Epigenetik Länger leben durch fasten?
Hauptinhalt
Dass Fasten bei Rheuma, Diabetes und Bluthochdruck wie ein Medikament wirken kann, ist lange bekannt. Aber was können wir für den Menschen daraus schließen, dass Würmer und Mäuse länger leben, wenn sie fasten müssen?
Lässt man Fadenwürmer fasten, werden sie statt 20 sogar 30 Tage alt. Ließe sich das auf Menschen übertragen, rückten wir dem Traum vom langen Leben ein großes Stück näher. Wissenschaftler Holger Bierhoff vom Leibniz Institut in Jena hat das Ergebnis seines Versuches selbst überrascht. Der Biochemiker leitet die Arbeitsgruppe "Epigenetik des Alterns". Sie ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Uni Jena und dem Leibniz-Institut für Alternsforschung.
Was machen Zellen, wenn die Energiezufuhr aussetzt?
Die Wissenschaftler interessiert es besonders, wie sich das Fasten bzw. das Reduzieren von Kalorien auf den Zell-Alterungsprozess auswirkt. Die Antwort liegt in den genetischen Veränderungen unseres Erbguts. Epigenetiker Bierhoff erklärt, was das bedeutet: Nämlich, dass bestimmte Genmuster nicht mehr präzise ablaufen, die Zelle schneller altert und weniger funktionsfähig ist. Denn im Laufe des Lebens heften sich Moleküle, sogenannte Methylgruppen, an die DNA. Sie können Gene blockieren, sodass sie nicht mehr abgelesen werden können.
Bei den Fadenwürmern wurde dieser Mechanismus verzögert, indem die Zellen auf Diät gesetzt wurden. Bierhoff hat eine Vermutung, woran das liegt: Daran, dass die Zelle dadurch Energie spart und diese für Reparaturprozesse zur Verfügung hat, was die Würmer länger leben ließ.
Tumore wachsen langsamer bei "fastenden" Mäusen
Ähnliches ist aus Versuchen mit Mäusen bekannt, wie eine Studie des Helmholtz-Instituts München von 2017 zeigt: Die mittlere Lebenserwartung der Nager, die über acht Wochen lang nur alle zwei Tage gefüttert wurden, lag um rund fünfzehn Prozent höher als bei Artgenossen, die freien Zugang zu Nahrung hatten. Konkret: Die Mäuse mit dem rationierten Futter lebten durchschnittlich 908 Tage, die aus der Kontrollgruppe nur 806. Wobei sich die Mäuse dem Fütterungsrhythmus schnell anpassten - sie fraßen fast genauso viel wie ihre Artgenossen in der Kontrollgruppe. Allerdings nahmen sie weniger Gewicht zu, vermutlich eine Reaktion des Stoffwechsels auf die Essenspausen, vermutet Hrabĕ de Angelis, Direktor des Instituts für Experimentelle Genetik und der German Mouse Clinic am Helmholtz Zentrum München.
Die Forscher analysierten nach dem Tod der Tiere mehr als 100 Parameter, die mit Alterungsprozessen zu tun hatten: Nur sieben davon wiesen auf ein Muster hin, das mit der Verzögerung des Alterns zu tun haben könnte, wie Gewebe-Veränderungen im Gehirn oder den Nieren. Die meisten Tiere starben schlussendlich an Krebs - bei den "Fasten-Mäusen" wuchsen die Tumore langsamer.
Lässt sich von Würmern und Mäusen auf Menschen schließen?
Eins zu eins übertragen lassen sich die Versuchsergebnisse jedenfalls nicht, sagt Dan Ehinger, der die Münchner Mäuse-Studie geleitet hat. Aber sie liefern Anhaltspunkte dafür, was bei Studien zum Fasten und Alterungsprozessen an Menschen betrachtet werden sollte.
Als sicher gilt zum einen, dass wir Menschen die Autophagie, das Reparaturprogramm der Zellen, durch Intervallfasten ankurbeln können, wie zum Beispiel beim Intervallfasten, wenn acht Stunden gegessen und 16 Stunden danach nichts mehr. Professor Andreas Michalsen, Internist am Immanuel Krankenhaus Berlin erklärt das Nützliche daran: "Der Körper ist eigentlich für den Wechsel sehr gut vorbereitet. Letztlich geben wir mit dem Fasten dem Körper das zurück, was wir durch unsere Zivilisation verloren haben."
Und zum anderen wird das Fasten inzwischen auch bei Krebspatienten bewusst eingesetzt: Die gesunde Zelle kann Michalsen zufolge nämlich gut mit dem Fastenprogramm umgehen, indem sie einfach in eine Art" Winterschlaf" fällt. Die Krebszelle dagegen hat dieses Programm nicht. Wobei er einräumt, dass Fasten während einer Krebsbehandlung eine regelrechte Kunst ist - schließlich darf das Fasten während der Chemotherapie den Patienten nicht zusätzlich schwächen. Auch hier wird noch weiter geforscht.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Leichter leben | 21. Februar 2019 | 17:00 Uhr