Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler sitzen auf einem Feld vor einer Plastikkiste, die verschiedene Flaschen mit Wasserproben enthält.
Dr. Will Overholt und Prof. Dr. Kirsten Küsel von der Universität Jena bei Wasseranalysen im Feld. Bildrechte: Universität Jena/Beatrix Heinze

Faszinierende Ökosysteme Mikoorganismen im Grundwasser: unterschätzte und erfolgreiche Biomasseproduzenten

01. Juli 2022, 16:00 Uhr

Bisher galten die Meere und das oberirdische Leben als Ökosysteme mit der mit Abstand höchsten Primärproduktion auf der Erde. Mit Hilfe von Photosynthese produzieren sie große Mengen an Biomasse. Doch Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena fanden nun heraus, dass die Mikroorganismen im Grundwasser auch überraschend produktiv sind, und das ganz ohne Sonnenlicht.

Die Meere und oberirdischen Lebensräume unserer Erde haben es in sich. Innerhalb dieser Ökosysteme tummeln sich unzählige Tier-, Pflanzen- und Mikroorganismenarten. Mikroskopisch kleine Algen in den oberen Schichten der Ozeane und Pflanzen an Land binden atmosphärischen Kohlenstoff (CO2) und produzieren daraus mittels Photosynthese Biomasse, also Pflanzenmaterial. Primärproduktion wird das genannt. Die Energie für diese Primärproduktion wird durchs Sonnenlicht geliefert.

Keine Sonne, keine Energie?

Unter der Erde gibt es kein Sonnenlicht, aber trotzdem Mikroorganismen, die Primärproduktion betreiben können. Sie ziehen die Energie für diesen Prozess aus der Oxidation anorganischer Verbindungen, zum Beispiel aus reduziertem Schwefel des umgebenden Gesteins. Bisher ist man davon ausgegangen, dass die Meere und oberirdische Landlebensräume die Ökosysteme mit der mit Abstand höchsten Primärproduktion auf der Erde sind.

Forschende der Friedrich-Schiller-Universität haben nun eine erstaunliche Entdeckung gemacht und ihre Studienergebnisse im renommierten Fachblatt Nature veröffentlicht. Sie führten genetische Analysen von Mikroorganismen im Grundwasser durch und stellten fest, dass die Kleinstlebewesen dort auch sehr erfolgreich Biomasse produzieren können.

"Die von uns gemessenen Mengen waren viel höher, als wir erwartet hatten", sagt der Erstautor der Studie Dr. Will Overholt, Postdoc an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Sie entsprechen Kohlenstofffixierungsraten, die in nährstoffarmen marinen Oberflächengewässern gemessen wurden, und sind bis zu sechsmal höher als die, die in den unteren Zonen des sonnenbeschienenen offenen Ozeans beobachtet wurden, wo gerade genug Licht für die Photosynthese vorhanden ist."

Klingt wenig, ist aber erstaunlich

Nach ihren Berechnungen schätzen die Forschenden, dass die Nettoprimärproduktivität von etwa 66 Prozent der Grundwasserreservoirs der Erde 260 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr betragen könnten. Das entspricht etwa 0,5 Prozent der Nettoprimärproduktion mariner Systeme und 0,25 Prozent der geschätzten globalen Nettoprimärproduktion.

"Das mag wenig klingen, aber diese Messungen stellen nur eine erste Schätzung des wahren globalen Wertes dar", sagt Letztautorin Prof. Dr. Kirsten Küsel von der Universität Jena und dem iDiv in Leipzig. "Da in diesen nährstoffarmen und ständig dunklen Lebensräumen nur sehr wenig Energie zur Verfügung steht, ist selbst ein geringer Anteil an der weltweiten Primärproduktion eine Überraschung."

Lebensgrundlage für das gesamte Grundwasserökosystem

Und was sind das jetzt für Organismen, die für die Bindung des Kohlenstoffes und die Erzeugung neuer Biomasse im Grundwasser verantwortlich sind? Die metagenomischen Analysen der Forschenden deuten darauf hin, dass es sich dabei auf sehr häufig vorkommende Mikroorganismen handelt, die aber nicht eng mit den bisher untersuchten Bakterien verwandt sind. Sie scheinen zu einer noch nicht klassifizierten Ordnung der "Nitrospiria" zu gehören.

"Es wird angenommen, dass diese Organismen als Nahrung die Lebensgrundlage für das gesamte Grundwasserökosystem mit all seinen Tausenden von Mikrobenarten bilden, ähnlich der Rolle, die Algen in den Ozeanen oder Pflanzen an Land spielen", so Overholt.

Und das Grundwasser ist eine unserer wichtigsten Quellen für sauberes Trinkwasser. Damit das so bleibt, muss das Grundwasserökosystem erhalten und verstanden werden. Die Forschenden der Uni Jena haben mit ihren Untersuchungen einen Teil dazu beigetragen.

Uni Jena/Jes

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