge bedeutet. Wie das aussehen kann, hat sich über Weihnachten in den USA gezeigt. 

Der Schneesturm Elliot ließ dort mancherorts die Temperaturen binnen weniger Stunden um mehr als 20 Grad fallen, gepaart mit gewaltigen Schneemengen. In der Hauptstadt Washington fiel das Thermometer in der Nacht zu Heiligabend auf -12 Grad. Das ist mittlerweile schon wieder Geschichte. Am vergangenen Dienstag war es dort mit 21 Grad wieder frühlingshaft warm.

Wir können also festhalten, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels nun entfalten in unseren Breiten. Welche traurigen Rekorde das Jahr 2022 noch zu bieten hatte, dazu gleich mehr. Zunächst aber eine positive Nachricht:


Zahl der Woche:

32,5%

...der im einfallenden Licht enthaltenden Energie kann die neue Tandemsolarzelle von Forschenden des Helmholtz Zentrums Berlin in Strom umwandeln. Damit erreichte sie einen neuen Weltrekord beim Wirkungsgrad in der Photovoltaik, den auch ein unabhängiges Institut für Zertifizierung bestätigt hat. Im Gegensatz zu klassischen Solarzellen enthalten Tandemzellen nicht nur eine Schicht Silizium, die die eher langwelligen Teile des Lichts, also den nahen Infrarotbereich in Elektrizität wandeln kann. Sondern eine weitere, aus Perowskit bestehende Schicht, nutzt auch das kurzwellige, blaue Licht aus. Theoretisch sind auch noch weitere Schichten denkbar, um das Lichtspektrum weiter auszunutzen. Freiburger Forscher haben mit einer Vierfachzelle unter Laborbedingungen sogar schon 47,6 Prozent Wirkungsgrad erreicht.

Solche mehrschichtigen Zellen sind noch aus einem anderen Grund interessant: Mit ihnen kann Licht direkt zur Herstellung von Wasserstoff verwendet werden.

2022: Wieder mal das wärmste Jahr der Wetterhistorie

2022 war wieder einmal das wärmste Jahr der Wetteraufzeichnungen. 10,52 Grad Celsius betrug die Jahresdurchschnittstemperatur laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD). An solche Rekorde haben sich Meteorologen inzwischen gewohnt. Die nächstwärmsten Jahre sind 2018, 2020, 2019 und 2014.

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Neun von zwölf Monaten überdurchschnittlich warm

Im vergangenen Jahr traf es vor allem den Südwesten Deutschlands. Mit 11,52 Grad war es am wärmsten im Saarland, gefolgt von 11,18 Grad in Rheinland-Pfalz. Auch Sachsen-Anhalt lag mit 10,84 Grad über dem deutschen Durchschnitt. Nur in Sachsen (10,17 Grad Celsius) und Thüringen (9,97 Grad Celsius) war es geringfügig kühler. 

Dazu passt, dass neun von zwölf Monaten deutlich wärmer waren als im langjährigen Mittel von 1991 bis 2020. Neben den T-Shirt-Temperaturen zu Silvester war es auch im Oktober ungewöhnlich warm und auch der vergangene Februar wartete schon mit Frühlingstemperaturen auf, als eigentlich noch Winter sein sollte. Nur April und September fielen kühler als gewöhnlich aus.

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Erneuerbare Energien stagnieren

Der absolute mitteldeutsche Temperaturrekord stellte sich im Dorf Pabstdorf bei Huy nahe Halberstadt in Sachsen-Anhalt ein: 40 Grad wurden dort am 20. Juli gemessen. Die Tiefsttemperatur von -23,1 Grad, die am 18. Dezember in Stiege am Brocken gemessen wurde, beeinflusst den Temperaturdurchschnitt dagegen kaum.

Und leider muss man sagen, ist das nach Ansicht der meisten Klimaforscher weiterhin nur der Anfang. Mindestens bis 2030 wird der Anstieg weitergehen, selbst wenn es gelingt, deutlich mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen.

Auch was die Energiewende angeht, brachte 2022 leider zu wenig positive Nachrichten. Zwar erleben Photovoltaik-Anlagen einen neuen Boom. Trotzdem bleibt die Windkraft die wichtigste Quelle für grünen Strom. Und deren Ausbau kommt nicht voran, weil die politischen Bedingungen nicht stimmen. Nur weil 2022 ein relativ windreiches Jahr war, ist der Anteil des Windstroms gewachsen.

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Windräder weichen Braunkohle

Klimaaktivisten waren besonders entsetzt, als der Energiekonzern RWE im Oktober mitteilte, dass im Rheinland acht Windräder abgebaut werden, um dem Abbau der Braunkohle im Tagebau Garzweiler Platz zu machen. Zwar versprach der Konzern, an anderem Ort ersatzweise neue Windanlagen aufzubauen. Trotzdem ist der Vorgang von hoher Symbolkraft: Der Kohle wird immer noch Vorfahrt vor den Erneuerbaren eingeräumt.

Ein weiteres Problem betrifft das Fehlen geeigneter Großspeicher für Strom. Die hätte Deutschland gebraucht, um zwischen Mitte November und Anfang Dezember auf den Einsatz von Kohle und Gas zu verzichten. Denn zu dieser Zeit waren die Tage kurz und der Himmel zudem noch meistens bewölkt. Außerdem wehte kaum ein Lüftchen, es war "Dunkelflaute" und zudem noch winterlich kalt. Die in der Statistik in diesen Wochen nach oben schnellende Stromerzeugung mit fossilen Energien zeigt, wie groß die Lücke ist, die geschlossen werden muss, wenn eine klimaneutrale Wirtschaft Wirklichkeit werden soll.

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🗓 Klima-Termine

Wochenende 6. bis 8. Januar - überall

Der Nabu lädt mit der Stunde der Wintervögel wieder zur, wie er sagt, „bundesweit größten wissenschaftlichen Mitmachaktion“. Unter anderem per App sollen eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park gezählt und gemeldet werden. Alle Infos

Dienstag, 10. Januar – Lützerath

Ab dem 10. Januar könnte nach derzeitigen Plänen das Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier geräumt werden. Der Ort am Westrand des Tagebaus Garzweiler liegt etwa 30 Kilometer entfernt von Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt Düsseldorf und soll abgebaggert werden, um weiterhin Kohle für das Kraftwerk Neurath abbauen zu können. Aktivisten protestieren seit Wochen gegen die Räumung.

Mittwoch, 11. Januar – Dresden

"Mieses Klima, Wetter prima!" - neues Kabarettprogramm von Jörg Lehmann und Thomas Schuch. Ein satirischer Wetterbericht über schwindende Winter und Viel-zu-Früh-linge sowie heiße Sommer mit bewölkten Gemütern. Beginn ist um 20 Uhr im Dresdner Friedrichstatt Palast. Infos und Karten hier. 

Sonntag, 15. Januar - überall

Im Rahmen des Lagois-Fotowettbewerbs 2023 zum Thema "Klimagerecht leben" lobt der evangelische Presseverband Bayern ein Stipendium über 1000 Euro für ein Fotoprojekt aus. Professionelle- und Nachwuchsfotografen können sich mit einem kurzen PDF-Dokument bewerben, das das geplante Projekt vorstellen soll, einen Lebenslauf und Kontaktdaten sowie fünf bis zehn Fotografien als Arbeitsproben enthalten sollte. Weitere Informationen hier. 


📰 Klimaforschung und Menschheit

Gebirgsgletscher: Jedes Zehntelgrad weniger Erwärmung zählt

Ein Team von Forschenden hat deutlich detaillierter als zuvor berechnet, wie sich die Klimaerwärmung auf die Gebirgsgletscher der Welt auswirken wird. Dazu analysierte das Team um David Rounce von der University of Alaska in Fairbanks Daten von mehr als 215.000 Gebirgsgletschern weltweit und modellierte, wie sich diese unter den verschiedenen Erwärmungsszenarien verändern. Ergebnis: Selbst bei den optimistischen Szenarien, bei denen etwa die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels gelingt, werden die Gletscher wohl deutlich mehr Eis verlieren, als der Weltklimarat IPCC in seinen bisherigen Berichten angenommen hat. In diesem Fall könnte bis 2100 mehr als die Hälfte aller Gletscher geschmolzen sein. "Jeder Temperaturanstieg hat erhebliche Auswirkungen auf den Beitrag der Gletscher zum Anstieg des Meeresspiegels, den Verlust von Gletschern auf der ganzen Welt und Veränderungen in der Hydrologie, Ökologie und bei Naturgefahren", so die Autoren um Rounce.

Nur mit Sonnenlicht: Künstliches Blatt gewinnt Wasserstoff aus Wasserdampf in der Luft

Forscher der Schweizer Universität EPFL stellen ein neues künstliches Blatt vor. Die auf Halbleiter basierende Technik kann mithilfe spezieller Elektroden Wasser aus der Luft auffangen und durch Solarenergie in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Besonders daran ist vor allem die Nutzung des in der Luft enthaltenen Wasserdampfs zur Gewinnung von Wasserstoff. Die Methode stellen Kevin Sivula und Kollegen im Fachmagazin Adanced Materials vor. In Mitteldeutschland forscht unter anderem die TU Ilmenau an ähnlichen Verfahren.

Klimaerwärmung fördert Wachstum borealer Wälder

Kanadische Forscher haben auf Basis von Messdaten die Auswirkungen des Klimawandels auf boreale Wälder im nördlichen Kanada untersucht. Demnach dürfte die Erwärmung zu einem verstärkten Wachstum vieler Bäume führen, besonders dort, wo die Bedingungen bislang vor allem nass und kühl waren. Laut der Einschätzung könnte das Wachstum demnach um bis zu 22,7 Prozent zunehmen. Grundlage dieser Einschätzung sind Proben von 20.089 Waldparzellen, die in den Jahren 1958 bis 2018 genommen worden waren und in denen die Durchschnittstemperaturen insgesamt über einen Bereich von 16,5 Grad Celsius schwankten. Die Forscher vermuten, die günstigeren Wachstumsbedingungen für die borealen Wälder könnten einige negative Auswirkungen wie Dürren oder Walbrände auf Holzproduktion oder die CO2-Bindung etwas kompensieren.

Verlangsamte Zirkulation im Indischen Ozean macht Dürren in Ostafrika wahrscheinlicher

Durch den Klimawandel verlangsamt sich die Zirkulation der Wassermassen in den Weltmeeren, also auch dem Indischen Ozean. Ein Forscherteam, an dem auch deutsche Wissenschaftler beteiligt waren, berichtet jetzt im Fachmagazin Science Advances über die erwarteten Auswirkungen der Veränderung. Demnach könnten Westwinde in der Region stärker werden und feuchte Luft verstärkt in Richtung Indonesien treiben, wo dann flutartiger Regen wahrscheinlicher wird. Zugleich wird die Luft über Ostafrika wohl trockener, wodurch Dürren häufiger auftreten können.


📻 Klima in MDR und ARD

👋 Zum Schluss

Wie das alte Jahr mit dem wärmsten Silvester aller Zeiten endete, so begann das neue natürlich auch mit dem wärmsten bisher gemessenen Neujahr. Wie sich das Klima in diesem Jahr weiter verändern und was die Menschheit dagegen unternimmt, erfahren Sie auch künftig in unserem MDR Klima-Update. 

Herzlichst
Clemens Haug

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Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.