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Bildrechte: André Künzelmann / UFZ

Wasserressourcen bedrohtKlimakrise: Gewässerökologen schlagen Alarm

15. September 2020, 14:43 Uhr

Wasser ist eine der wichtigsten Ressourcen der Welt: Ohne Wasser kann kein Leben existieren. Doch die weltweiten Wasserressourcen "sind derzeit der größten Bedrohung in der Geschichte der Menschheit ausgesetzt", schreiben Gewässerökologen in einem Statement-Papier. Die gemeinsame Erklärung haben 110 Fachgesellschaften aquatischer Ökosystemforschung unterzeichnet. Sie fordern Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zum sofortigen Handeln auf.

Was ist, wenn uns das Trinkwasser ausgeht? Das klingt undenkbar, ist aber eine von zahlreichen realen Gefahren, die Gewässerökologen aus aller Welt im Zusammenhang mit der Klimakrise auf uns zurollen sehen. Das Wasser ist nicht nur für den Menschen, sondern für alle Organismen überlebenswichtig. Doch durch den Klimawandel geraten die Gewässer aus dem ökologischen Gleichgewicht.

Der Klimawandel ist da - und hinterlässt deutliche, teils unumkehrbare Spuren in aquatischen Ökosystemen. Die Auswirkungen des Klimawandels haben wir Gewässerökologen durch unsere Arbeit jeden Tag vor Augen. Und der Austausch mit Kollegen aus aller Welt zeigt: Die Probleme reichen rund um den Globus - und sie sind massiv.

Prof. Markus Weitere, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Limnologie e. V. (DGL) und Leiter des Departments Fließgewässerökologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

Wie massiv die Probleme sind, zeigen die Gewässerökologen in ihrem Statement-Papier auf: Sie haben die Effekte des Klimawandels auf Gewässerökosysteme zusammengetragen und mit Studien belegt. Insgesamt haben es 110 Fachgesellschaften mit mehr als 80.000 Mitgliedern weltweit unterzeichnet.

Die Erklärung der Gewässerökologinnen und -ökologen im Wortlaut

Erklärung von mehr als 100 Fachgesellschaften für Wasserforschung weltweit zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasser-Ökosysteme:

Englische Originalversion

Deutsche Übersetzung

Trockenperioden sorgen für Wassermangel

Welche Auswirkungen die Klimaveränderung auf das Wasservorkommen hat, war hierzulande in den vergangenen Dürre-Sommern schon gut zu beobachten.

UFZ-Professor Weitere zufolge dürften sich diese extremen Trockenperioden noch weiter verschärfen - mit gravierenden Folgen: "So führen etwa Fließgewässer weniger Wasser, Uferbereiche und Auenlandschaften fallen trocken. Das alles wirkt sich negativ auf das Gewässerökosystem aus." Und das wird auch für den Menschen zum Problem. Denn wenn der Grundwasserspiegel sinkt, könnten Weitere zufolge die Trinkwasserreservoirs nicht mehr ausreichend aufgefüllt werden.

Süßwasser-Ökosysteme gehören zu den am stärksten bedrohten Ökosystemen auf der Erde.

Zitat Statement-Papier

Ein weiteres Problem: Die Qualität des Wassers leidet. Die hohen Temperaturen veränderten den Gewässerökologen zufolge die Wasserführung und begünstigten die sogenannte Eutrophierung. Dabei bilden sich vermehrt Algen im Wasser - und etwa auch die giftigen Blaualgen. "Wird diese Algenbiomasse begünstigt durch hohe Temperaturen abgebaut, kommt es zu Sauerstoffzehrungen", erklärt Weitere. "Das schädigt die Organismen und kann massenhaftes Fischsterben verursachen, wie in den Dürrejahren 2018 und 2019 zu beobachten war."

Verlust von Biodiversität droht

Doch die Fachgesellschaften weisen auf noch mehr Probleme hin, die der Klimawandel mit sich bringt. Tauen nämlich die Permafrostböden auf, werden die darin gebundenen Schadstoffe freigesetzt und in die Gewässer abgegeben. Das bedeute den Verlust von Biodiversität in den Ökosystemen, erläutert UFZ-Forscher Weitere. Zusätzlich könnten neue Arten einwandern und verdrängten die angestammte Flora und Fauna zusätzlich.

Außerdem werde sich die Wasserqualität zunehmend verschlechtern - auch in den Ozeanen, warnen die Gewässerökologen. Bereits jetzt seien Veränderungen in der "Zusammensetzung der Arten und ihrer Häufigkeit sichtbar". Das habe natürlich auch Folgen für die Fischerei - und damit die Ernährungssicherheit der Menschen. Auch die wirtschaftlichen Folgen der Klimakrise dürften nicht unterschätzt werden, mahnt Weitere.

Sofortiges Handeln notwendig

Auch das Weltwirtschaftsforum unterstreicht die Dringlichkeit des Problems. Das zählt in seiner globalen Risiko-Analyse nämlich das Versagen im Kampf gegen den Klimawandel, den Verlust der Biodiversität und die Wasserkrise zu drei der Top 5-Risiken des kommenden Jahrzehnts. Die Fachgesellschaften schlagen im Fall der Gewässer jedenfalls Alarm: Es müsse sofort gehandelt werden, um die Auswirkungen des Klimawandels so gut wie eben noch möglich abzufangen.

Regierungen, die Öffentlichkeit, die Industrie, die Wissenschaft und alle anderen Bereiche der Gesellschaft müssen Prioritäten setzen und konzertiert handeln, um den vom Menschen verursachten Klimawandel aufzuhalten und schlimme Folgen zu verhindern.

Zitat Statement-Papier

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben auch Vorschläge, was getan werden müsste, um den Klimwandel abzubremsen: Zu allererst müsste demnach die Emission von Treibhausgasen konsequent und drastisch reduziert werden. Zusätzlich müssten natürliche Prozesse gefördert werden, die Kohlenstoff binden. So müssten zum Beispiel Feuchtgebiete als natürliche Kohlenstoffsenken erhalten und geschützt werden.

Einige Effekte unumkehrbar

Doch um die Gewässer komplett zu retten, dürfte es wohl schon zu spät sein. "Einige Folgen des Klimawandels werden allerdings unumkehrbar sein", sagt Weitere. Deshalb müssten regional auf die jeweilige Situation passende Maßnahmen ergriffen werden. Doch dazu brauche es auch regionale Forschung im Bereich der Gewässerökologie, um zum Beispiel die Qualität der Gewässer zu überwachen.

Der Klimawandel ist Auslöser und Beschleuniger. Wir können noch etwas bewirken - dafür müssen wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse ernstnehmen und beherzt und entschieden handeln.

Prof. Markus Weitere, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Limnologie e. V. (DGL) und Leiter des Departments Fließgewässerökologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)

(kie)

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