Zu viel, zu hell Insekten sterben durch künstliches Licht

Der Hallenser Bahnhof wimmelt tagsüber vor Menschen und der neue Rangierbahnhof nachts vor Insekten. Die fliegen nämlich auf dessen Beleuchtung - 1.000 LED-Lampen. Umweltschützern und Lichtforschern sind die ein Dorn im Auge.

Viele leere Gleise in einem Bahnhof
Bildrechte: MDR/Maria Hendrischke

Für gewöhnlich sind nachts 10.000 Insektenarten unterwegs. Theoretisch orientieren sich die Mücken und Falter an Sternen und Mond. Praktisch stehen allerorts Lampen und Laternen und die Tiere wissen nicht wohin. Sie können den Mond nicht mehr von der Lampe unterscheiden und strömen in Richtung Licht. Umweltschützer beobachten die stetige "Erhellung" der Nächte skeptisch, wie zum Beispiel Ökohydrologe Dr. Franz Hölker vom Leibnitz Institut IGB in Berlin. Im Gespräch mit MDR Wissen beleuchtet er das Problem so:

Sie müssen sich das wie einen Staubsauger vorstellen, der in die Dunkelheit gestellt wird. So eine ähnliche Funktion haben Straßenbeleuchtungen mittlerweile.

Dr. Franz Hölker, IGB Berlin
Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus) im Netz hängend im Licht einer Laterne
Spinne wartet auf Beute unterm Laternenlicht Bildrechte: IMAGO

Von der Wirkung eines Staubsaugers sprechen die Forscher, weil die Insekten aus ihrem eigentlichen Lebensumfeld, also von da, wo sie hingehören, quasi "weggesogen" werden. Geblendet, desorientiert und irgendwann völlig erschöpft sterben sie unter den Laternen oder werden gefressen, denn schließlich gibt es auch Lebewesen, die von dem Licht profitieren: Spinnen zum Beispiel, die sich scharenweise im Bereich von Straßenlaternen ansiedeln. Normalerweise könnten die gar nicht in dieser Dichte leben, sagt Hölker, aber unter den Laternen zum Beispiel profitieren sie von den desorientierten Insekten "wie an einem Buffet." In den ursprünglichen Habitaten der Insekten dagegen fehlen sie.

Gefährliches Licht - lange unbeleuchteter Faktor

Wie viele Insekten tatsächlich im Lichtermeer sterben, wissen die Forscher noch nicht. Allerdings konnten sie aus den Daten der Krefelder Studie zum Insektensterben einen wichtigen Hinweis herausfiltern, dass nicht nur Klima und Lebensraum für den Rückgang verantwortlich sein könnten, sondern auch die Lichtverschmutzung. Lichtquellen sind nämlich ein bisher vernachlässigter Grund für das Insektensterben. Das Aktionsprogramm der Bundesregierung zum Insektenschutz, das im Juni 2018 beschlossen wurde, hat den Punkt "Lichtverschmutzung eindämmen" inzwischen aufgenommen, neben anderen Maßnahmen wie verringerter Pestizid-Einsatz und Stärkung von Naturschutzgebieten.

Forscher Franz Hölker betont, dass man aber nicht alle Schuld auf die LED-Lampe schieben könne. "Das Problem ist, dass LEDs relativ unkritisch verwendet werden. Das sehen wir weltweit mehr und mehr. Wir haben gerade einen Technologiesprung und wie in der Vergangenheit, wird das oft nicht genutzt, um nachhaltiger zu beleuchten, sondern es wird mehr beleuchtet." Dabei müssen LED-Lampen gar nicht so hell sein. Sie können auch warmes Licht erzeugen. Die Lampen sollen außerdem nur nach unten strahlen. Dann wäre der Schaden schon um einiges geringer. Manche seien gänzlich überflüssig. Großprojekte - wie der Bahnhof in Halle - sollten daher künftig nicht nur Lärm-Grenzwerte einhalten, sondern auch Licht-Grenzwerte.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Radio | 24. August 2018 | 12:20 Uhr