Hügellandschaft in Thüringen.
Sind saftig-grüne Wiesen und Landschaften in Mitteldeutschland bald schon Geschichte? Bildrechte: Günther Bigalke GmbH

Faktencheck Wie wirkt sich der Klimawandel auf uns aus?

15. Dezember 2015, 18:56 Uhr

Wie muss sich der Raum Mitteldeutschland auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten? Fest steht: Wetterextreme und der Temperaturanstieg in den nächsten Jahren werden nicht spurlos an uns vorbei ziehen.

Mögliche Folgen des Klimawandels für unsere Region im Überblick:
Laut Klimaprognosen ist für Deutschland mit einem Temperaturanstieg zwischen 2,0° und 6,3° C zu rechnen.
Es werden für die Sommermonate starke Niederschlagsrückgänge erwartet, im Winter nimmt dagegen die Zahl der Unwetter zu.
Schädlinge und gebietsfremde Arten können sich durch das wärmere Klima leichter ansiedeln und werden zur Gefahr für die örtlichen Ökosysteme.
Der Naturschutz muss Ökosystemverbunde und Renaturierungsmaßnahmen fördern.
Der Hausbau in der Zukunft muss besser auf die neuen Gegebenheiten angepasst werden - hohe Ausgaben werden nötig sein.

"Heftige Gewitter haben in Teilen Mitteldeutschlands schwere Schäden angerichtet. Besonders heftig erwischte es in Sachsen-Anhalt die Regionen Eisleben und Halle. Laut Polizei wurden Dächer abgedeckt oder durch faustgroße Hagelkörner zerstört. Umgestürzte Bäume und Verkehrsschilder versperrten Straßen und Schienen." – Meldungen wie diese aus dem Sommer 2015 fielen dieses Jahr besonders häufig auf. Damit kündigen sich allmählich die Vorboten der Wetterextreme an, vor denen Klimaforscher schon seit langer Zeit warnen.

Wie der Klimawandel jetzt schon spürbar wird

Im vergangenen Jahrhundert ist die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur in Europa um 0,95°C angestiegen. Das klingt zunächst nicht viel, dennoch bringt dies große Auswirkungen für die Natur in Europa und somit auch für Mitteldeutschland mit sich. Mit dem Temperaturanstieg ändert sich das Wetter, das ebenfalls einen direkten Einfluss auf die einzelnen Ökosysteme nimmt. Der bisherige Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur hat zur Folge, dass sich die einzelnen Lebensraumabschnitte um rund 100 Kilometer in Richtung Norden verschoben haben. Die ersten Auswirkungen dieser Verschiebung sind bereits spürbar.

Wenn der Kuckuck zu spät kommt

So stellt der Kuckuck in seinem Fortpflanzungszyklus eine der ersten betroffenen Arten dar. Im Sinne des Sprichwortes "Der frühe Vogel fängt den Wurm" beginnen heimische Vögel früher mit der Balz, da die dafür geeigneten Temperaturen früher im Jahr eintreten. Der Kuckuck, der im gewohnten Zeitraum aus seinen Winterquartieren im Süden nach Deutschland zurückkehrt, kommt nun in den bisherigen Verbreitungsgebieten zu spät an, um seine Eier in den Nestern von Wirtsvögeln abzulegen. Dies hat zur Folge, dass sich der Kuckuck zum Nisten in höhere Regionen zurückzieht. Auf diese Weise gehen dem Kuckuck immer größere Teile seines bisherigen Fortpflanzungsgebietes verloren.

Eine halbe Badewanne Regenwasser weniger pro Quadratmeter?

Bemerkbar ist zudem ein Niederschlagsrückgang im Sommer. Bislang sank der durchschnittliche Jahresniederschlag für Mitteldeutschland nicht – im Gegensatz zum restlichen Teil der Bundesrepublik. Die Niederschlagsmengen der einzelnen Jahreszeiten haben sich dagegen deutlich geändert: Während die Regenfälle im Winterhalbjahr zunehmen, fallen die Sommermonate besonders trocken aus – ein nicht ungefährlicher Trend.

Gängige Szenarien gehen für Europa bis zum Jahr 2100 von einer weiteren Erwärmung um 2,0 bis 6,3°C aus. Es wird vermutet, dass sowohl Hitzewellen und Dürren als auch Starkregenereignisse häufiger auftreten werden. Die relative breite Spanne der Prognosewerte ergibt sich einerseits durch die verschiedenen Möglichkeiten der politischen, demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung, andererseits durch noch bestehende Unsicherheiten in den Klimamodellen (EEA 2004).

Bundesamt für Naturschutz (aus: Skript Nr. 148, "Biologische Vielfalt und Klimawandel – Gefahren, Chancen, Handlungsoptionen

Des Weiteren wird damit gerechnet, dass sich der Niederschlagrückgang in den Sommermonaten weiter fortsetzt – im Extremfall bis zu 40 Prozent. In der Folge könnten Starkregenfälle in den Wintermonaten zunehmen und somit die Jahresbilanz wieder ein Stück weit angleichen. Für das Land Brandenburg wird mit einem Rückgang von 50 bis 100 Millimetern Jahresniederschlag in den überwiegenden Landesteilen gerechnet (stellenweise sogar bis zu 200 Millimeter). Das entspricht in etwa der Füllmenge einer halben Badewanne pro Quadratmeter Landfläche, die pro Jahr fehlen würden. Zum Vergleich: Derzeit liegt der Bundesdurchschnitt bei etwa 500 bis 600 Millimetern Niederschlag pro Jahr. Ein solcher Rückgang wirkt sich auch nachhaltig auf die angrenzenden Landgebiete aus.

Das Ausbleiben von sommerlichem Niederschlag und die damit einhergehende Verödung der Böden hätten zudem zur Folge, dass Wasser im Allgemeinen schwerer aufgenommen werden kann. Vor allem im Sommer führt dies zu einem Absinken des Grundwasserspiegels. Im Sommer steigt hierdurch das Risiko von Überschwemmungen nach Starkregenfällen.

Auf Eroberungszug ohne natürliche Feinde

Mit den steigenden Temperaturen wird auch eine Zunahme an warmen bis heißen Tagen erwartet. Vegetationsphasen von Pflanzen verlängern sich und die Fortpflanzungszeiträume in der Tierwelt setzen früher als üblich ein. Dies hat sowohl Vor- als auch Nachteile, wobei Forscher eindeutig darauf verweisen, dass die Nachteile überwiegen. Die Zunahme von warmen Tagen im Jahr fördert das Pflanzenwachstum. Dies kann zum einen zu höheren Erträgen in der Landwirtschaft als auch für ein verbessertes Baumwachstum in unseren Wäldern führen. Die erhöhte Durchschnittstemperatur erlaubt außerdem, dass neue wärmeliebendere Arten angebaut werden können.

Eindringlinge auf dem Vormarsch

Doch genau das ist eine der größten Gefahren, die der Temperaturanstieg für unsere Ökosysteme mit sich bringt: Ortsfremde Arten haben es einfacher, sich in unseren Breitengraden anzusiedeln. Oftmals hat das schwerwiegende Auswirkungen für die vorhandenen Lebensräume. Schon jetzt haben invasive Arten, die in Folge der Globalisierung aus den verschiedensten Winkeln der Welt in unsere Ökosysteme eingebracht wurden, verheerende Schäden angerichtet. Ihnen fehlen die natürlichen Feinde. Dadurch können sich sie ungebremst ausbreiten, heimische Arten verdrängen und insgesamt die Artenvielfalt beeinträchtigen. Ein Beispiel ist die Wollhandkrabbe, die – eingeschleppt aus asiatischen Gewässern – die heimischen Krabbenarten in Nord- und Ostsee inzwischen fast vollständig verdrängt hat. Auch das amerikanische Grauhörnchen ist als eine Bedrohung anzusehen. In Großbritannien verdrängt es die heimische Eichhörnchenart.

Weitere Beispiele für Neobiota (Invasive Arten)
Eingeschleppte Arten bedrohte heimische Art
Spanische Wegschnecke (Arion lusitanicus) Schwarze Wegschnecke (Arion ater)
Asiatischer Marienkäfer (Harmonia axyridis) die meisten europäischen Marienkäferarten
Lupine (Lupinus polyphyllus) Pflanzen, die auf kargen Boden angewiesen sind (z.B. Arnika, Borstgras und Knabenkraut)

Auch neue Pflanzenschädlinge haben es durch die Verschiebung von Lebensraumgrenzen einfacher, sich bei uns anzusiedeln. Mangels evolutionär ausgebildeter Resistenzen gegenüber diesen Schädlingen dürfte dies zu schwerwiegenden Auswirkungen auf die heimische Flora führen.

Die Verschiebung von Lebensraumgrenzen führt auch zu Inselbildung innerhalb aktueller Ökosysteme. Besonders spezialisierte Arten, die ganz bestimmte Lebensbedingungen für ihre Existenz benötigen, sind davon bedroht. Doch auch bei angepassten Arten würde sich eine solche Inselbildung negativ auf die Vielfalt des Genpools und das Potential der Fortpflanzung auswirken.

Neue Herausforderungen für den Naturschutz

Je empfindlicher ein System und je geringer seine Anpassungsfähigkeit, desto anfälliger ist es. Charakter, Größenordnung sowie Geschwindigkeit des Klimawandels beeinflussen die Anfälligkeit.

Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz (aus: "Hintergrundpapier – Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Bis vor kurzem waren die Naturschutzkonzepte darauf ausgelegt, lokal bedrohte Arten vor Ort zu schützen. Doch mit der Verschiebung von Lebensraumgrenzen und veränderten Umweltbedingungen steht der Naturschutz vor völlig neuen Herausforderungen. Langfristige Szenarien über die Verschiebung von Lebensbedingungen müssen erstellt werden. So ist es möglich, spezielle Ökosystemverbunde zu entwerfen, die entsprechende Wanderbewegungen betroffener Arten unterstützen können. Sind solche vorhanden, stehen die Chancen für die bedrohten Arten höher, die Folgen des Klimawandels zumindest in gewissen Teilen kompensieren zu können. Da die Natur nicht an Landesgrenzen halt macht, ist hierbei eine internationale Zusammenarbeit in Europa gefragt.

Naturschutziel: Robuste Vielfalt

Ein weiteres Ziel für den Naturschutz ist das Erreichen einer möglichst hohen Biodiversität. Ist der Genpool der einzelnen Arten vielfältig ausgeprägt, erhöhen sich die Chancen, dass die Arten und Ökosysteme resistenter gegen die äußerlichen Einflüsse des Klimawandels werden. Dies betrifft zum einen die Anfälligkeit gegen Schädlinge, allerdings auch die Verwundbarkeit bei Extremwetterereignissen wie Stürmen und Überschwemmungen. Forschungen zeigen, dass vielfältig ausgeprägte Mischwälder und -wiesen sich im Verbund als wesentlich robuster gegenüber extremen Wetterbedingungen erweisen als Monokulturen mit einer geringen Artenvielfalt.

Während extremer Wetterlagen war laut Studie die Produktivität in Pflanzengemeinschaften mit nur ein oder zwei Arten im Durchschnitt um 50 Prozent verändert. Wohingegen sie sich bei Gemeinschaften mit 16 oder 32 Arten nur halb so stark veränderte.

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) (In: "Biodiversität schützt Ökosysteme vor Klimaextremen

Wichtig wird auch eine vielfältige Renaturierung von Fluss- und Auenlandschaften. Davon profitiert nicht nur die Artenvielfalt und Wanderungsfähigkeit der im Wasser lebenden Organismen, auch der natürliche Hochwasserschutz wird gestärkt. Durch Rückgewinnung von Ausweichflächen für das Wasser im Auensystem würden die unmittelbaren Auswirkungen unwetterbedingter Hochwasser zumindest abgefedert werden können. Zudem haben natürliche Flussbetten den Vorteil, dass der Boden das Wasser besser aufnehmen kann. Das sorgt wiederum für einen leichten Ausgleich des absinkenden Grundwasserspiegels.

Schritt für Schritt – was tut sich aktuell im regionalen Artenschutz?

Das derzeit größte Projekt zur Umsetzung eines Biotopverbundes auf europäischem Raum ist das Projekt "Natura 2000". Das Projekt schlägt für die verschiedenen Tier- und Pflanzengattungen Brücken zwischen den einzelnen Ökosystemen und bietet somit eine Grundlage für eine tiefgreifende Vernetzung in der Zukunft. Derzeit nimmt das Natura-2000-Netzwerk ca. 20 Prozent der Land- und Seefläche innerhalb der Europäischen Union ein. Kritiker sehen allerdings noch Verbesserungsbedarf im Schutz der einzelnen Gebiete. So kritisieren NABU und BUND mangelnde Regelungen bei der Betreuung vieler Natura-2000-Gebiete auf nationaler Ebene.

Die Ausweisung der über 5.000 Natura-2000-Gebiete ist in Deutschland mittlerweile abgeschlossen. Nun gilt es, zügig für ihren nachhaltigen und effektiven Schutz oder ihre Entwicklung hin zu einem guten Erhaltungszustand zu sorgen. Denn oft mangelt es noch an der rechtlichen Unterschutzstellung und an der Aufstellung fundierter Managementpläne, um die mit dem Schutz der Gebiete verbundenen Naturschutzziele zu erreichen und langfristig zu sichern.

NABU (aus: "Klare Regeln für Natura 2000

Doch es gibt auch andere Projekte in Mitteldeutschland, zum Beispiel zur Renaturierung von Flussläufen sowie Umforstungen von bisherigen Fichten- auf Rotbuchen- und Mischwälder.