Invasive Arten Quaken bald Krallenfrösche in Europas Teichen?
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26. Januar 2021, 12:03 Uhr
Kennen Sie den Krallenfrosch? Früher hat man afrikanische Krallenfrösche benutzt, um herauszukriegen ob eine Frau schwanger war. Spritzte man den Weibchen den Urin einer Frau, legte das Froschweibchen im Schwangerschafts-Fall Eier. Aus den Laboren sind die Schwangerschafts-Frösche längst verschwunden, jetzt quaken sie in der Natur – auf vier Kontinenten – und haben das Zeug dazu sich richtig breit zu machen, auch in Europa. Aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind sie noch nicht bekannt.
Der afrikanische Krallenfrosch ist in Europa offenbar stärker auf dem Vormarsch als man bisher wusste. Ein Forschungsteam des Leibniz-Institutes für Biodiversität der Tiere in Bonn kommt anhand eines neuen Berechnungsmodells zu dem Schluss: Zwei Millionen Quadratkilometer in Europa eignen sich für den Krallenfrosch als Lebensraum. Das ist knapp die Hälfte des Kontinents und doppelt so viel wie man bisher als potenziell geeigneten Lebensraum für die Frösche angenommen hatte. Besonders Süd- und Westeuropa sind den Forschern zufolge besonders geeignet für diese Frösche. Auch einzelne Regionen in Deutschland eignen sich klimatisch demnach als Lebensraum.
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Hier wurde er noch nicht gesehen
Forscher Philipp Ginal, der an den neuen Rechenmodellen gearbeitet hat, gibt vorläufige Entwarnung für die MDR-Region. Auf Anfrage von MDR WISSEN erklärt er: "Unsere Modelle sagen vorher, dass vor allem die westlichen Bundesländer gefährdet sind, also zum Beispiel NRW, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Glücklicherweise sind uns bisher noch keine Populationen oder Einzeltiere in Deutschland bekannt geworden." Das klingt auf den ersten Blick beruhigend, trotzdem ist es nicht auszuschließen, dass sich auch andernorts Populationen entwickeln. Ginal erklär, warum:
Die Frösche sind auch nur schwer nachzuweisen, da sie im Gegensatz zu unseren heimischen Fröschen nahezu ausschließlich im Wasser leben und nur unter Wasser rufen und somit über Wasser für uns nicht gut hörbar sind.
Eindrucksvoll zeigt sich das am Beispiel Portugal: Die dort etablierte Population wurde den Wissenschaftlern zufolge erst etwa 25 Jahre nach ihrer Einschleppung entdeckt, obwohl die Tiere dort in zwei Flüssen vorkommen, die durch stark besiedelte Gebiete verlaufen.
Der Schwangerschaftstest mit Frosch
In Europa Fuß gefasst hat Xenopus laevis, der Krallenfrosch, schon vor langer Zeit. Nicht weil er selbst neuen Lebensraum suchte oder sich einem anderen Klima anpasste, sondern weil die Tiere für medizinische Zwecke eingesetzt wurden – in der Forschung und vor allem als Anzeiger für Schwangerschaften. Eine Methode, die in den 1930er- und 1940er-Jahren entwickelt worden ist. Wurde den Froschweibchen nämlich der Urin einer Frau injiziert, legten sie ein oder zwei Tage später Eier – ihre körperliche Reaktion auf das humane Schwangerschaftshormon Choriongonadotropin.
Auch mit den Froschmännchen funktionierte das, wenn man in ihren Lymphsack kleine Mengen Urin spritzte, produzierten sie sogar schon drei Stunden später Sperma. Ob Männchen oder Weibchen – die Frösche überlebten diese Prozedur und konnten nach mehrwöchiger Erholungspause für den nächsten Test benutzt werden. Bis Ende der 1950er-Jahre andere Tests entwickelt wurden, für die keine Frösche mehr gebraucht wurden.
Der Froschtest zur Schwangerschaftsanzeige ist Geschichte, genau wie quakenden Amphibien in den Hinterzimmern der Arztpraxen und Apotheken. Aus Europa verschwunden sind sie trotzdem nicht. Im Gegenteil – inzwischen ist die ursprünglich afrikanische Frosch-Art auf vier Kontinenten Zuhause. Krallenfrosch-Populationen sind in Europa beispielsweise aus Frankreich, Portugal und Spanien bekannt.
In französischen Krallenfrosch-Populationen wurde inzwischen beobachtet, dass sich die Frösche bereits verändern und den regionalen Klimabedingungen anpassen. Die Ausbreitung dieser Froschart geht mit den üblichen Begleiterscheinungen invasiver Arten einher: Sie sind einerseits Nahrungskonkurrent für einheimische Froschpopulationen und gleichzeitig Fressfeinde ohne passende Gegenspieler im jeweiligen Ökosystem. Und sie hatten offenbar einen Pilz im Gepäck, gegen den sie selbst immun sind, der aber andere Arten in kürzester Zeit dahinrafft: Batrachochytrium dentrobatitis. Er gilt als Hauptverursacher des weltweiten Amphibienrückgangs.
lfw