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Hirnforschung Gehirn speichert Erinnerungen in mehreren Kopien

26. August 2024, 14:35 Uhr

Einfache Sicherheitskopien, wie man sie am Computer macht, sind es nicht, die das Gehirn anlegt, wenn es eine Erinnerung speichert. Denn die Kopien sind nur anfangs identisch und verändern sich dann unterschiedlich stark.

Es sind zwar "nur" Untersuchungen an den Gehirnen von Mäusen gewesen, aber die Wissenschaftler um Flavio Donato vom Biozentrum der Uni Basel (Schweiz) sind überzeugt, dass die Erinnerungsbildung beim Menschen genauso oder zumindest sehr ähnlich funktioniert. Demnach wird ein einziges Ereignis parallel in mindestens drei verschiedenen Gruppen von Neuronen im Hippocampus gespeichert. Diese Neuronengruppen unterscheiden sich in ihrem Alter. Die ältesten wurden schon recht früh in der embryonalen Entwicklung gebildet, die jüngsten deutlich später. Und je nachdem, wie alt die Neuronen sind, unterscheiden sich die Erinnerungskopien.

Neuronen, die früh in der Entwicklung entstehen, speichern ein Ereignis langfristig. Ihre Gedächtniskopie ist anfangs so schwach, dass sie nicht vom Gehirn abgerufen werden kann. Im Laufe der Zeit wird die gespeicherte Erinnerung jedoch immer stärker. Auch beim Menschen würde das Gehirn erst nach einiger Zeit auf diese Kopie zugreifen können. Im Gegensatz dazu ist die Gedächtniskopie desselben Ereignisses, die von den spät entwickelten Neuronen erstellt wird, anfangs sehr stark, verblasst aber mit der Zeit, so dass das Gehirn auf diese Kopie nach längerer Zeit nicht mehr zugreifen kann. Bei einer dritten Gruppe von Neuronen, die zeitlich zwischen den frühen und späten Neuronen gebildet werden, ist die angelegte Kopie fast gleichbleibend stabil.

Drei Kopien, die Erinnerungen unterschiedlich speichern

Die drei unterschiedlichen Erinnerungskopien unterscheiden sich also vor allem darin, wie leicht sie sich verändern lassen und an neue Erfahrungen der Umwelt angepasst werden können. Erinnerungen, die von den späten Neuronen nur kurz gespeichert werden, sind sehr formbar und können umgeschrieben werden. Wenn wir kurz nach einem Erlebnis wieder daran denken, werden die späten Neuronen aktiv und integrieren neue Informationen in die ursprüngliche Erinnerung. Wenn wir uns hingegen erst nach langer Zeit an dieses Ereignis erinnern, rufen die frühen Neuronen ihre Erinnerungskopie hervor, die dann aber kaum noch veränderbar ist.

"Sich zu erinnern, ist für das Gehirn eine enorme Herausforderung und eine beeindruckende Leistung", sagt Forscher Flavio Donato. "Einerseits muss es sich an vergangene Ereignisse erinnern, damit wir uns in der Welt, in der wir leben, zurechtfinden können. Andererseits muss es die Erinnerungen an die Veränderungen um uns herum anpassen, damit wir richtige Entscheidungen treffen können."

(rr)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 15. August 2024 | 17:01 Uhr

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