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MDR KLIMA-UPDATE | 18. Februar 2022Winterwind um nichts? 💨🧐 Nicht beim IPCC!

18. Februar 2022, 11:00 Uhr

Während das stürmische Lüftchen dieser Tage mal ausnahmsweise kein Klimaextrem ist, steht schon der nächste Sturm an: Ende des Monats ergänzt der Weltklimarat seinen Sachstandsbericht. – Außerdem: Klimawandel, Gesellschaftswandel und wie das zusammenhängt.

von Florian Zinner, MDR

Liebe Lesende,

ich ziere mich grad ein bisschen, den großen Zeh und das vordere Ende der Nasenspitze vor die Tür zu stecken. Mit Verlaub, es wirkt ungemütlich, dieses himmlische Kind. 🌬 Nicht ein Orkänchen, nicht zwei Winterstürme, sondern gleich eine turbulente Dreierkette zieht in diesen Tagen über die Republik und die übliche Frage liegt auf der Hand: Klimawandel?

Nein. Sagt zumindest der DWD. Warum, das hat meine Kollegin Kristin Kielon hier erfragt. Und so gehört zu einer ausgewogenen Klimaberichterstattung – Marcel Roth hat das ja vergangene Woche mit Ihnen durchgekaut – auch eine ehrliche Entwarnung, sofern es die Gegebenheiten zulassen. Ein Verschnaufpäuschen sozusagen. Deshalb, ohne Ihnen die Laune verderben zu wollen, am besten gleich zurück zum Eingemachten:

Mitteldeutschland: Maximum-Erhöhung beim Weiter-wie-bisher-Szenario Bildrechte: MDR/Florian Zinner

Warum quäle ich sie an dieser Stelle mit den bitteren Klimaaussichten für Mitteldeutschland, im schlimmsten aller Fälle und wenn wir weitermachen wie bisher? Sehen Sie es als Einstimmung auf das, was möglicherweise Ende Februar kommt. Dann veröffentlicht der Weltklimarat IPCC den zweiten Teil seines 6. Sachstandsbericht. Das ist nicht irgendwas. Sondern state of the art der Klimaforschung und keine alltägliche Veröffentlichung.

Ich muss Ihnen das aber nicht erzählen, weil es meine Kollegin Johanna Daher bereits notiert hat. Darin sammelt sie auch die Expertise ein, was von dem Papier am 28. Februar zu erwarten ist. Zum Beispiel, dass der Bericht schonungsloser denn je zeigen wird, wie sich unsere Welt bereits verändert hat und verändern wird. Und auch kleinteiliger denn je – moderne Klimamodelle machen's möglich. Womit wir wieder bei Mitteldeutschland wären, denn so recht glauben können wir's vielleicht erst, wenn in unseren Landen die Subtropen anklopfen. 🚪🌵

Nicht falsch verstehen: Die Damen und Herren vom Weltklimarat erzählen uns nicht, was wir zu tun haben, sondern nur, wie die Lage ist. Das Handeln überlassen sie uns – der Politik, der Wirtschaft und jeder und jedem einzelnen. Mhm … kann es denn vielleicht sein, dass es zwischen Klima und Gesellschaft messbare politische und soziale Zusammenhänge gibt? Okay, erwischt, rhetorische Frage.

🗳🥵 Was das Klima mit der Gesellschaft macht – und umgekehrt

Klimawandel und -krise beeinflussen zum Beispiel das Wahlverhalten. Gut, mag wie eine Binse klingen. Aber sie wissen ja, wie das mit der Wissenschaft so ist: Nur, weil in den vergangenen Jahren grüne Parteien bei den Bundestags- und Landtagswahlen ordentlich zugelegt haben und gleichzeitig das Klima stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist, muss da längst kein kausaler Zusammenhang bestehen. Tut es aber. Das legen zumindest Forschende im Fachblatt Nature Climate Change nahe:

  • Der Studie liegen hoch aufgelöste europäische Umfrage- und Wahldaten zugrunde, die das Klimabewusstsein und den Stimmenanteil für grüne Parteien der letzten zwei Jahrzehnte abbilden
  • In 34 Ländern hat sich das Interesse an Umweltfragen und in 24 Ländern der Stimmenanteil grüner Parteien erheblich erhöht
  • Auslöser dafür seien z.B. Temperaturanomalien, Hitzeepisoden und Trockenperioden Interessanterweise ist der Effekt in Regionen mit einem gemäßigten atlantischen oder kühlen kontinentalen Klima ausgeprägter als in Gebieten mit einem wärmeren mediterranen Klima
  • Außerdem stellten die Forschenden fest: Unterstützung für den Klimaschutz auf Grund von Extremwetterereignissen gibt es dort, wo auch das Einkommen höher ist

☝️ Warum das wichtig ist:
Bestimmte Richtlinien und Maßnahmen sorgen (wahrscheinlich) für ein bestimmtes Abmildern des globalen Temperaturanstiegs und das Ausbleiben solcher Maßnahmen führt in eine Katastrophe. Das ist zwar ein mitunter lösungsorientierter Ansatz, aber spannend ist ebenfalls die Frage, was überhaupt erst zu den Maßnahmen führt.

  • Forschende legen im Fachblatt Nature nahe, wie wichtig es ist, die Wechselwirkung zwischen Klima und Gesellschaft zu berücksichtigen
  • Diese sind sehr komplex und bestehen aus einem Zusammenspiel zwischen sozialen, politischen, wirtschaftlichen und technischen Systemen
  • Zu diesem Schluss kommt das Forschungsteam nach der Analyse von 100.000 möglichen Wegen, die Politik und Emissionen nehmen könnten
  • Die Forschenden zeigen auch, dass verschiedene Faktoren einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung von Treibhausgasemissionen haben – also Stellschrauben, die es im Blick zu haben lohnt, z.B. die Wahrnehmung des Klimawandels durch die Öffentlichkeit, die Kosten und Wirksamkeit von Technologien zur Emissionsverminderung und die Reaktionsfähigkeit politischer Institutionen

🤔 Klingt vielleicht etwas verkopft, aber sehen Sie es einfach so: Wenn wir wissen, welche gesellschaftspolitischen Faktoren ein Abmildern des Klimawandels auf welche Weise beeinflussen, können wir ihm viel besser entgegenwirken. Dazu zählt eben nicht nur das Wahlverhalten, sondern auch, was ein politisches System dann daraus macht. Oder wie sich unser Wahlverhalten auch in unserem tatsächlichen Alltagsverhalten widerspiegelt.


Wie unterschiedlich politische Bestrebungen im Sinne des Klimaschutzes sein können, hat bereits das noch junge Jahr gezeigt. Für die EU-Kommission ist Atomkraft fortan grüne Energie (wir erinnern uns). Trotz Zweifel in Fachkreisen ist das ganz im Sinne von Staaten wie Frankreich, Länder wie Deutschland und Österreich sehen das anders. Ein paar US-Forschende stellen sich jetzt auf die Pro-AKW-Seite:

Dem Forschungsteam zufolge kann Kernkraft einen wichtigen Beitrag leisten, die CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf null zu senken. Zur Einordnung ist zu sagen: Hier ist die Rede von einer Generation Reaktoren, die so noch gar nicht existieren. Denn selbst die neuesten Reaktoren am Markt eigenen sich nicht für eine Energiewende. Und natürlich: Wie der radioaktive Müll entsorgt werden soll, ohne Bürde und übles Mühsal späterer Generation zu werden, weiß auch noch niemand.

Ob man der Kernkraft ihre Sinnhaftigkeit nun abspricht oder nicht – für alle Seiten ist klar, dass die Zukunft nicht fossil-energetisch sein wird. Gilt auch in der Mobilität. Gerade Elektroautos hatten in der Vergangenheit aber für Zwietracht gesorgt, weil ihre klimapositive Wirkung fraglich erschien. Neueste Daten sehen die Batteriewagen aber klar im Vorteil:


📰 Was sonst noch so los war

  • 💸 Luftverschmutzung geht so langsam ins Geld der Unternehmen, die sie verursachen – eine Tonne CO2-Ausstoß kostet jetzt an der in Leipzig ansässigen Europäischen Energiebörse EEX erstmals hundert Euro. Anfang 2021 waren es noch gut dreißig Euro. Mehr hat die tageszeitung bei Instagram.
  • 🚂 Schienenverkehr sollte, wenn möglich, elektrisch abgehalten werden. Aber in Deutschland gibt es nach wie vor Lücken, die den Einsatz von Dieselfahrzeugen notwendig machen. Die Deutsche Bahn möchte bis 2040 allerdings Diesel als Brennstoff abschaffen und stattdessen auf Biokraftstoffe setzen. Eine Zusammenfassung gibt's bei BR24.
  • 🏛 Die bisherige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan ist als Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik ins Auswärtige Amt berufen worden. Die US-Amerikanerin begleitet damit ein neues Amt, das als eine Art Klima-Chefdiplomatin für Deutschland zu verstehen ist. Infos bei der tagesschau.


👋 Zum Schluss

So, im Grunde haben Sie es geschafft für diese Woche. Außer, es interessiert sie noch, was man aus Touristen-Pipi so machen kann. Dünger. Und Bier. Und dann wieder … was halt nach dem Bierdurst so kommt. Die schwedische Insel Gotland macht den Urin-Kreislauf vor und könnte damit bis zu 47 Prozent Treibhausgase sparen. Den Link finden Sie unten.

Bleiben Sie standfest, auch im Winterwinde. Und passen Sie auf sich und die Welt auf.

Herzlich
Florian Zinner


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