Corona Long Covid kann weiterhin nicht schnell diagnostiziert werden

18. August 2024, 12:55 Uhr

In einer großen Studie in den USA wurde versucht, eindeutige Biomarker aufzuspüren, die bei typischen Laboruntersuchungen zeigen, ob Patienten an den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion leiden oder nicht. Ohne Erfolg. Post-Covid entzieht sich damit weiterhin einer schnellen Diagnose.

Mann mit Brille und Kopfhörern vor einem Mikrofon
Bildrechte: Robert Rönsch

"Ihre Laborwerte sind da. Der Verdacht hat sich bestätigt. Sie haben Long Covid." Nicht, dass es schön wäre, diese Sätze gesagt zu bekommen. Aber aus medizinischer Sicht wäre es gut, sie aussprechen zu können. Eine klare Diagnose, schnelle Gewissheit nach einer routinemäßigen Laboruntersuchung. Aber nein, bei Long Covid ist und bleibt das Fehlanzeige.

Und das, obwohl die Voraussetzungen einer neuen Studie sehr gut waren. Denn in den USA gibt es das Programm RECOVER ("Researching Covid to Enhance Recovery", also sinngemäß "COVID-Forschung für eine schnellere Genesung"), das 2021 vom Kongress ins Leben gerufen und mit 1,15 Milliarden US-Dollar finanziert wurde. In diesem Programm wurden Daten von Zehntausenden Patienten erhoben, ganz systematisch, schematisch und vergleichbar – und damit ideal für Beobachtungsstudien. So eine Studie wurde nun abgeschlossen. Ziel war, in typischen klinischen Labortests Biomarker zu identifizieren, deren erhöhte oder verringerte Werte anzeigen: Dieser Patient hat Long Covid.

Eine Expertin im Studio 13 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

ARD Mittagsmagazin Di 20.02.2024 12:10Uhr 12:55 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

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Daten von mehr als 10.000 Menschen flossen ein. Menschen mit früherer Corona-Infektion (mindestens sechs Monate vor dem Labortest) und Menschen ohne (als Vergleichsgruppe), Menschen mit starken mutmaßlichen Long Covid-Symptomen und Menschen ohne Symptome. Alle ethnischen Hintergründe waren angemessen vertreten, ebenso alle Altersgruppen, Frauen und Männer. Wirklich ideale Voraussetzungen.

Unterschiede bei Laborwerten lassen vielleicht Rückschluss auf Infektion zu, aber nicht auf Long Covid

Herausgefunden wurde, dass Menschen mit einer früheren SARS-CoV-2-Infektion eine etwas niedrigere durchschnittliche Thrombozytenzahl, einen etwas höheren mittleren Hämoglobin-A1c-Wert (sogenannter Langzeit-Blutzucker) und ein etwas größeres Albumin-Kreatinin-Verhältnis im Urin haben als Menschen ohne bekannte frühere Infektion. Immerhin. Aber das hilft eben bestenfalls dabei, zu bestimmen, ob jemand mal das Virus in sich trug.

"Bestenfalls", weil die Studienautoren einschränkend sagen, dass sie nicht beweisen können, dass die veränderten Werte ihre Ursache in der Virusinfektion hatten. Theoretisch wäre auch denkbar, dass die Menschen diese Werte schon zuvor hatten und damit vielleicht empfänglicher für eine Infektion waren. Und noch eine Einschränkung bezüglich des Hämoglobin-A1c-Wertes kam hinzu: Die Unterschiede dort verflüchtigten sich nahezu, nachdem man Menschen mit einer Diabetes-Vorerkrankung aus den Ergebnissen herausgerechnet hatte.

Und über Long Covid kann man mit den Untersuchungen überhaupt keine Aussagen treffen. Ganz egal, wie viele Symptome ein Mensch hatte: Die Laborwerte unterschieden sich nicht signifikant von denen von Menschen ohne Symptome. Eingeteilt wurden die Gruppen dabei nach dem in den USA etablierten PASC-Index oder PASC-Score. Den könnte man einfach mit Long Covid-Symptom-Index übersetzen, wobei unterschiedliche Symptome unterschiedlich viele Punkte einbringen – je typischer das Symptom, desto mehr Punkte.

Verglichen wurden dann die Werte zweier Extremgruppen: Einerseits Menschen mit mindestens zwölf Punkten im Symptom-Index (1.880 Probanden), andererseits Menschen mit null Punkten (3.351 Probanden). Aber wie gesagt, keine Unterschiede. Und so ist das wichtigste Ergebnis der Studie ebenso kurz wie ernüchternd formuliert: "Insgesamt wurde kein Hinweis darauf gefunden, dass einer der 25 in dieser Studie untersuchten klinischen Routinelaborwerte als klinisch nützlicher Biomarker für Post-Covid beziehungsweise Long Covid dienen könnte."

Andreas Stallmach, Leiter des Post-COVID-Zentrums am Uni-Klinikum Jena, lobt Aufbau und Umfang der Studie. Das ernüchternde Ergebnis findet er nicht überraschend. Auch aus seinem Alltag weiß er, dass es zwar Biomarker gibt, die auf Long Covid hindeuten, die aber eben in normalen Labortests nicht nachzuweisen seien, sondern nur mit sehr komplexen und teuren wissenschaftlichen Untersuchungen. Alltagstaugliche Tests, die bei allen Patienten durchgeführt werden können, sind und bleiben ein Traum.

Die Mediziner Annukka Antar und Paul Auwaerter, die die neue Studie für das Magazin "Annals of Internal Medicine" in einem Leitartikel einschätzen, schreiben, es seien noch Fragen offen, die nicht genügend untersucht wurden. Zum Beispiel, wie gut die Definition von Long Covid in dieser Studie mit dem übereinstimmt, was im klinischen Alltag zu beobachten ist. Und ob vielleicht wenigstens die Schwere der Symptome mit den Laborwerten korreliert. Und ob es vielleicht geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Werten gibt. Und ob sich die Laborwerte in einem kürzeren Zeitraum nach der Infektion (nicht mindestens sechs Monate wie in der Studie) vielleicht doch unterscheiden würden.

Long Covid: "Vertrauen inmitten der Ungewissheit schaffen"

Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt. Ärztinnen und Ärzte müssen aus Sicht von Antar und Auwaerter weiterhin das tun, was sie in der Vergangenheit getan haben: "Tests anordnen, um alternative Erklärungen auszuschließen, anstatt sofort Long Covid zu diagnostizieren", wie sie schreiben. Wichtig sei außerdem, "dass wir die Symptome mit Einfühlungsvermögen anerkennen und einen Plan für das Symptommanagement erstellen, der inmitten der Ungewissheit eine Grundlage für Vertrauen und Hoffnung schafft."

A propos Hoffnung: Die schwindet in den USA gerade ein wenig. Denn die 1,15 Milliarden Dollar Forschungsgeld seien nahezu aufgebraucht, schreiben Antar und Auwaerter. Die medizinische Gemeinschaft solle sich deshalb gemeinsam mit den Patienten für eine weitere Finanzierung der Long Covid-Forschung einsetzen. Denn beim Verstehen der Krankheit, bei Diagnose und Heilung gebe es noch sehr viel zu tun.

Immerhin geht seit der Vorherrschaft der Omikron-Varianten des Virus die Rate der Long Covid-Betroffenen zurück. In den USA haben gemäß Studie "nur noch" 3,5 Prozent aller Omikron-Infizierten Langzeit-Beschwerden, früher war der Anteil deutlich höher. Am Post-Covid-Zentrum in Jena ist der gleiche Trend zu beobachten. Leiter Andreas Stallmach sagt, dass er nur relativ wenige Patienten habe, deren Infektion kurze Zeit zurückliege. Die meisten hätten sich im ersten oder zweiten Corona-Jahr infiziert und jetzt, drei bis vier Jahre später, immer noch starke Beschwerden.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | Thüringen Journal | 12. August 2024 | 19:10 Uhr

2 Kommentare

MDR-Team vor 7 Wochen

Hallo GinGin,
hier ist von Long-Covid die Rede. Zu unterschieden sind die genannten Beschwerden von denen der Impfreaktionen:
Laut Robert Koch-Institut gehören Schmerzen an der Einstichstelle, Ermüdung, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Schüttelfrost zu den normalen Reaktionen auf eine Impfung mit den in Deutschland zugelassenen mRNA-Covid-19-Impfstoffe.

Anders als bei direkten Impfreaktionen, kommen die Symptome bei Post-Vac meist erst zwei bis drei Wochen nach der Impfung zum Vorschein. Wegen der ähnlichen Symptomatik zu Long-Covid, also den anhaltenden Beschwerden nach einer Corona-Infektion, wird das „Post-Vac-Syndrom“ teilweise medial auch als „Long-Covid nach COVID-19-Impfung" bezeichnet. Häufig treten Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Übelkeit, aber auch Herz-Kreislauf-Beschwerden und Bewegungsstörungen auf.
Hier dazu mehr: https://www.swr.de/wissen/post-vac-syndrom-wie-gefaehrlich-ist-long-covid-nach-impfung-102.html

GinGin vor 7 Wochen

Long-Covid ? oder doch eher Long-Impfung ?

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