Sience vs. Fiction Assassin's Creed, oder wie man einen Sprung aus großer Höhe überleben kann

20. Dezember 2020, 11:12 Uhr

Im Computerspiel Assassin’s Creed springt der spielbare Charakter Eivor von Türmen und Dächern in einen Haufen Stroh. MDR Wissen fragt nach und testet mit einem Stuntman: Sind solche "Todessprünge" realistisch?

Assessins Creed
Im Comuterspiel und auch im dazugehörigen Film (hier das Plakatmotiv dazu) muss der Held regelmäßig aus großer Höhe springen. Kann er das wirklich immer überleben? Bildrechte: imago images / Prod.DB

Seit kurzem ist der neue Teil der Computerspiel-Reihe Assassin’s Creed (Ubisoft) auf dem Markt: "Vallhalla". Mit Axt, Schild und Schwert kann man sich dort als Anführer eines Wikingerclans durch das England des 9. Jahrhunderts schlagen.

Worum geht es bei Assassins‘ Creed In Assassin's Creed geht es um die jahrhundertealte Feindschaft von zwei Geheimbünden. Der Gamer schlüpft in der aktuellen Version "Valhalla" in die Rolle des Wikinger-Protagonisten Eivor, Anführer der Assassinen, der gegen die Templer kämpfen muss. Die Kämpfe werden in den Spielen über viele verschiedene Epochen der Geschichte ausgetragen. Die Handlung spielt deshalb zum Beispiel zur Zeit der Kreuzzüge, des Alten Ägyptens, der Französischen Revolution oder im Kinofilm der Spanischen Inquisition.

Realitätsnahes Game

Bei Assassin's Creed wird besonders viel Wert auf die historische Korrektheit und detailgetreue Darstellung gelegt. Es gibt echte Schauplätze und Ereignisse, reale Figuren der Zeitgeschichte. Häufig springen die Assassinen jedoch aus großen Höhen, landen im Wasser, auf Marktständen oder in Strohhaufen. MDR Wissen hat sich gefragt: Sind solche "Todessprünge" überhaupt realistisch? Könnte ein Mensch das wirklich überleben?

In der Geschichte finden sich durchaus einige spektakuläre Fälle, in denen Menschen Sprünge aus einer größeren Höhe überlebt haben: Ivan Michailovich Chisov gelang es zum Beispiel einen Aufprall aus sieben Kilometern Höhe zu überleben. Im Zweiten Weltkrieg steuerte der Leutnant der sowjetischen Armee während einer Luftschlacht seinen Bomber und wurde von einem deutschen Kampfflugzeug abgeschossen. Auf 7.000 Metern Höhe sprang er aus dem Flugzeug, aus Angst vor den deutschen Streitkräften jedoch, ohne seinen Fallschirm aufzumachen. Dann wurde er auch noch ohnmächtig. Glücklicherweise fiel er aber auf einen schneebedeckten Hang und so konnte er kurze Zeit später zwar schwer verletzt, aber lebend geborgen werden. Bis heute ist er Rekordträger des höchsten ungebremsten freien Falls.

Großes Glück hatte auch Fallschirmspringer Michael Holmes. Beim freien Fall aus 3.600 Metern Höhe wollte der geübte Skydiver den Fallschirm öffnen. Doch der versagte und Holmes fiel in einen Brombeerbusch. Er kam mit einem gebrochenen Knöchel und einer Lungenverletzung davon.

Diese Beispiele sind allerdings – wenn man so will – "Wunder der Geschichte", denn die Überlebenschancen bei Sprüngen aus solcher Höhe gehen gegen Null und schwerste Verletzungen sind unvermeidlich.

Die richtige Sprung-Performance ist wichtig

In Assassin’s Creed ist eine Spielszene besonders prägnant: Immer wieder muss Protagonist Eivor aus krassen Höhen in einen Strohhaufen springen – und dann weiterlaufen. Für den Sprung spreizt er sein Kreuz und hält die Arme senkrecht an den Schulterblättern. Ist das von der Technik her richtig dargestellt?

"Von der Körperhaltung ja", sagt Mario Eichendorf und findet: Das hätten die Entwickler des Games sehr professionell hingekriegt. Er ist Stuntman und seit vielen Jahren für Actionfilme und Liveshows unterwegs und dadurch auch selbst ein geübter Kaskadeur.

Bei Sprüngen aus großer Höhe ist das Zusammenwirken von Knochen, Muskeln und Bändern essentiell. Für den Sprung müssten die Arme weit ausgebreitet sein. Dadurch kann man sich breit machen, um mit dem Körper möglichst lange die Höhe zu halten und zum Schluss auf dem Rücken zu landen. "Durch seine breite Armstellung kann er die Landung auch gut steuern", beurteilt der Stuntman die Performance des Game-Charakters Eivor.

Um so einen Sprung zu überleben, brauchen Menschen jedoch viele Jahre Übung. Als Stuntwoman oder -man fange man meist in kleinen Höhen an und steigere sich dann immer weiter nach oben, erklärt Mario Eichendorf. "Mindestens drei Jahre braucht man für einen sicheren Sprung, um den auch immer wieder durchführen zu können." Der Respekt vor der Physik, die dabei nun mal wirkt, bleibe auch nach unzähligen Sprüngen, so Eichendorf.

Ist der Sprung auch physikalisch realistisch?

In Assassin’s Creed springt Eivor häufig in einen Strohhaufen. Dieser soll den Sprung unseres Charakters abdämpfen. Wir gehen im Spiel davon aus, dass der Strohhaufen etwa eineinhalb Meter hoch ist. Würde das im realen Leben reichen, um Eivors Todessprung abzufedern?

Das haben wir unseren MDR Wissen-Experten Henry Holland-Moritz gefragt, Physiker an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Er sagt erst einmal erwartungsgemäß: "Je höher der Sprung, desto mehr Stroh braucht Eivor."

Im Spiel fällt der Protagonist in 3,8 Sekunden auf den Boden. Wenn man dies mit der natürlichen Fallbeschleunigung auf der Erde (9,81 m/s²) verrechnet, kommt man auf eine Objekthöhe von 71 Metern im Spiel. Dann braucht man noch die Masse des Protagonisten. Wir gehen davon aus, dass unser Protagonist 90 Kilogramm schwer ist. Für unsere Berechnung benötigt man schließlich noch die Fläche, auf die sich die Wucht des Aufpralls verteilt. Wir gehen von der Hälfte seiner Körperoberfläche aus, was etwa einem Quadratmeter entspricht.

Welche Kräfte wirken im Stroh?

Allerdings fällt Eivor ja nicht auf einen harten Boden, sondern auf einen Strohhaufen. Und dieser dämpft den Aufprall, aber wie sehr? Damit haben sich Studierende der Universität Leicester auseinandergesetzt, sagt Henry Holland-Moritz und zitiert aus deren Untersuchung das sogenannte Kompressionsmodul: "Das gibt an, wie viel Druck man braucht, um einen Körper um einen besten Wert zusammenzupressen."

Je größer also der Wert des Kompressionsmoduls ist, desto schlechter lässt sich der Körper zusammenpressen. Die Studierenden aus Leicester nahmen an, dass Stroh sich um zehn Prozent zusammenpressen kann. Dementsprechend hat Stroh ein Kompressionsmodul von 7.350 Pascal.

Wenn Menschen oder Gegenstände auf den Boden prallen, so wirken Kräfte. Physikalisch "g-Kraft" genannt. Es gibt unterschiedliche Angaben darüber, wieviel ein Mensch von dieser g-Kraft aushalten kann. Astronauten sind beim Start rund 4,5 g ausgesetzt - das entspricht dem Viereinhalbfachen des eigenen Körpergewichts. Bei der Rückkehr können es sogar noch mehr sein. Oder mit den Worten von ESA-Astronaut Alexander Gerst über seine Erfahrungen beim Wiedereintritt der Landekapsel in die Atmopshäre: "Bei 5 g dachte ich, jetzt ist es aber langsam gut."

Kurzfristig bis zu 25 g

Doch das Abbremsen beim Fallen auf Stroh erfolgt über einen sehr kurzen Zeitraum. Wenn man sehr gut trainiert ist – wie die Assassinen – und die g-Kraft nur kurze Zeit wirkt, könne man auch 25 g aushalten, zitiert Henry Holland-Moritz die Physik-Studierenden.

Ihrer Berechnung zufolge bräuchte man mindestens neun Meter Stroh, damit der Protagonist lebend aus dem Strohhaufen wieder herauskommt. Das wäre etwa sechs Mal soviel, wie in Assassin’s Creed dargestellt.

Im realen Leben also hätte unser Protagonist Eivor, sei er noch so gut trainiert und geübt, diesen Sprung wohl nicht überlebt. In der Theorie sind die Sprünge der Assassinen aber – rein physikalisch betrachtet – bei guter Körperperformance durchaus möglich. Man müsste nur den Strohhaufen wesentlich höher aufschichten, damit das auch wirklich sicher ist.

(ke/jk)

0 Kommentare