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Das MDR Klima-Update | Freitag, 10. September 2021Wie kann klimaneutrale Mobilität aussehen?

10. September 2021, 12:48 Uhr

Eine neue Studie zeigt: Wenn wir die Erhitzung des Weltklimas auf 1,5 Grad begrenzen wollen, sollten wir die Öl und Kohlereserven im Boden da lassen, wo sie sind. Helfen könnte dabei, wenn wir so oft es geht vom Auto auf das Fahrrad umsteigen. Welche Hindernisse stehen dabei aus Ihrer Sicht im Weg? Schreiben Sie uns! Außerdem: Ihre Antworten auf die Frage, ob Sie klimaneutrales Wirtschaftswachstum für möglich halten.

von Clemens Haug, MDR

Demonstranten bei der Leipziger Radnacht 2015. Bildrechte: Imago/MDR Wissen

Liebe Abonnentinnen und Abonnenten,

die Pandemie hat mir ganz klar gezeigt, dass ich auf viele Wege verzichten kann. In Flugzeuge bin ich schon vorher nicht gern gestiegen. Aber mir ist klar, dass Ihre Situation vielleicht ganz anders ist als meine, je nachdem wo Sie leben, zur Schule gehen oder arbeiten. Ob Sie wie ich in einer Stadt wohnen oder auf dem Land, ob Ihre Region eher flach oder hügelig ist, entscheidet darüber, wie gut Sie auf motorisierte Fahrzeuge verzichten können. Wie ist das bei Ihnen? Schreiben Sie uns gerne.

Vorweg noch zwei Hinweise, weil in zwei Wochen Bundestagswahl ist: Nicht nur Klimawissenschaftler appelieren immer wieder an Regierungen, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Jetzt reihen sich auch Mediziner ein: 220 medizinische Fachmagazine fordern gerade, endlich gegen die Erdüberhitzung aktiv zu werden. Anlass ist die im November stattfindende Weltklimakonferenz. Zu diesem Treffen wird eine neue deutsche Bundesregierung ihre Vertreter entsenden.

Das bedeutet für Sie eine direkte Möglichkeit, zu handeln: Sie können in zwei Wochen die Klimapolitik wählen, die Sie im November auf der Klimakonferenz vertreten sehen wollen. Unsere Kollegen vom WDR haben Spitzenpolitiker aus dem Bundestag zu Ihren Positionen in der Klimapolitik befragt. Nur die AfD wollte sich nicht zu diesem Thema äußern.

Ihnen gefällt dieses Update? Empfehlen Sie es gern weiter. Wenn Sie in Zukunft das Klima-Update bequem und regelmäßig in Ihrem Mailpostfach erhalten wollen, können Sie sich kostenlos hier dafür anmelden.

In Leipzig startet am Freitag das Stadtradeln

Kennen Sie eigentlich das "Stadtradeln"? Bei dem Wettbewerb messen sich Städte und Gemeinden in Deutschland daran, wessen Einwohnerschaft innerhalb von 20 Tagen die meisten Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegt.

Ich bin schon seit ein paar Jahren dabei und hab mich deshalb schon auf den heutigen Freitag gefreut, denn heute startet Leipzig in den diesjährigen Wettbewerb. Ich habe mich dieses Mal mit meinen Nachbarinnen und Nachbarn zu einem Team zusammengeschlossen und bin guter Dinge: Bei uns im Haus besitzt jeder Bewohner im Schnitt 1,5 Fahrräder, aber nur 0,25 Autos. Gute Voraussetzungen also, dass wir viele Kilometer mit unseren Rädern schaffen. (Für mich nach eineinhalb Jahren Homeoffice außerdem ein super Antrieb, mich wieder mehr durch die Stadt zu bewegen!).

Wenn Sie zufällig auch in Leipzig wohnen und so gegen 19 Uhr noch nichts vorhaben, kommen Sie doch auch zur Leipziger Radnacht. Gemeinsam fahren wir um den Ring und probieren einmal aus, wie es wäre, wenn die Straßen nur für Fahrräder da wären. Denn das ist tatsächlich die Idee hinter dem Wettbewerb, der vom Netzwerk "Klima-Bündnis" erfunden wurde: Möglichst viele Menschen sollen dazu bewegt werden, das Auto stehen zu lassen und stattdessen das Rad zu benutzen.

An dieser Stelle interessiert mich sehr, wie das in Ihrem Alltag aussieht? Benutzen sie oft Ihr Fahrrad oder sind Sie auf Ihre Auto dringend angewiesen? Gibt es Fahrten, die Sie nicht ohne Auto erledigen können oder wollen? Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse beim Fahrradfahren? Oder haben Sie bereits Erfahrungen mit E-Bikes oder Lastenfahrrädern gemacht und können uns berichten, ob sie dadurch Autofahrten vermeiden konnten? Schreiben Sie uns!

Übrigens: Am Stadtradeln beteiligen sich auch kleine Städte, etwa Mühlhausen in Thüringen. Weil beim Wettbewerb die durchschnittlich gefahrenen Kilometer pro Teilnehmer zählen, können sogar kleine Dörfer mit großen Kommunen mithalten.

Bunte Bänder mit politischen Forderungen

Vielleicht haben Sie in den letzten Tagen Radfahrende mit vielen bunten Bändern gesehen. Wenn ja, dann gehören die vermutlich zur Aktion „Klimabänder“. Die Aktion hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Klima-Wünsche und Forderungen der Bürger und Bürgerinnen an die Politik einzusammeln und diese mit dem Fahrrad nach Berlin zu fahren. Zwischendurch gab es jede Menge Zwischenstopps, z.B. in Jena, Leipzig und Wittenberg. Morgen werden die Bänder in einer großen Klimabänder-Fahrraddemo zum Festival der Zukunft in Berlin geradelt. Hier können Sie sich anhören, wer hinter der Aktion steckt:

Wie weiter mit der Automobilität?

Ihre Antworten zur Wachstumsfrage

Eng mit dem Verkehr verbunden ist die Wirtschaft. Und da hatte meine Kollegin Julia Heundorf im vergangenen Update nach Ihrer Meinung gefragt. Sie wollte wissen, ob Sie denken, dass ein ökologisch verträgliches Wachstum unserer Wirtschaft möglich ist – oder ob ein konsequenter Schutz des Klimas notwendigerweise auch Verzicht bedeutet.

Ihre Antworten haben mich tatsächlich erstaunt, liebe Leserinnen und Leser, denn jede Ihrer Mails bot eine andere, spannende und stichhaltige Perspektive auf diese Frage.

So glaubt etwa Matthias Vollmer nicht, dass eine grüne Wirtschaft möglich ist, die die natürlichen Ressourcen erhält, wenn sie immer weiter wachsen muss. Er verweist auf oft beobachtete Rebound-Effekte. Beispiel Straßenbeleuchtung: Überall auf der Welt werden immer häufiger energiesparende LED-Leuchtmittel eingesetzt. Doch der Energieverbrauch sinkt nicht. Zwar benötigen die einzelnen Lampen weniger Strom, dafür werden aber immer mehr von ihnen eingesetzt, um immer größere Flächen zu beleuchten. Vollmer schließt daraus:

Alle Bestrebungen der Politik, die CO2-Emissionen zu senken, werden das Gegenteil bewirken. Die CO2-Emissionen werden weiter steigen und steigen, solange wir am Modell des Wirtschaftswachstums festhalten.

Matthias Vollmer

Etwas optimistischer ist eine Leserin, die nicht namentlich genannt werden will. Sie glaubt, dass die größte Verantwortung für eine Veränderung bei der herstellenden Industrie liegt. Diese müsse länger haltbare Produkte anbieten und dürfe für nachhaltig und regional produzierte Waren auch einen höheren Preis verlangen. Ihre Forderung:

Keine Billigprodukte mehr!

Jörg Schwulst von den Parents for Future in Leipzig argumentiert in eine ähnliche Richtung. Er fordert:

Alle Produkte müssen einen Preis haben, der ihrem Einfluss auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen entspricht.

Jörg Schwulst

Sprich: Wachstum, das sich nicht kümmert um Klimaemissionen, Naturzerstörung und Flächenverbrauch, soll es künftig nicht mehr geben. Die finanziellen Preise für die Vernichtung unwiederbringlicher Ressourcen müssen schmerzhaft hoch werden. Allerdings müsse die Regierung zugleich dafür sorgen, dass Menschen mit wenig Einkommen nicht vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden, weil sie sich nichts mehr leisten können. Es müsse also soziale Ausgleichsmechanismen geben.

Maike von Apen wiederum findet, der Begriff Wachstum müsse künftig anders verstanden werden.

Genauso wie es inneres Wachstum in unserem Fühlen und Denken gibt, sollte ein Wachstum in Qualität, Haltbarkeit und Sparsamkeit im Umgang mit Ressourcen für unsere Wirtschaft propagiert werden. Kreislaufwirtschaft bietet dazu einen Ansatz.

Maike von Apen

Und zu guter Letzt weist und Jürgen Heder aus Taucha auf einen Rohstoff hin, der genau wie unsere Natur nur in begrenzter Menge und Qualität vorhanden ist, oftmals aber übersehen wird: Unsere Lebenszeit.

Der verfügbare Tag hat 24 Stunden. Davon geht man etwa 7 Stunden einer wertschaffenden Tätigkeit nach, der Weg zur Tätigkeitsstelle dauert etwa 2 Stunden. Dann brauchen wir 8 Stunden körperliche Regeneration, auch Schlaf genannt. Jetzt haben wir noch 7 Stunden Zeit am Tag übrig. Davon werden weitere 3 für die Energiezufuhr – auch essen genannt – abgezogen. Verbleiben etwa 4 Stunden für den Konsum dessen, was in der wertschaffenden Tätigkeitszeit geschaffen worden ist. Wenn die Effizienz steigt, steigt der Output zwangsläufig. Doch WER soll diesen benötigen und dafür "werthaltiges Tauschäquivalent" hergeben?

Jürgen Heder

Lebensmittel und Klimawandel

Hier nochmal der Hinweis auf unser Datenprojekt, das wir gemeinsam mit dem Studiengang Master of Science and Journalism der Uni Leipzig gestartet haben: Auch die Produktion von Lebensmitteln ist bislang nicht klimaneutral. Umso wichtiger ist, dass wir sie möglichst nicht verschwenden. Aber wahrscheinlich geht es Ihnen manchmal wie mir: So sehr ich auch darauf achte, nicht zuviel einzukaufen - ab und an kommen Tage und Mahlzeiten dann doch anders, als geplant und Lebensmittel werden schlecht.

Deswegen habe ich mich selbst bei der Resteretter-App angemeldet. Dort wollen meine Kolleginnen und Kollegen systematisch sammeln, welche Lebensmittel eigentlich aus welchem Grund weggeworfen werden. Dadurch könnten wir lernen, wo wir etwas verändern müssen, um weniger Lebensmittel in die Tonne zu werden.  

Zum Schluss

möchte ich Sie noch auf eine ganz neue Studie hinweisen, die am Mittwochabend erschienen ist. Der Modellierer Dan Welsby und seine Kollegen kommen darin zu dem Schluss, dass wir mindestens 60 Prozent der verbliebenen Reserven an Öl und Gas sowie 90 Prozent der Kohle bis 2050 im Boden lassen müssen, um auch nur eine fifty-fifty Chance darauf zu erhalten, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Das entspricht übrigens dem Niveau, das wir in Deutschland bereits erreicht haben.

Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal vor der Wahl stehen: Auto oder Fahrrad.

Wir freuen uns, wenn Sie uns Ihre Meinung sowie Fragen und Anmerkungen per Mail schreiben und melden uns nächste Woche mit dem nächsten Klima-Update. 

Schöne Grüße,
Ihr Clemens Haug

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 02. September 2021 | 09:20 Uhr

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