Schwitzende Frau auf einer Parkbank
Die Zahl der jährlichen Hitzewellen in Deutschland wird sich wahrscheinlich deutlich erhöhen. Damit einhergehen werden nicht nur mehr Hitzetote, sondern auch Krankheitserreger, die bislang in Deutschland nicht vorkamen. Bildrechte: Imago/PantherMedia / Antonio Guillem Fernandez

RKI-Bericht Klimawandel: Mehr Hitze und Infektionskrankheiten in Deutschland?

03. Juni 2023, 15:24 Uhr

Hitzetote, neue Infektionskrankheiten, erhöhte Allergiebelastung: Das sind laut Robert Koch-Institut (RKI) in den kommenden Jahrzehnten mögliche Folgen des Klimawandels in Deutschland.

"Wir stehen vor einer wirklich großen Herausforderung, auch für unser Gesundheitssystem", sagt Elke Hertig. Sie ist Mitautorin des vom Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichten Sachstandsberichtes zu gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland. In diesem Bericht wird ein düsteres Bild der Zukunft gezeichnet, in dem wir mehr Hitzetote, eine Zunahme von Infektionskrankheiten und eine erhöhte Allergiebelastung erwarten müssen. Die globale Erwärmung könnte auch zu mehr Antibiotikaresistenzen, Lungenerkrankungen als Folge steigender Feinstaubbelastung und Hautkrebs durch erhöhte UV-Strahlung führen.

Hertig, Inhaberin der Professur Regionaler Klimawandel und Gesundheit an der Universität Augsburg, mahnt dabei eine interdisziplinäre Zusammenarbeit an: "Die wissenschaftliche Evidenz ist klar, und wir müssen jetzt ins Handeln kommen. Das wird nur gehen, wenn wir sektorübergreifend zusammenarbeiten."

Mehr Hitzewellen

Der Bericht geht davon aus, dass Hitzewellen künftig ein zunehmendes Gesundheitsrisiko darstellen werden. Besonders gefährdet seien ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Laut RKI-Angaben verursachten Hitzewellen allein im vergangenen Jahr etwa 4.500 Todesfälle in Deutschland. Derzeit gebe es in Deutschland jährlich zwei bis drei Hitzewellen. Je nach Fortschreiten der Erderwärmung könnte es zum Ende des Jahrhunderts bis zu vier oder sogar sechs Hitzewellen pro Jahr geben.

Neue Infektionserreger

Bei verändertem Klima werden außerdem neue klimasensitive Krankheitserreger ins Land kommen, warnt der Bericht. Deren Ausbreitung sei besorgniserregend. Prof. Klaus Stark, Leiter des Fachgebiets Gastroenterologische Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen am RKI, sagt: "Man muss das Thema der klimasensitiven Infektionserreger stärker im Fokus haben. Das betrifft die gesamte Gesellschaft. Das betrifft jeden Bürger und jede Bürgerin, das betrifft die Ärzteschaft, das betrifft aber insbesondere auch zuständige Behörden und Institute, die entsprechende Maßnahmen ergreifen können."

Asiatische Tigermücke beim Zustechen
Die Asiatische Tigermücke beim Zustechen. Sie kann dabei mehrere Krankheiten auf den Menschen übertragen. Bildrechte: imago images/Blickwinkel

Der RKI-Epidemiologe weist auf konkrete neue Arten hin, die Krankheiten übertragen können, so zum Beispiel die Hyalomma-Zecke, die laut Stark bis vor wenigen Jahren nicht in Deutschland vorkam und die bakterielle Erreger von Fleckfieber übertragen kann. Ebenfalls häufiger auftreten werde die Asiatische Tigermücke - sie kann Erreger von Dengue-Fieber und Gelbfieber oder das Zika-Virus an Menschen weitergeben. Der Wissenschaftler betont, dass es in den letzten Jahren klare Trends gibt, dass ein Teil der klimasensitiven Erreger zugenommen hat. Das heiße zwar nicht zwangsläufig, dass es in den nächsten ein, zwei Jahren sofort Übertragungsfälle in Deutschland geben werde, so Stark. Ausschließen könne er dies aber nicht.

Gesundheitssysteme müssen angepasst werden

Zusätzlich wird im Bericht ein Anstieg bakterieller Resistenzen und der Vermehrung von Vibrionen im Wasser befürchtet, insbesondere bei Temperaturen über 20 Grad. Vibrio vulnificus, ein solcher Vibrion, kann in Meer- und Brackwasser vorkommen und bei älteren oder immungeschwächten Personen schwere Wundinfektionen oder Blutvergiftungen verursachen.

Dr. Marina Treskova vom Climate-Sensitive Infectious Diseases lab (CSIDlab) an der Universität Heidelberg fordert: "Wir müssen unsere Gesundheitssysteme widerstandsfähiger machen, wissenschaftsbasierte Anpassungsmaßnahmen entwickeln und diese auch zeitlich umsetzen."
Treskova betont die Bedeutung eines integrativen Überwachungssystems, das nicht nur den Menschen, sondern auch die Verbreitung von Krankheitserregern bei Tieren und in der Umwelt im Auge behält.

Der RKI-Bericht ist der erste von drei Teilen, die im "Journal of Health Monitoring" publiziert werden. Die übrigen zwei Teile sollen im Laufe des Jahres veröffentlicht werden. Mehr als 90 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus über 30 Forschungseinrichtungen und Behörden haben dazu beigetragen. Ziel ist es, den aktuellen Wissensstand zu möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit zusammenzutragen und Handlungsempfehlungen zu geben.
Die Autorinnen und Autoren betonen, dass die Bevölkerung auf den Klimawandel reagieren und sich schützen muss, beispielsweise durch Impfungen. Gleichzeitig sollten Anstrengungen unternommen werden, die globale Erwärmung so gering wie möglich zu halten. Elke Hertig fasst das so zusammen: "Klimaschutz ist der effektivste Gesundheitsschutz."

(rr/dpa/smc)

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Asiatische Tigermücke
Erreger von Tropenkrankheiten wie die Asiatische Tigermücke verbreiten sich in Deutschland immer mehr aus - bedingt durch den Klimawandel. Bildrechte: imago images/Roger Eritja

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. Juni 2023 | 19:00 Uhr