Demokratie Wie beeinflussen soziale Medien die Demokratie?

20. August 2019, 12:54 Uhr

Im Zeitalter der Zeitungen waren es die Journalisten, die täglich entschieden, welche Inhalte an die Öffentlichkeit gelangen. Sie waren die sogenannten Gatekeeper, sprich Türöffner. Doch soziale Medien bieten nun jedem Menschen mit Internetzugang die Möglichkeit, die Arena zu betreten und selbst Inhalte zu veröffentlichen. Die Hürde, am öffentlichen Diskurs teilzunehmen, sinkt.

Allerdings steigt damit die Anzahl an Falschinformationen. Über die Hälfte der Nutzer (55 Prozent) machen sich Sorgen darüber, ob sie sie eine gefälschte Information von einer wahren unterscheiden können. Dieser Wert stammt aus einer Umfrage mit 75.000 Teilnehmenden aus 38 Ländern, durchgeführt vom Reuter Institut. Sie entwickelten den "Digital News Report 2019", welcher sich mit der Informationsverbreitung über das Internet befasst.

Social Media als Quelle für politische Informationen

Heutzutage funktionieren Suchmaschinen und Algorithmen als neue Gatekeeper. Algorithmen wählen Inhalte aufgrund von individuellen Präferenzen und Nutzerverhalten von einzelnen Nutzern und Nutzergruppen aus und präsentieren diese dem jeweiligen Publikum. Somit wird das Angebot an den individuellen Nutzer angepasst.

Forscherinnen und Forscher der TU Dresden erstellten einen Literaturüberblick, bezüglich der Auswirkungen dieser von Algorithmen ausgewählten Nachrichten in unserer Gesellschaft. Aus dem "Digital News Report 2017" geht hervor, dass vor allem junge Menschen ihre Nachrichtennutzung und politischen Diskussionen in die Sozialen Netzwerke verlagern. Da Google, Facebook und Twitter ihre Informationsauswahl auf Algorithmen stützen, können diese das Angebot und die Nutzung politischer Informationen steuern. In Deutschland nutzten 29 Prozent der Befragten Soziale Medien als Nachrichtenquelle. In Portugal und Spanien lag dieser Wert noch deutlich höher bei 62 bzw. 58 Prozent, so die Ergebnisse des "Digital News Report 2017". Facebook gilt dabei als wichtigste Nachrichtenquelle im Bereich der Sozialen Medien.

Welche Folgen kann die Nachrichtenauswahl durch Algorithmen haben?

Das Forschungsteam um den Kommunikationswissenschaftler Lutz M. Hagen identifizierte einige negative Folgen, die mit der Informationsauswahl durch Algorithmen im politischen Kontext einhergehen können.

Eine Gefahr könnten Filterblasen darstellen. Da die Auswahl der dargestellten Informationen auf dem individuellen Nutzerverhalten und den Präferenzen basiert, wird man nicht mit kontroversen Perspektiven konfrontiert. Man befindet sich in der sogenannten Filterblase, in der den eigenen Ansichten nur selten widersprochen wird. Dadurch kann es zur Polarisierung kommen, denn die eigene Einstellung wird immer weiter gestärkt. In Bezug auf Politik funktioniert das allerdings besonders gut in einem Zwei-Parteien-System wie in den USA, in dem eine eindeutige politische Gegenseite existiert. Eine bereits bestehende Polarisierung könnte also durch die Mechanismen der Sozialen Medien verstärkt werden.

In einer Studie zur Thematik "Polarisierung durch Soziale Medien" konnte das Forschungsteam aus Dresden nachweisen, dass die Nutzung Sozialer Netzwerke der Polarisierung in Bezug auf eine politische Thematik Vorschub leisten kann. Allerdings nur bei denjenigen, die über eine geringe formale Bildung verfügen. Infolge dessen betonen sie die Bedeutung von Medienbildung, um einer gesellschaftlichen Spaltung im digitalen Zeitalter entgegenwirken zu können. Weiterführende Forschung zu dieser Thematik ist allerdings dringend notwendig.

Mehr Teilnehmer am öffentlichen Diskurs?

Ein Beispiel für ein privates Angebot, was zu einem wichtigen Akteur in der politischen Berichterstattung wurde, ist der Blog "Netzpolitik". Ein weiteres Beispiel ist das Video des YouTubers Rezo, in welchem er als Privatperson heftige Kritik an Parteien äußerte und damit über 15 Millionen Aufrufe erzielte.

Der schwedische Forscher Nils Gustafsson fand bei einer Untersuchung heraus, dass bereits politisch aktive Menschen die Plattform Facebook auch häufiger zur politischen Kommunikation nutzen. Menschen, die sich weniger für Politik interessieren wurden durch Facebook allerdings nicht zur Partizipation angeregt.

Auf Facebook, Twitter und selbst auf Instagram finden sich Beispiele, wie junge Menschen sich für Politik interessieren und damit in die Diskussion einmischen. Wir haben hier drei ausgewählt, die wir exemplarisch verlinken.

Wer dominiert den Online-Diskurs?

Die Social-Media-Analysefirma Alto analysierte in Zusammenarbeit mit NDR und WDR in einer 2019 veröffentlichten Studie etwa 9,65 Millionen deutschsprachige Beiträge von 756.000 Nutzern aus den Sozialen Netzwerken. 47 Prozent der politischen Diskussionen wiesen eine thematische Verbindung zur AfD und zu rechten Themen auf. Die Beiträge befassten sich sowohl positiv als auch kritisch mit der Partei.

Alle anderen Parteien des Bundestags kamen auf nur 23 Prozent der Beiträge. Die Verteilung der Parteien, auf die in den Beiträgen Bezug genommen wird, stimmt nicht mit der Verteilung der Einstellung in Bezug auf bestimmte Parteien der untersuchten Nutzer überein. Wie kommt das zustande? Posten Nutzer, die sich dem rechten Spektrum zuordnen lassen, einfach mehr?

Die Studie machte in ihrer Analyse 168 Nutzer aus, die für rund jeden zehnten Beitrag verantwortlich sind. Die Forscher vermuten hinter diesen Accounts sogenannte Bots, also Nutzerkonten mit einer automatischen Steuerung. Dreiviertel der auffälligen Accounts wurden dem rechten Spektrum zugeordnet. Die Social-Media-Analysefirma Alto stellte keinen Zusammenhang zwischen den auffälligen Accounts und der AfD fest. Abschließend lässt sich jedoch sagen, dass die für den Nutzer schwer identifizierbaren Bots die öffentliche Debatte in den Sozialen Medien erheblich mitbestimmen können.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Mehr Bürger an die Macht | 25. August 2019 | 22:15 Uhr