Wissen-NewsMedikament gegen Grünen Star könnte auch gegen Demenz helfen
Bei Zebrafischen und Mäusen hat sich gezeigt, dass Methazolamid – ein Medikament, das üblicherweise zur Behandlung von Grünem Star (Glaukom) eingesetzt wird – im Gehirn vor der Ablagerung des Tau-Proteins schützt, das verschiedene Formen von Demenz verursacht und an der Alzheimer-Krankheit beteiligt ist.
In der Medikamentenforschung ist es gängige Praxis, nicht ständig bei ganz neuen Wirkstoffen und damit quasi bei Null anzufangen. Stattdessen werden schon vorhandene Medikamente daraufhin untersucht, ob sie vielleicht noch zu anderen Zwecken als den bislang bekannten eingesetzt werden können. Auch eine Forschungsgruppe des britischen Demenzforschungsinstituts an der Universität Cambridge hat das getan – und dabei entdeckt, dass ein Medikament zur Behandlung von Grünem Star (Glaukom) auch gegen Formen von Demenz und andere sogenannte Tauopathien helfen könnte.
Tauopathien sind eine Gruppe neurodegenerativer Krankheitsbilder, deren gemeinsames Merkmal die Ansammlung von Tau-Proteinen im Gehirn ist. Dazu gehören beispielsweise die Chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE), die Pick-Krankheit (frontotemporale Demenz / FTD) und Morbus Alzheimer. Bei der Suche nach wirksamen Medikamenten zur Behandlung dieser Erkrankungen wurden bisher nur geringe Fortschritte erzielt.
Zebrafische für "Massentests" – Mäuse für die Konkretisierung
Arzneimittelscreenings, bei denen Wirkstoffe schon vorhandener Medikamente an anderen Krankheitsmodellen getestet werden, finden oft in Zellkulturen statt. Die erfassen jedoch viele der Merkmale der Tau-Ansammlung in einem lebenden Organismus nicht. Um dies zu umgehen, wandte sich die britische Forschungsgruppe Zebrafischen zu. Die sind in der Lage, sich innerhalb von zwei bis drei Monaten zu vermehren und eine große Anzahl von Nachkommen zu produzieren. Durch genetische Manipulationen können bei ihnen menschliche Krankheiten nachgeahmt werden, denn viele Gene, die für menschliche Krankheiten verantwortlich sind, haben eine Entsprechung im Zebrafisch. "Zebrafische ermöglichen es uns, dies in großem Maßstab zu tun, was bei größeren Tieren wie Mäusen weder machbar noch ethisch vertretbar ist", sagt Ana Lopez Ramirez, Mitautorin der neuen Studie.
In den Zebrafischen wurde also zuerst die Tauopathie nachgebildet, und im Laufe der Zeit testeten die Wissenschaftler an den Kleinsttieren ganze 1.437 verschiedene Medikamente, die bereits für andere Zwecke klinisch zugelassen sind. Mit diesem Ansatz konnte das Team zeigen, dass sogenannte Carboanhydrasehemmer (Wirkstoffe, die das Enzym Carboanhydrase hemmen) den Zellen halfen, sich von den Tau-Proteinablagerungen zu befreien.
Das Medikament Methazolamid, das zur Behandlung der Augenerkrankung Grüner Star eingesetzt wird, ist so ein Carboanhydrasehemmer. Als das Team Methazolamid an Mäusen testete, die gentechnisch so verändert worden waren, dass sie die beim Menschen krankheitsverursachende Tau-Mutation P301S trugen, welche zu einer fortschreitenden Anhäufung von Tau-Ablagerungen im Gehirn führt, stellten sie fest, dass die mit dem Medikament behandelten Mäuse bessere Gedächtnisleistungen erbrachten und eine bessere kognitive Leistungsfähigkeit aufwiesen als unbehandelte Mäuse. Die spätere Analyse der Mäusegehirne zeigte, dass sie tatsächlich weniger sogenannte Tau-Aggregate und folglich einen geringeren Abbau von Gehirnzellen aufwiesen als die unbehandelten Mäuse.
Forscher halten Methazolamid für vielversprechend
"Methazolamid ist ein vielversprechendes Medikament, das dringend benötigt wird, um die Ansammlung gefährlicher Tau-Proteine im Gehirn zu verhindern", sagt David Rubinsztein, Professor am britischen Demenzforschungsinstitut. "Obwohl wir seine Wirkung bisher nur in Zebrafischen und Mäusen untersucht haben, so dass wir noch am Anfang stehen, kennen wir zumindest das Sicherheitsprofil dieses Medikaments bei Patienten. Dadurch können wir viel schneller zu klinischen Versuchen übergehen, als wir normalerweise erwarten würden, wenn wir mit einem unbekannten Wirkstoff bei Null anfangen."
Das Team hofft außerdem, Methazolamid an weiteren Krankheitsmodellen testen zu können, darunter auch häufigere Krankheiten, die durch die übermäßige Anhäufung von Proteinen gekennzeichnet sind, wie die Huntington- und die Parkinson-Krankheit.
Links / Studien
Die Studie "Carbonic anhydrase inhibition ameliorates tau toxicity via enhanced tau secretion" ist im Fachjournal "Nature Chemical Biology" erschienen.
(rr)
Dieses Thema im Programm:Das Erste | Mittagsmagazin | 15. Oktober 2024 | 12:39 Uhr