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Bei einer Autopsie fanden Forschende bei einem Verstorbenen noch 230 Tage nach der Coronainfektion vermehrungsfähige Viren im Gehirn. Bildrechte: IMAGO / Alexander Limbach

Sars-CoV-2Long Covid: Corona sieben Monate nach Infektion im Gehirn gefunden

22. Dezember 2022, 10:08 Uhr

US-Forscher haben an und mit Corona Verstorbene untersucht. Sie fanden vermehrungsfähige Viren unter anderem in Herz, Darm und Nieren aber auch im Gehirn – sogar bei Patienten, die keine Symptome gehabt hatten.

Wie kommt es, dass bei manchen Menschen Symptome weit über das Ende einer akuten Covid-19 hinaus anhalten? Wissenschaftler verfolgen zum Phänomen von Long- und Post-Covid zwei mögliche Erklärungen: Einerseits könnte eine Überreaktion des Immunsystems ungewollte Schäden im Körper hervorrufen. Zweitens könnte auch das Virus noch aktiv sein, auch wenn es bei Antigenschnelltests oder PCR nicht mehr nachgewiesen werden kann. Für letztere Theorie hat nun ein Team von Forschenden der US National Institutes of Health (NIH) neue, starke Belege gefunden.

Vermehrungsfähige Viren im Gehirn über ein halbes Jahr nach der Infektion

Im Fachmagazin Nature berichtet die Gruppe um die Biomedizinerin Sydney Stein über 44 Patienten, die mit oder an Covid-19 gestorben waren. Bei 38 davon war die Infektion vor dem Tod bekannt. Bei sechs war sie erst nach dem Ableben festgestellt worden. Zwei Patienten, die an anderen Ursachen gestorben waren, hatten nur von milden oder gar nicht von Symptomen berichtet, darunter auch ein Jugendlicher, der an einem neurologischen Leiden gestorben war.

Durch die umfangreiche Entnahme von Proben aus verschiedenen Organen, darunter auch dem Gehirn, stellten die Forschenden dann aber fest: Der Junge hatte das Virus überall im Körper gehabt. Bei einem anderen Patienten fanden die Wissenschaftler vermehrungsfähige Viren im Gehirn, obwohl dort der Beginn der Symptome bereits 230 Tage, also über sieben Monate, zurücklag.

Die Untersuchungsgruppe44 verstorbene, ungeimpfte Patienten

Todeszeitpunkt zwischen 26. April 2020 und 2. März 2021

Altersschnitt 62,5 Jahre

30 Prozent Frauen

Über 60 Prozent mit Vorerkrankungen

17 Patienten verstarben in den ersten 14 Tagen der Infektion

13 Patienten starben zwischen Tag 15 und Tag 30

14 Patienten starben erst nach Tag 31

Der letzte Patient starb 230 Tage nach Beginn der Infektion

Bei 38 Patienten fanden sich Antikörper gegen das Virus, 3 hatten keine Antikörper, bei 3 fehlten die Daten

Viren hatten sich durch die Blutbahn ausgebreitet

Eine Reihe von Patienten war dagegen schon kurz nach der Ansteckung an einem schweren Verlauf gestorben. Aber auch hier fanden die Wissenschaftler Viren in allen möglichen Gewebearten. Zwar fanden sie die höchste Viruslast in den Atemwegen, aber auch in Herzmuskelzellen, in den Nebennieren, im Darm und im zentralen Nervensystem konnten die Viren sich offenbar vermehren.

Zum einen vermuten die Autoren der Studie, dass sich das Virus kurz nach der Ansteckung in einer sogenannten virämischen Phase im ganze Körper ausgebreitet hatte. Die Viren hatten also offenbar die Blutbahn und von dort aus andere Gewebetypen erreicht. Zum anderen gab es aber auch Patienten, bei denen die Viren nicht mehr im Blutplasma, dafür aber nur noch im Gehirn nachweisbar waren. Das zeige, dass Sars-CoV-2 sich in diesen Gewebetypen vermehren könne und nicht nur durch das Blut angeschwemmt werde.

Bei einer speziellen Analyse des Viruserbguts von verschiedenen Probeentnahmestellen des gleichen Patienten zeigte sich auch: Die Viren waren genetisch identisch, gehörten also zu ein und derselben Infektion und waren nicht durch mehrere Ansteckungen aufgenommen worden.

Virusvermehrung tief im Körper über mehrere Monate möglich

Die Untersuchung bestätigt damit eine Reihe vorangegangener Studien, die bereits gezeigt haben, dass sich Corona zu einer Multi-Organkrankheit entwickeln kann. Im Vergleich zwischen den unterschiedlichen Todeszeitpunkten zeigte sich dabei: Je später die Personen verstorben waren, desto niedriger war die Viruslast in den Atemwegen, und umso höher war sie in anderen Organen.

Interessanterweise zeigte der Jugendliche mit den Viren im ganzen Körper keine Anzeichen für PIMPS oder MISC, den seltenen schweren Entzündungsreaktionen bei Kindern und Jugendlichen. Die Viren hatten bei ihm außerhalb der Atemwege keine Entzündungen provoziert. Eine solche Multi-Organinfektion kann also mitunter unbemerkt vonstattengehen.

"Wir konnten die Virusreplikation in den ersten zwei Wochen nach Auftreten der Symptome an mehreren Stellen außerhalb des Atemtrakts nachweisen. In 14 von 27 Fällen konnten wir nach Tag 14 in mindestens einem Gewebe subgenomische RNA der Viren nachweisen. Das deutet darauf hin, dass die Virusreplikation in nicht-respiratorischen Geweben über mehrere Monate hinweg stattfinden kann."

Einschränkung: Alle Untersuchten waren ungeimpft und mit dem Wildtyp-Virus infiziert

Einschränkend muss zu der Analyse allerdings gesagt werden, dass alle Verstorbenen mit der Ursprungsvariante des Virus infiziert waren, die deutlich häufiger für schwere Verläufe gesorgt hatte. Auch waren alle Toten nicht geimpft gewesen. Daher lassen die Ergebnisse nur sehr eingeschränkt Aussagen darüber zu, was bei einem Omikron-Impfdurchbruch geschieht. Zudem waren die meisten Verstorbenen ältere Personen. Insofern kann es sein, dass die Infektion bei jüngeren meist anders abläuft.

Links/Studien

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