Meisennachwuchs im Nest
Wer früher schlüpft, erwischt auch schon die "frühen Würmer" Bildrechte: imago images / blickwinkel

Forschung Vogel-Sex: Licht und Lärm verändern alles

12. November 2020, 16:19 Uhr

Der frühe Vogel fängt den Wurm, denn der frühe Wurm ist auch schon da. Wer also früher brütet, kriegt die Jungen eher satt. Wer dagegen weiter nach der alten inneren Uhr tickt, und später brütet, dem verhungert der Nachwuchs vielleicht. So könnte man das beschreiben, was eine US-Studie jetzt anhand von gewaltigen Datensätzen und Citizen Science-Untersuchungen herausgefunden hat: Nämlich, wie die Vögel auf Licht und Lärm reagieren.

Sie sorgen dafür, dass wir uns nachts auf dunkeln Wegen nicht gruseln, über Stock und Stein stolpern oder vom Weg abkommen: Laternen. Sie sind Teil der Lichtverschmutzung, wenn auch nur ein kleiner, hatten wir erst kürzlich berichtet. Mehr Einfluss auf den Grad der nächtlichen Helligkeit auf der Erde haben dagegen hell erleuchtete Fenster, Fassaden oder Schilder. Aber was ist mit den Auswirkungen auf die Natur, Pflanzen und Tiere? Forscher in den USA haben jetzt untersucht, wie Licht und Lärm die Vogelwelt beeinflussen. Studienhauptautor Clinton Francis, Biologe und Ökologe an der California Polytechnic State University, sagt: "Unsere Studie liefert den umfassendsten Beweis dafür, dass Lärm und Licht die Fortpflanzung von Vögeln tiefgreifend verändern können."

Kettenreaktionen im Nest

Sein Team fand heraus, dass die Vögel durch Lichtverschmutzung in offenen Umgebungen wie Grasland oder Feuchtgebieten bis einen Monat früher mit dem Nisten beginnen, in bewaldeten Umgebungen 18 Tage früher. Theoretisch könnte dieses unpassende Timing Folgen haben.

Küken schlüpft aus Ei
Schlupfzeit kann entscheidend sein Bildrechte: Colourbox.de

Dann nämlich, wenn Küken schlüpfen, ohne dass in der Natur die passende Nahrung, Insekten oder Pflanzen, vorhanden ist. Dadurch wiederum könnten theoretisch weniger Vögel überleben. Und an der Stelle kommt der Klimawandel ins Spiel: Die wärmeren Temperaturen sorgen dafür, dass es früher im Jahr warm wird, was sich wiederum auswirkt auf die "innere Uhr" bei Insekten und Pflanzen, deren Entwicklungszyklen sich auch entsprechend zeitlich verschieben. So muss also der früher ausgebrütete Vogelnachwuchs nicht verhungern. Biologe Clinton Francis erläutert das im Fachmagazin Science Daily:

Wir haben entdeckt, dass die Vögel, die als Reaktion auf die erhöhte Lichtverschmutzung den Zeitpunkt ihrer Fortpflanzung vorverlegt haben, tatsächlich einen besseren Fortpflanzungserfolg haben.

Prof. Clinton Francis

Manche Vögel profitieren von Licht und Lärm

Verdanken die Vögel also der Lichtverschmutzung bessere Bruterfolge? Eine mögliche Interpretation, sagt Professor Francis. Daraus lässt sich aus Forschersicht zweierlei folgern: Vögel in Gebieten mit Lichtverschmutzung kommen mit dem Klimawandel zumindest vorübergehend besser zurecht, als Vögel in natürlichen Lebensräumen ohne Lichtverschmutzung. In Sachen Lärm haben dagegen Vögel in menschenfernen Landschaften bessere Karten. Lärmbelästigung verzögert nämlich der Studie zufolge das Nisten. Warum? Ihr Gesang ist durch menschlichen Lärm schwerer zu hören. Und da spielt dann hinein, in welchen Ton-Frequenzen die Männchen werben und mit wie viel menschlichem Lärm sie im gleichen Frequenzspektrum konkurrieren.

Aber warum haben nicht einfach alle Vögel früher Sex?

Und warum ist nun die eine Art erfolgreicher bei der Brut als eine andere? Die Forscher vermuten, nachdem sie sich das bei 27 Arten genauer angeschaut haben: Dahinter stecken physische Voraussetzungen einzelner Arten, was deren natürliches Sicht- und Hörvermögen angeht. Mit anderen Worten: Wer besser sieht oder hört, hat mehr vom Leben.

Die Studienarbeit hat das Fachmagazin nature veröffentlicht.

(lfw)

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