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Faktencheck: 6 Zweifel – 6 AntwortenDer aktuelle Klimawandel soll menschgemacht sein? Ja!

14. Oktober 2019, 14:30 Uhr

Der anthropogene - also vom Menschen verursachte - Klimawandel steht in der Öffentlichkeit immer wieder zur Debatte. Unter Wissenschaftlern ist die Frage allerdings nahezu unstrittig, ob der Mensch Hauptverursacher für die aktuellen Klimaveränderungen ist. Aber während auf der einen Seite die Fridays-For-Future-Bewegung seit Monaten Lärm macht, um die Politik zum Handeln zu bewegen, gibt es auch kritische Stimmen.

von Pauline Müller

Auch unsere Redaktion erhielt infolge eines Artikels zum anthropogenen Klimawandel einen Leserbrief, welcher Zweifel in Bezug auf den aktuellen Stand der Wissenschaft enthielt. Das haben wir zum Anlass genommen, uns sechs populäre Zweifel genauer anzuschauen und mit aktueller Wissenschaft zu beantworten.

Der Leserbrief enthält z.B. folgenden Satz: "Es wird heute über 'Klima' diskutiert, obwohl wir noch mal verlässlich wissen, ob es bei der Beerdigung von W.A. Mozart am 06.12.1791 geregnet hat, oder nicht."

Zweifel 1: Wissenschaftler wissen nichts über Klima, weil sie nicht mal das Wetter genau bestimmen können.

Wer den Film "Amadeus" gesehen hat, wird sich an die Szene vielleicht erinnern. Es regnete in Strömen bei Mozarts Beerdigung – im Film. Aber ist der Fakt wichtig für die Beurteilung eines Klimawandels? Reden wir also über Wetter und Klima.

Das Wetter bezeichnet einen Zustand der Atmosphäre über einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Das Wetter ist ein Resultat aus ständig wechselnden Wetterlagen (Tiefdruckgebiete, Hochdruckzonen). Daher kann das genaue Wetter nur für ein paar Tage im Vorfeld prognostiziert werden.

Bildrechte: Colourbox.de

Um das Klimasystem zu verstehen, ist eine Unterscheidung zwischen Wetter und Klima wichtig. Mit Hilfe von Klimamodellen wird das mittlere Klima prognostiziert, denn "Klima" beschreibt das durchschnittliche Wetter einschließlich seiner Extremwerte.

Es seit kurzer Zeit gibt es verlässliche Wetterdaten. Da wir aus der weiteren Vergangenheit jedoch nur wenige Aufzeichnungen haben, müssen Wissenschaftler ihre Daten zu Temperaturen oder Niederschlägen aus anderen Quellen beziehen. Im "Past Global Changes" Projekt (PAGE) etwa untersuchten Wissenschaftler jetzt im Rahmen einer Studie unter anderem uralte Bäume, Korallenriffe, Eisbohrkerne und Bodenproben vom Meeresgrund und anderen Gewässern, um Aussagen über die klimatischen Bedingungen der letzten 2.000 Jahre treffen zu können.

Zweifel 2: Auf der Erde hat es schon immer Warm- und Kaltzeiten gegeben.

Ein häufiges Argument der Zweifler ist, dass sich das Klima schon immer gewandelt hat und auch immer wandeln wird: Es hat schon immer Warm- und Kaltzeiten gegeben. Diese Aussage ist vom wissenschaftlichen Standpunkt her korrekt, jedoch folgt oft ein falscher Schluss: Der gegenwärtige Klimawandel habe natürliche Ursachen.

Erst kürzlich veröffentlichte ein internationales Forscherteam eine Studie zu dieser Thematik. Die Wissenschaftler ziehen anhand ihrer Ergebnisse folgendes Fazit: Die Klimaveränderungen sind seit Beginn der Industrialisierung um ein Vielfaches größer, als alle Schwankungen in den 1.900 Jahren davor. Und sie betreffen den gesamten Planeten, was in der untersuchten Zeit nicht der Fall war. Das verdeutlicht auch diese Darstellung zu den Temperatur-Schwankungen der vergangenen 2.000 Jahre: Die Temperaturen steigen derzeit wesentlich schneller an.

Bildrechte: Universität Bern

Globale Temperaturen verändern sich, wenn der Energiehaushalt der Erde verändert wird und somit die Atmosphäre an Wärme gewinnt oder verliert. Dafür braucht es eine externe Antriebskraft, wie etwa einen gewaltigen Vulkanausbruch oder Meteoriteneinschlag. Ein weiterer Faktor, der das Klima in der Vergangenheit beeinflusst hat, ist die Verschiebung der Kontinente über Millionen von Jahren.

Zweifel 3: Der Mensch hat keinen Einfluss auf den Klimawandel.

Bildrechte: Colourbox.de

Im Falle der derzeitigen Klimaveränderungen deutet vieles auf die Menschheit beziehungsweise die vom Mensch verursachten Treibhausgase als externe Antriebskraft hin. Wissenschaftler können keinen anderen natürlichen Mechanismus identifizieren, der die derzeitigen Klimaänderungen erklären könnte. Treibhausgase wie Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid oder Methan natürlichen und menschlichen Ursprungs befinden sich in der Atmosphäre. Sie sorgen für den Treibhauseffekt, indem sie einen Wärmestau in der unteren Atmosphäre verursachen. Laut dem "Climate Service Center Germany" der Deutschen Helmholtz-Gemeinschaft beeinflusst der Mensch seit Beginn des Industriezeitalters die klimatische Wirksamkeit der Atmosphäre.

Forscher des "National Center for Atmospheric Research" in Colorado (USA) und der Abteilung Klima und Umweltphysik der Universität Bern schlussfolgerten anhand ihrer Studie, dass sie die aktuelle Klimaerwärmung ohne Einkalkulierung des anthropogenen Treibhauseffekts nicht erklären können. Natürliche Faktoren wie Sonneneinstrahlung und vulkanische Aktivitäten allein betrachtet, hätten laut ihren Berechnungen innerhalb der letzten Jahrzehnte sogar eher zu einer globalen Abkühlung geführt. Was, wie wir wissen, nicht der Fall ist.

Wissenschaftler sind sich bei der Grundfrage des anthropogenen Klimawandels weitgehend einig: Der Mensch ist der Hauptverantwortliche für den beschleunigten Klimawandel. Der US-Geologe James Powell untersuchte über Jahrzehnte hinweg eine Vielzahl an wissenschaftlichen Artikeln zur Thematik Klimawandel. In der letztlich veröffentlichten Studie analysierte er insgesamt 54.195 Artikel aus den Jahren 1991 bis 2015. Der Geologe kam zu dem Schluss, dass in Bezug auf die Aussage vom Menschen als Hauptverursacher in 99,94 Prozent der Artikel Konsens herrscht. Da in der Öffentlichkeit einzelnen Zweiflern eine überdimensionierte Stimme gegeben wird, werde der wissenschaftliche Konsens jedoch verzerrt dargestellt.

Forscher aus den Niederlanden und Australien um Bart Verheggen befragten innerhalb ihrer Untersuchung Wissenschaftler und stellten fest: Je höher die Expertise zur Thematik Klimawandel, desto höher ist auch der Grad der Zustimmung in Bezug auf den Menschen als Ursache dafür. 

Zweifel 4: Niemand zieht in Betracht, dass die Sonne schuld sein könnte.

Bildrechte: imago/StockTrek Images

Ein beliebter Sündenbock ist die Sonne. Sie scheine zu stark. Klar: Ohne die Sonne und ihre Strahlung wäre kein Leben auf der Erde möglich. Und der Einfluss auf das Erdklima ist auch erforscht worden. Wissenschaftler aus Deutschland und Finnland um I. G. Usoskin zeigten in ihrer Studie, wie die globale Mitteltemperatur der Erde und die Sonnenaktivität in den letzten 1.150 Jahren in Zusammenhang standen. Das Verhältnis änderte sich jedoch ab etwa 1975. Die globale Temperatur stieg weiter an, wohingegen die Sonnenaktivität abnahm. Usoskin kommt aufgrund der Gegenläufigkeit zu dem Schluss, dass die globale Erderwärmung einen anderen Grund als die Sonnenaktivität haben muss. Der britische Sonnenforscher M. Lockwood stellte anhand seiner Untersuchungen in Bezug auf die letzten Jahrzehnte sogar einen leicht kühlenden Einfluss der Sonne auf das Erdklima fest.

Eine aktuelle Studie sagt sogar ein weiteres Absinken der Sonnenaktivität für die Jahre 2020 bis 2050 voraus. Zweifler des Klimawandels sehen sich damit bestätigt und sagen bereits eine neue Eiszeit voraus. Die Forscher tun das in ihrer Veröffentlichung nicht. Sie sehen keinen Grund zur Sorge, da diese Entwicklung die Erderwärmung nur minimal reduzieren würde. Stattdessen sehen sie darin "eine einzigartige Gelegenheit für die Weltraumwissenschaftler und alle Menschen auf dem Planeten, das moderne große Minimum in vielen Einzelheiten zu beobachten und die Natur der Sonnenaktivität besser zu verstehen".

Zweifel 5: Die Klimamodelle sind ungenau.

Da wir nicht einfach in die Glaskugel schauen können, um verlässliche Aussagen über das zukünftige Klima zu treffen, entwickeln Forscher sogenannte Klimamodelle. Das sind hochkomplexe Computerprogramme, in denen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Prozessen simuliert werden. Kritikpunkt vieler Zweifler ist, dass sich Klimaschutzpolitik somit lediglich auf hypothetische Modelle bezieht. 

Allerdings unterliegen diese Modelle mehreren Qualitätskontrollen. Zum einen werden die Klimamodelle von mehreren Forscherteams weltweit und unabhängig voneinander entwickelt und zum anderen können die für die Vergangenheit berechneten Daten mit den tatsächlich gemessenen verglichen werden. Das Ergebnis: Klimaentwicklungen der Vergangenheit lassen sich verlässlich rekonstruieren und somit auch auf künftige Entwicklungen projizieren. Erste frühe Klimamodelle aus 1960er-Jahren wurden inzwischen von der Klimaentwicklung bestätigt.

Die Professoren für Klimaphysik in Bern bzw. Zürich, Thomas Stocker und Reto Knutti, erklären das Verfahren anhand eines anschaulichen Beispiels: Wenn man einen Topf Wasser auf eine Herdplatte stellt, können wir nicht vorhersagen, wann und wo welche Blase aufsteigen wird. Wenn wir die Heizleistung, die Eigenschaften des Wassers und des Topfes kennen, können wir allerdings aufgrund von physikalischen Gesetzen den Verlauf der Wassertemperatur vorhersagen. Klimamodelle basieren ebenfalls auf physikalischen Gesetzen und somit ist es möglich, eine zukünftige mittlere Temperatur zu berechnen.

Zweifel 6: Der Mensch kann nichts gegen den Klimawandel tun.

Die anthropogene, sprich vom Mensch verursachte, CO2-Zufuhr in die Atmosphäre von 37 Milliarden Tonnen pro Jahr gilt als Hauptursache für den anthropogenen Treibhauseffekt. Nach dem letzten Bericht des IPCC Weltklimarats müsste man noch weit vor 2030 anfangen, den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO² zu reduzieren, um bis zum Jahr 2100 die Erderwärmung auf 1,5°C im Vergleich zu vorindustriellen Zeitaltern zu begrenzen.

Wie wir leben, was wir essen, wie wir uns fortbewegen – all das hat Einfluss. Wir können unser Konsumverhalten ändern. Denn das ist es letztlich, was die Industrie, Energieerzeugung oder Landwirtschaft antreibt.

Keiner sagt, dass das einfach ist. Fragen Sie mal Familie Döring.

Oder Sie lassen sich von unserem User Daniel inspirieren:

Quellen

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Dokumentation | 02. Juni 2019 | 22:00 Uhr