Ein Architekt sitzt leger am Schreibtisch seines Büros.
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Durchbruch in der Wissenschaft Alt, frech, kreativ: Karriere geht auch später

26. April 2019, 15:28 Uhr

Bisher galten die jungen Karrierejahre als kreativ beflügelnd in der Wissenschaft. Stimmt nicht, sagen Forschende aus Ohio. Alles eine Frage der Arbeitsweise.

Kreativität und Jungspunde, das passt wie Arsch auf Eimer, besonders in der Wirtschaft: Anders sind Start-Up-Büros mit Kuschel-Denk-Ecken zum Ideenspinnen und agil-lässiger Projektleitung mit flachen Hierarchien nicht zu erklären. Kreativität, das kann aber nicht nur jungen Gründern in Fabrik-Lofts passieren – sondern auch im fortgeschritteneren Alter. Kommt nur drauf an, welche Kreativität.

Konzept oder Experiment

Forschende aus Ohio haben die Biografien von Wirtschaftsnobelpreisträgern untersucht, ihre Ergebnisse berichten sie jetzt im niederländischen wirtschaftswissenschaftlichen Journal "De Economist". Demnach wurde nur ein Teil der Preisträger in jungen Jahren von Kreativität beflügelt, in ihrer Mitte der Zwanziger. Ein anderer Teil erlebte erst in der späteren Karriere eine kreative Hochphase, nämlich Mitte der Fünfziger.

Dabei unterscheiden die Wissenschaftler zwischen zwei Arten von Wegbereitern. Solche, die eher konzeptionell vorgehen und solche, die das eher experimentell tun. Konzeptionelle Geister schauen über den Tellerrand und hinterfragen althergebrachtes Wissen. In jungen Jahren tendieren sie dazu, plötzlich eine Idee zu haben, bis sie sich dem konventionellen Forschungsfluss wieder anpassen.

Die Forschungskarriere der Experimentellen wird eher durch "trial and error" bestimmt – also versuchen und scheitern, wildes Herumprobieren sozusagen. Das dauert einfach länger, wodurch die Wissenschaftler die späte kreative Hochphase erklären.

Frage der Herangehensweise

"Wir glauben, dass das nicht nur auf Wirtschaftswissenschaftler zutrifft, sondern auf Kreativität im Allgemeinen", sagt Bruce Weinberg. Er ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Ohio State Univerity und der Kopf der Studie. "Unsere Untersuchungen zeigen: Der Zeitpunkt höchster Kreativität ist weniger eine Frage des Forschungsfeldes, sondern eine Frage der Herangehensweise an die Arbeit."

"Nobelpreis" für Wirschaft

Der Wirtschaftsnobelpreis heißt eigentlich Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften und ist gar kein echter Nobelpreis. Er wird seit 1968 von der Schwedischen Reisbank gestiftet und jährlich zusammen mit den Nobelpreisen verliehen. Der Preis ist auch aus verschiedenen Gründen umstritten. Ein Großteil der Preisträger stammt aus den USA. Bisher wurde zudem nur eine einzige Frau ausgezeichnet.

Um die 31 in der Studie analysierten Wirtschaftsnobelpreisträger vergleichen zu können, haben die Wissenschaftler sie anhand objektiver Kriterien in einer Skala von "sehr experimentell" bis "sehr konzeptionell" eingeordnet. Solche Kriterien sind beim konzeptionellen Typ die Arbeit mit Vermutungen, Beweisen und Mathematik. Experimentelle Typen ziehen ihre Schlussfolgerungen aus Fakten und beziehen sich auf konkrete, greifbare Dinge wie Industriezweige und Rohstoffe.

Frische Luft, Konzentration

Aber nicht nur die Arbeitsweise bestimmt die Kreativität, Sondern auch, wie viel Freiraum ihr in der Tagesplanung gegeben wird. Angeblich haben Genies wie Komponist Beethoven oder Philosoph Kierkegaard tägliche Kreativitätsspaziergänge unternommen. Und der Künstler Andy Warhol führte jeden Tag eine Aktivitätstagebuch per Telefon.

Multitasking, so wie es in unserer Berufswelt Standard ist, ersticke Kreativtität allerdings erstmal im Keim, weil es wichtig sei, sich auf eine Sache einlassen zu können, sagte der Hirnforscher Ernst Pöppel gegenüber der Welt. Auch etwas Selbstbewusstsein sei nicht schlecht. Ach ja, und selbst Nobelpreisträger gestehen ein: Eine wichtige Zutat für den kreativen Durchbruch ist einfach Glück.

Dieses Thema im Programm: MDR JUMP | 28. März 2019 | 05:20 Uhr