Anika Mehlis (l.) und Carmen Köhler (r.) in ihren Raumanzügen beim Training zur analogen Marsmission des Österreichischen Weltraumforums ÖWF
Anika Mehlis (l.) und Carmen Köhler (r.) in ihren Raumanzügen beim Training zur analogen Marsmission des Österreichischen Weltraumforums ÖWF. Bildrechte: Florian Voggeneder/ÖWF

Analoge Marsmission Kommunikation für Raumfahrer: "Man merkt einfach, wie wichtig Zwischenmenschliches ist"

26. Dezember 2021, 12:00 Uhr

Wie verändert sich die Kommunikation von Menschen, wenn sie allein auf einem fremden Planeten sind? Anika Mehlis aus dem sächsischen Plauen hat an einer analogen Marsmission teilgenommen und erzählte MDR WISSEN, wie sich das bei einer isolierten Mission anfühlt, wie sich Gespräche und Gefühle ändern und warum Zwischenmenschliches eine große Rolle spielt.

Wer in ein Raumschiff steigt, um zur Raumstation zu fliegen oder in Zukunft zum Mond oder Mars, muss sich einigen Herausforderungen stellen. Seien es die Schwerelosigkeit, kosmische Strahlung oder der Abbau von Muskel- und Knochenmasse. 

Aber auch die Kommunikation ist eine Herausforderung. Zwar kann man zur Internationalen Raumstation ISS in Echtzeit telefonieren, die bereitstehenden Satelliten stehen am Stück jedoch nur circa 20 Minuten zur Verfügung. Wenn man zwischen Erde und Mars telefonieren möchte, dann sind die Botschaften mindestens zehn Minuten in eine Richtung unterwegs. 

Anika Mehlis aus dem sächsischen Plauen hat diese Verzögerung zusammen mit ihren analogen Astronauten-Kollegen bei einer simulierten Marsmission nachgestellt. Sie befanden sich während der Amadee-20 Mission des Österreichischen Weltraumforums ÖWF in vierwöchiger Isolation in einem nachgestellten Mars-Habitat in der israelischen Wüste. 

Täglich wechselnder Außeneinsatz

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Anika Mehlis kommt aus Plauen und schickt uns eine Grußbotschaft aus der Isolation ihrer analogen Mars-Mission Amadee-20.

MDR FERNSEHEN Fr 22.10.2021 13:16Uhr 02:21 min

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Jeden Tag haben zwei der sechs analogen Raumfahrenden im Wechsel an einem Außeneinsatz in Raumanzügen teilgenommen. "Die brauchen zwei Personen, die ihnen helfen beim Anziehen und es müssen zwei Personen die Kommunikationsarbeitsplätze immer besetzen – die mit der Erde, also mit dem Mission-Support-Center in Innsbruck und auch mit dem Support-Team vor Ort außen", erzählt Mehlis. 

Dabei haben die teilnehmenden Personen gelernt, dass sie als Astronaut oder Astronautin im Außeneinsatz vieles autonom entscheiden mussten. Außerdem mussten sie ihre Raumanzüge kennen. Falls eine Lampe aufleuchtet, die auf den schwindenden Sauerstoff hinweist, konnten sie nicht erst nachfragen, was dieses Leuchten bedeutet. Während die Kommunikation mit dem Team auf dem simulierten Mars noch in Echtzeit ablief, brauchte eine Botschaft zur Erde weitaus länger.

Kommunizieren mit großem Zeitunterschied

"Der Abstand vom Mars zur Erde bringt je nach Umlaufbahnpunkt zwischen vier oder 40 Minuten Zeitverzögerung beim Kommunizieren mit. Mal ganz unabhängig von den ganz konkreten Zahlen: Wir arbeiten mit zehn Minuten für eine Wegstrecke", so Mehlis. Somit muss man auf dem Mars im Schnitt mindestens 20 Minuten auf eine Antwort warten. Mit der Mission wollte man herausfinden, welchen Einfluss dies auf die Arbeitsabläufe der Astronauten und des Teams auf der Erde hat.

"Die Kommunikation mit der Erde ist für uns vorrangig über einen Text-Chat gelaufen, wo wir mit Hashtags und verschiedenen Rollen die verschiedenen Themen kommuniziert haben", beschreibt Mehlis. Den Funkkontakt mit den Raumfahrenden im Außeneinsatz konnte man auf der Erde ebenfalls mitverfolgen, jedoch mit Zeitverzögerung:

Das heißt auch, dass das, was zwischen Anzug und Basis gesprochen wird, auf der Erde gehört wird – nach zehn Minuten halt. Umgedreht hat aber die Erde nicht mit uns per Funk gesprochen, sondern ausschließlich über den Chat.

analoge Astronautin Anika Mehlis

Neben der Chat-Funktion gab es auch die Möglichkeit, Emails oder Dateien zum Mission-Control-Zentrum zu schicken. Diese hat man dann über Nacht verschickt, da die Bandbreite zwischen Erde und Mars beschränkt ist und die Übertragung entsprechend lange gedauert hat.

Das Three-Quarter-Phänomen

Aber was macht diese Zeitverzögerung in der Kommunikation mit den Menschen, die eine solche Mission antreten? Mehlis vermutet, dass "alles, was Psychologie, Teambuilding, Kommunikation angeht, ein nicht zu unterschätzender Teil ist. Die Technik muss natürlich funktionieren, alles schön und gut, aber dieser Aspekt ist mindestens genauso wichtig." Im Kommunikationsverhalten hatte die Biologin aus Plauen erst mal keinen Unterschied gemerkt. 

Ob die Isolation während der Corona-Pandemie, die sozialen Medien oder auch Chats über Messengerdienste: Man hat sich vermutlich bereits an die nicht-direkte Kommunikation gewöhnt. Zudem sind vier Wochen eine kurze Zeit. Eine Reise zum Mars würde für den Hinflug um die neun Monate dauern – je nach Abstand zwischen Erde und Mars sowie der bereitstehenden Technik. Mehlis sei aber ein anderes Phänomen aufgefallen:

Es gibt dieses Three-Quarter-Phänomen, das besagt – egal wie lange man in einer Isolation verbringt, ob jetzt im Gefängnis, in einem U-Boot oder in der Antarktis-Station –, dass es nach ungefähr drei Vierteln der Zeit so eine Phase gibt, wo es ein bisschen schwieriger ist.

analoge Astronautin Anika Mehlis

"Man merkt einfach, wie wichtig Zwischenmenschliches ist"

Und obwohl Mehlis und ihren Kollegen dies klar war, trat dieses Phänomen auch bei ihnen auf. "Am Anfang war es extrem viel Arbeit, sehr wenig Schlaf, sehr, sehr anstrengend. Und dann kam so ein Punkt, wo wir natürlich auch sehr schnell wurden, weil wir alles geübt hatten und dann gut eingespielt waren“, beschreibt es Mehlis. Das Team hat dann nach Arbeit gesucht und nach anderen Wegen, um sich zu beschäftigen. 

Bezüglich der Kommunikation hat sie gemerkt, wie wichtig zwischenmenschliche Beziehungen sind. Humor sei sowohl im eigenen Team als auch mit der Bodenkontrolle auf der Erde wichtig, erklärt die analoge Astronautin und beschreibt, was eine reine Chat-Kommunikation über vier Wochen hinweg bedeutet:  

Egal, wie sehr man sich Mühe gibt… Da gehen halt Dinge zwischen den Zeilen verloren. Man kann nicht so viel Kontext transportieren wie im persönlichen Kontakt.

analoge Astronautin Anika Mehlis

Darüber hinaus ist ihr aufgefallen, dass man mehr Abstand zu den anderen sucht. Schließlich musste man "bewusst ein Aufwand betreiben oder sich anstrengen, um das zu vermitteln. Um da eben Verständnis füreinander zu haben, um einen menschlichen, guten Kontakt zu behalten und jetzt nicht nur so robotermäßig Aufgaben abzuarbeiten." 

Mehlis fand dies sehr spannend zu beobachten, auch an ihr selbst. Ihre Erkenntnis für zukünftige Missionen ist, dass man den Astronauten, die "wirklich von der Erde weg sind und ganz alleine sind" nicht das Gefühl vermittelt, dass sie hier wirklich "ganz alleine" sind. Es ist wichtig, "dass die dann eben die Verbindungen halten können und dass sie sich als Teil der Erde fühlen."

Die analoge Astronautin Anika Mehlis (l.) wurde beim Außeneinsatz von Carmen Köhler, einer älteren analogen Astronatin (r.) unterstützt 7 min
Bildrechte: MDR, Florian Voggeneder, OeWF

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