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MDR KLIMA-UPDATE | 01. Juli 2022Frühgeburten, Schlaganfälle und Dengue-Fieber

01. Juli 2022, 11:26 Uhr

Wenn es heißer wird, steigen auch die Risiken für gesundheitliche Schäden. Wir zeigen, welche Auswirkungen Hitze und Überschwemmungen auf den menschlichen Körper haben.

von Max Schörm

Einen schönen guten Tag!

Der Klimawandel bringt Hitzewellen, Überschwemmungen, Trockenheit und Stürme – und zwar in immer kürzeren Abständen und in Regionen, die in der Vergangenheit wenig Probleme mit Naturkatastrophen hatten.

Doch diese Extremwetter-Erscheinungen haben nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf den Planeten und das Leben auf ihm: auch die Folgen solcher Katastrophen müssen beachtet werden. Denn der Klimawandel hat auch ganz handfeste, individuelle Auswirkungen auf die Gesundheit. Es wird die größte medizinische Herausforderung des Jahrhunderts, sagen Mediziner. Davon gleich mehr, zunächst kommt die ...

[#] Zahl der Woche

1,81 Milliarden

Das ist doch mal eine hohe Zahl! 1,81 Milliarden oder ausgeschrieben: 1.810.000.000. So viele Menschen werden laut einer in der Nature Communications veröffentlichten Studie zukünftig von sogenannten Jahrhundertfluten ausgesetzt sein.

Während ein erhöhtes Hochwasserrisiko in vielen Teilen der Welt bereits Realität ist, haben Klimamodelle gezeigt, dass die Häufigkeit von Überschwemmungen in Afrika, Asien und Lateinamerika erheblich zunehmen könnte. Das stellt letztlich auch ein Risiko für die sozioökonomische Entwicklung dar. Die Studie zeigt, dass 89 Prozent der hochwassergefährdeten Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen leben. Laut den Autoren werden über 780 Millionen Menschen, die mit weniger als 5,50 US-Dollar pro Tag leben müssen, einem großen Hochwasserrisiko ausgesetzt sein. Das hebt den Zusammenhang zwischen Hochwasserrisiko und Armut hervor.

Macht der Klimawandel uns krank?

Der Klimawandel sorgt nicht nur unmittelbar für Probleme, etwa durch kleinere Ernten wegen Dürren oder durch Stürme zerstörte Wälder. Auch dem menschlichen Körper macht er zu schaffen.

"Der Klimawandel macht uns derzeit nicht direkt krank, aber er führt dazu, dass sich bestehende Erkrankungen verschlechtern und sich das Risiko für gesundheitliche Schäden erhöht", sagt Prof. Matthias Knüpfer vom Universitätsklinikum Leipzig (UKL).

Gerade alte Menschen leiden - und sterben, wenn sie sich nicht auf die Hitze einstellen. Die Hitzesommer 2018 und 2019 könnten nach Berechnungen einer gemeinsamen Studie des Robert Koch-Instituts (RKI), des Umweltbundesamts (UBA) und des Deutschem Wetterdiensts (DWD) zu 8.700 und 6.900 zusätzlichen Todesfällen geführt haben.

Während Hitzewellen steige auch das Risiko für eine Frühgeburt, sagt Knüpfers Kollegin, Kinderärztin Dr. Friederike Jonas. Die Gefahr, dass das Kind mit einem niedrigeren Geburtsgewicht auf die Welt kommt, steige sogar um ein Drittel. Auch die Zahl von Totgeburten steigt laut Jonas um 14 Prozent.

Das sind Entwicklungen, die uns ganz klar Sorge bereiten.

Dr. Friederike Jonas, Kinderärztin

Hitzestress als Gesundheitsrisiko, davor warnt auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die WHO rechnet aufgrund der Klimaentwicklung ab 2030 mit 250.000 Hitzetoten pro Jahr. Dazu kommt nach das steigende Risiko für Schlaganfälle. Denn Hitzestress wirkt sich auf das Herz aus, so Dr. Florian Rakers vom Uniklinikum Jena. "Das fängt an, arrhythmisch zu schlagen. Es bilden sich Blutgerinnsel und die können dann einen Schlaganfall auslösen."

Laut der WHO sind vor allem Menschen in Städten gefährdet.

Leider sei Deutschland auf die steigenden Temperaturen nicht gut vorbereitet, sagt die Klimawissenschaftlerin Claudia Kemfert. In Ihrem MDR-Podcast fordert sie einen nationalen Hitze-Aktionsplan, wie es ihn bereits in einigen Städten gibt. Darin enthalten sollen Vorgaben für Grünflächen, Trinkwasserspender, gekühlte Räume im öffentlichen Raum oder Beschattung sein.

Die Forschung zeigt, wie gefährlich vor allem die Hitze für den menschlichen Körper ist. Doch auch Regen und Überflutungen wirken sich nicht nur unmittelbar, sondern auch dauerhaft negativ auf die Gesundheit aus. Sie können zum einen enorme Auswirkungen auf mentale und physische Gesundheit haben. Überflutungen können aber auch das Trinkwasser mit Bakterien verschmutzen, in deren Folge sich wiederum Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber ausbreiten können.

Mit Hitze und Trockenheit gehen Waldbrände einher. Wenn Sie die vergangene Ausgabe unseres Newsletters aufmerksam gelesen haben, dann wissen Sie bereits: Forscher aus Leipzig haben gerade gezeigt, dass es offenbar einen Zusammenhang zwischen Rauchpartikeln in der Atmosphäre und der Verringerung der Ozonschicht gibt, was wiederum das Risiko von Hautkrebs erhöhen kann. Haben Sie die Ausgabe verpasst, kein Problem: Hier werden Sie fündig.

Je heißer, desto höher sind also die Risiken. Das bestätigt auch eine Studie: Unter der Leitung der University of East Anglia (UEA) haben Forscher berechnet, wie sehr sich die Risiken von Wasserknappheit, Krankheiten oder Überschwemmungen verändern, wenn sich die Erde um 1,5 Grad Celsius, 2 Grad oder sogar 3,66 Grad erwärmt.

Das Ergebnis enthält aber auch eine positive Botschaft: Sollten wir es schaffen, das 1,5-Grad-Ziel zu halten, dann minimieren wir die Klimarisiken deutlich und zwar für 85 Prozent, also die große Mehrheit aller Menschen.

🗓 Klimatermine

Klima-Termine

Freitag, 1. Juli, Halle

Kann die Klimawende noch gelingen – und wenn ja, was braucht es dafür? Darüber diskutieren Forschende mit Bürgerinnen und Bürgern ab 21 Uhr in einer Unterhausdebatte bei der Leopoldina-Nacht der Nationalen Akademie der Wissenschaften in Halle. Jeder kann sich zu Wort zu melden und seine Fragen und Positionen einbringen. Wer mit einer Perspektive nicht einverstanden ist, kann dies durch einen Sitzplatzwechsel signalisieren. Die Veranstaltung ist Teil der Langen Nacht der Wissenschaften in Halle.

Freitag, 1. Juli, Chemnitz

Der Verein zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien läd zum Besuch eines energieautarken Wasserstoff-Hauses bei Chemnitz ein. Das Haus ist das einzige seiner Art in Sachsen und nutzt Wasserstofftechnik zur Energie- und Wärmegewinnung.

Samstag, 2. Juli, Erfurt

Der Klima-Pavillion bietet zum Petersbergfest viele Aktionen zu den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Foodsharing, Urban-Gardening und ein Repair-Café sollen Besuchern zeigen, wie Energiewende und Nachhaltigkeit im Alltag funktionieren können.

Montag, 4. Juli, Leipzig

Der Arbeitskreis Klima und Energie des Forums Nachhaltiges Leipzig lädt zu einer Infoveranstaltung über Steckersolarzellen. Lohnen sich diese für den eigenen Balkon? Was muss bei der Installation beachtet werden? Fördert die Stadt Leipzig eine Anschaffung? All diese Fragen sollen ab 19 Uhr im Haus der Demokratie beantwortet werden.

Mittwoch, 6. Juli, Chemnitz

Das Bildungsprojekte "Sachsen im Klimawandel" will mit allen Interessierten diskutieren, welche Einflüsse der Mensch auf die Natur, die Umwelt und das Klima hat und wie man diese Einflüsse begrenzen kann.

📰 Klimaforschung und Menschheit

Was ist uns der ÖPNV wert?

Das 9-Euro-Ticket ist ein riesiges Real-Experiment im bundesweiten ÖPNV. Mehr Bahn – weniger Auto bedeutet auch weniger Schadstoffe in der Luft. Doch im August läuft dieses Experiment aus. Und was kommt danach? Ein 29-Euro Ticket, wie es dem Bundesverband der Verbraucherzentralen vorschwebt, oder ein 365-Euro Ticket, das der Fahrgastverband Pro Bahn gerne hätte?

Dr. Jan Christian Schlüter, Mobilitätsforscher der TU Dresden hat gemeinsam mit der Uni Göttingen Bürgerinnen und Bürger befragt, was sie bereit sind, für den ÖPNV zu bezahlen. "In den vorläufigen Daten ist ersichtlich, dass der Peak zwischen 39 und 69 Euro ist. Bei der maximalen Zahlungsbereitschaft liegt er zwischen 69 und 79 Euro." 79 Euro pro Monat, das ist nicht gerade wenig. Die Menschen sind also durchaus gewillt, für den ÖPNV Geld in die Hand zu nehmen. Noch interessanter wird es, wenn man den Zahlungswillen der Bevölkerung nach Postleitzahlen aufschlüsselt, sagt Schlüter. Hier zeichnet sich nämlich ab, dass Menschen aus mittel- bis dünn besiedelten Gebieten mehr für den ÖPNV zahlen würden als Menschen aus dem urbanen Raum. Der Peak liegt hier bei mehr als der Hälfte der Befragten zwischen 50 und 150 Euro. Und das, obwohl gerade der ländliche Raum im Moment am wenigsten von den Ticket-Modellen profitiert.

12 Punkte für den schnellen Ausbau von Photovoltaik und Windenergie

Schon bald sollen erneuerbare Energien einen Großteil der deutschen Energieversorgung übernehmen – Photovoltaik und Windenergie werden zu den wichtigen Säulen der Stromversorgung. Die Bundesregierung hat sich im Frühjahr das Ziel gesetzt, den Ausbau von Photovoltaik und Windenergie zu beschleunigen. Doch die Hürden für den benötigten Ausbau der Erneuerbaren sind vielfältig. Das Akademienprojekt ESYS ("Energiesysteme der Zukunft") – eine gemeinsame Initiative der Wissenschaftsakademien acatech, Leopoldina und Akademienunion – legt nun in der Stellungnahme "Wie kann der Ausbau von Photovoltaik und Windenergie beschleunigt werden?" Handlungsoptionen für einen raschen Ausbau vor. So befürworten die Wissenschaftler etwa ein gesetzlich verankertes Flächenziel für Windenergie. So könne sichergestellt werden, dass ausreichend Flächen ausgewiesen werden. Denkbar sei außerdem eine Verpflichtung zum Ausbau auf geeigneten Dächern.

Afrikanische Wildhunde: Wenn die Klimanapassung zur Falle wird

Laut einer Studie der Universität von Washington hat der Klimawandel bei afrikanischen Wildhunden die Geburt verzögert und den Fortpflanzungserfolg verringert. Briana Abrahms und seine Kolleginnen und Kollegen analysierten die Auswirkungen des Klimawandels auf den Fortpflanzungszeitpunkt und -erfolg afrikanischer Wildhunde (Lycaon pictus). Sie fanden heraus, dass sich die Geburtsdaten afrikanischer Wildhunde über 30 Jahre im Durchschnitt um 22 Tage nach hinten verschoben haben, um sich dem veränderten Klima anzupassen.

Allerdings sind auch die Tageshöchsttemperaturen während der ersten drei Monate nach der Geburt damit höher. Die Folgen sind eine größere Sterblichkeit beim Nachwuchs als in den Jahrzehnten zuvor. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Reaktion afrikanischer Wildhunde auf den Klimawandel eine Fehlanpassung sein könnte. Die Studie zeigt, dass größere Raubtiere mitnichten weniger sensibel sind in Bezug auf Klimaveränderungen als Pflanzen oder Insekten.

📻 Klima im MDR

👋 Zum Schluss

Umweltkatastrophen und Fehlgeburten – leider liest sich diese Ausgabe unseres Updates wie das Script zu einem Katastrophenfilm. Das tut mir leid, doch wir dürfen die Augen vor den Konsequenzen des Klimawandels nicht verschließen. Ich hoffe für uns, dass in der nächsten Ausgabe deutlich mehr positive Nachrichten zu vermelden sind und verabschiede mich.

Haben Sie ein schönes Wochenende!
Max Schörm