Baby am Laptop
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Hirnforschung Lernen Babys durch Überraschung?

19. Oktober 2019, 11:37 Uhr

Theta-Wellen in unserem Gehirn fördern Kreativität und sorgen dafür, dass wir uns konzentrieren und erinnern - also lernen können. Während sich Erwachsene abmühen, sie mit Meditation und Hypnose in Schwingung zu bringen, reichen bei Babys offenbar Überraschungsmomente. Das haben Wissenschaftler aus Leipzig, Berlin und Wien herausgefunden.

Für Babys ist vieles neu. Trotzdem haben sie im Laufe ihrer ersten Lebensmonate bereits bestimmte Erwartungen an ihre Umwelt. Werden diese nicht erfüllt, gibt es Tränen oder eben einen Überraschungsmoment. Was dabei im Gehirn geschieht und wie das das Lernen fördert, das haben Miriam Langeloh vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Moritz Köster von der Freien Universität Berlin und Stefanie Höhl von der Universität Wien herausgefunden. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden kürzlich in "Psychological Science" veröffentlicht.

Informationen als Schwingungen im Gehirn

Bekannt ist, was bei Erwachsenen im Gehirn passiert, wenn sie etwas lernen - also neue Informationen abspeichern. Bestimmte Schwingungen der rhythmischen Gehirnaktivität scheinen dabei eine besonders große Rolle zu spielen - der Theta-Rhythmus. Ob dieser auch schon Babys hilft, Neues und Überraschendes aufzunehmen und abzuspeichern, haben die Forscher im Rahmen ihrer Studie untersucht.

Dazu hatten sie neun Monate alte Babys mit ihren Eltern eingeladen, um sich Bildergeschichten anzusehen. Sie zeigten entweder Ereignisse, die zu erwarten waren oder die überraschten: Einen Ball, der auf einem Tisch liegen bleibt, oder ein Ball der durch den Tisch hindurchfällt. Oder:

Mann mit Brezel
... einen Mann, der eine Brezel in der Hand hält. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mann führt Brezel zum Mund
Der Mann führt die Brezel zum Mund. Das Baby erwartet, dass er sie auch isst. Bildrechte: MDR/MPI CBS

Mann führt Brezel zum Ohr
Dann führt der Mann die Brezel überraschenderweise zum Ohr. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Um herauszufinden, wie die Kleinen neue Informationen einspeichern, haben wir das Elektroenzephalogramm oder EEG während der Präsentation der Bilder abgeleitet.

Miriam Langeloh, MPI CBG

Die Babys bekamen also ein Häubchen auf, das die Hirnströme misst - die elektrischen Signale, die dem Informationsfluss zwischen den Nervenzellen zugrunde liegen. Je nachdem, welche kognitiven Prozesse gerade ablaufen, zeigen sich dann verschiedene Frequenzen auf dem Monitor.

Baby mit EEG
In einem Häubchen sind Sensoren angebracht, die die Hirnströme aufnehmen und dann an ein Messgerät, das EEG, weitergeben. Bildrechte: Nikolaus Brade / MPI CBS / MDR

Flackernde Bilder aktivieren auch bei Babys verschiedene Frequenzen

Die Forscher zeigten den Babys die Bildergeschichten schnell flackernd: mit vier Bildern pro Sekunde, um die Theta-Frequenz zu aktivieren, mit sechs Bildern pro Sekunde, um die Alpha-Frequenz zu aktivieren. Von Erwachsenen ist bekannt, das die für das Sehen verantwortlichen Hirnareale ihre Aktivität mit der Geschwindigkeit der gezeigten Bilder synchronisieren. Die Forscher konnten zeigen, dass auch das Gehirn der Babys auf das rhythmische Flackern der Theta- sowie der Alpha-Frequenz reagiert.

Lernen durch Überraschungen - Theta-Rhythmus springt bei unerwarteten Ereignissen an

Ein Test also mit zwei unterschiedlichen Frequenzen: einerseits mit Alpha-Frequenzen, die zum Beispiel auftreten, wenn wir eine Rechenaufgabe lösen. Andererseits mit Theta-Frequenzen, die sich zeigen, wenn wir aufmerksam sind und neues Wissen abspeichern. Das Ergebnis:

Nur der Theta-Rhythmus reagierte auf die überraschenden Momente. Daraus schließen wir, dass der Theta-Rhythmus bereits bei Babys für das Einspeichern neuer Informationen im Gehirn verantwortlich ist.

Moritz Köster, Freie Universität Berlin

Ob sich Lernprozesse bei Babys durch eine visuelle Anregung des Theta Rhythmus auch aktiv fördern lassen, wollen die Wissenschaftler in zukünftigen Studien weiter untersuchen.

Ein Mädchen, das eine Pause mit ihrem Cellos macht. 3 min
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