Biene auf Blüte 4 min
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Ohne Bienen sterben die Kulturpflanzen, die Grundlage unserer Lebensmittel sind. Das zeigt eine neue Studie.

MDR AKTUELL Fr 12.07.2019 14:10Uhr 04:14 min

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Lebensmittel Studie: Ohne Bienen keine Landwirtschaft

13. Juli 2019, 17:02 Uhr

Grundlage unserer Lebensmittel sind Kulturpflanzen. Und da haben wir uns immer stärker für Sorten entschieden, die abhängig sind von Bestäubung. Deshalb brauchen wir die Bienen mehr denn je, zeigt eine Studie.

Der Bestseller "Die Geschichte der Bienen" traf voll auf den Nerv der Zeit. Den Bienen geht es schlecht. Sieben Prozent der Bienen sind in Deutschland bereits ausgestorben. Ein Drittel vom Rest steht auf der roten Liste. Wie sich das auswirken könnte, hat Autorin Maja Lunde beschrieben: Die Menschen müssen die Blüten mit der Hand bestäuben. Mit kleinen Pinseln klettern sie von Baum zu Baum. Obst und Gemüse wird zum Luxusgut. Die Welt leidet Hunger. Ist das ein realistisches Szenario? Diese Frage beschäftigt auch die Wissenschaft.

Zahl der Bienen unbekannt

Es gibt nur ein Problem: Über Insekten weiß man ziemlich wenig, sagt Robert Paxton. Der Bienen-Experte ist Professor für Zoologie an der Uni Halle: "Es ist eigentlich unbekannt, wie viele Insekten relevant sind vorhanden sind und wie groß die Populationen sind und das ist das größte Problem."

Denn nicht nur Bienen sind Bestäuber, auch Hummeln, manche Käfer und Falter, aber auch Vögel können die Aufgabe übernehmen. Wer da wie zum Einsatz kommt, weiß man nicht. Überhaupt weiß man über Insekten sehr wenig. Erst vor knapp einem Jahr wurde in Deutschland dafür ein Monitoring Center eingerichtet, das sich noch im Aufbau befindet. Das will untersuchen wie es in Insekten geht, aber nur für Deutschland. Die Datenlage ist also schlecht.

Die wenigen Studien zeigen dennoch einen eindeutigen Trend: "Zumindest hier haben wir einige Studien, die ganz klar und deutlich zeigen: Wildbienen sind rückgängig, Honigbienen auch zum Teil", sagt Paxton. "Bei den Wildbienen hängt das wahrscheinlich mit der Intensivierung der Landwirtschaft zusammen. Bei Honigbienen hängt das von Krankheitserregern ab. Das sind eher andere Faktoren, die eine Rolle spielen."

Unsere Nahrungspflanzen brauchen Bestäubung

Dieses Hintergrundwissen nutzen Paxton und ein internationales Forscherteam. Um herauszufinden, wie sich ein Bienenschwund auswirken könnte, haben sie einen Trick angewandt: Sie haben Zahlen ausgewertet, die vorhanden sind. Zahlen, die mit Insekten auf den ersten Blick gar nichts zu tun haben. Sie haben sich angeschaut, wie sich die Landwirtschaft in den vergangenen 50 Jahren entwickelt hat. "Ganz klar haben wir gesehen, dass die Landwirtschaft mehr auf Bestäuber bezogen ist, als früher. Von allen Kulturpflanzen sind rund 80 Prozent abhängig von Insektenbestäubung."

Das klingt paradox: Immer mehr Pflanzen in der Landwirtschaft brauchen Bestäuber. Die Zahlen von Biene und Co gehen aber trotzdem zurück. Müssten Kirsch-Plantagen und Rapsfelder nicht ein Paradies sein und die Völker in Hülle und Fülle ernähren? Zahlreiche Studien sagen: Nein! Wenn Kirsch- und Rapsfelder verblüht sind, leiden die Bienen Hunger.

Wildbienen sind zum Teil auf bestimmte Pflanzen spezialisiert, die nicht mehr vorkommen. Insektizide tun ihr übriges. Robert Paxton fügt hinzu: Zwar ist der Großteil der Arten abhängig von Bestäubern, der Großteil der Landwirtschaft ist es aber nicht. Die meisten Flächen sind für die Bienen völlig unbrauchbar. Denn das was wir hauptsächlich essen, bildet keinen Nektar und kommt auch ohne Biene aus:

Was wir meistens essen, die Grundnahrung, sind Kartoffeln, Mais, Reis und Weizen und die sind windbestäubt. Das bedeutet, sagen wir, rund ein Drittel von dem was wir essen, ist abhängig von der Bestäubung.

Professor Robert Paxton, Uni Halle

Deutschland exportiert Artensterben

Für uns ist das gut. Schließlich sind wir nicht komplett auf die Biene angewiesen. Für die Biene ist das schlecht. Vor allem weil die Studie zeigt: Monokulturflächen sind mehr geworden. Die Vielfalt der Pflanzen hat dabei immer weiter abgenommen. Das betrifft manche Gebiete der Welt besonders:

Natürlich gibt es einige Länder, in denen die Gefahr höher ist, dass sie unter einem Bestäubungsmanko leiden werden, vor allem in Südamerika, Afrika und Asien. Das sind Länder, die Produkte für uns produzieren, vor allem Soja und Palmöl.

Professor Robert Paxton, Uni Halle

Damit exportieren wir unseren Biodiversitätsverlust ins Ausland, sagt Paxton. Er und seine Kollegen rufen daher dazu auf die Landwirtschaft ökologischer zu gestalten. Auch die Märkte müssen sich anpassen: Lebensmittelpreise sollen nicht immer weiter gedrückt werden. Ansonsten könnte es zu einem Kollaps der Bestäuber kommen. Die Forscher sehen die Ernährungssicherheit gefährdet. Eine Befürchtung, die nicht neu ist. Die großangelegte Studie kann jetzt Auskunft darüber geben, was groß die möglichen Folgen sind.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. Juli 2019 | 12:23 Uhr