Ausgelassen feiernde junge Leute stoßen gemeinsam mit einer Maߟ Bier an.
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Archäologie Bier kann eine Gesellschaft zusammenhalten

30. April 2019, 16:52 Uhr

Wie organisiert eine Hochkultur mit großem Territorium und diversen Gruppen ihren Zusammenhalt? US-Archäologen, die die Wari-Kultur in Südamerika erforschen, sagen: Konstant fließendes Bier hilft dabei.

Dass Bier, Politik und Gesellschaft eng verbunden sind, wissen nicht nur die Oberbürgermeister der Stadt München, wenn sie das Oktoberfest mit den Worten eröffnen: "O'zapft is". Wie US-amerikanische Archäologen jetzt in einer Studie im Journal "Sustainability" berichten, spielte Bier schon vor über 1.000 Jahren bei der Hochkultur der Wari in Südamerika eine zentrale Rolle - für die Pflege der Beziehung zwischen Fürsten und Untertanen.

Archäologe Ryan Williams bei Ausgrabungen einer prähistorischen Brauerei in Cerro Baul Peru.
Der Archäologe Ryan Williams bei der Ausgrabung der antiken Brauerrei in Cerro Baúl in Peru. Bildrechte: Field Museum

Seit rund 20 Jahren erforscht ein Team um den Archäologen und Kurator Ryan Williams vom Fieldmuseum in Chicago eine kleine Ausgrabungsstätte bei Cerro Baúl in den Anden in Peru. Dort befand sich offenbar eine Art Brauerei mit angeschlossenen Wirtshäusern. Ausgeschenkt wurde hier ein Getränk namens "Chicha", eine Art Sauerbier, dessen zentrale Zutat Pfefferbeeren waren.

Feste rund um das Bier

Die Wari-Hochkultur erstreckte sich über eine Länge von rund 1.300 Kilometern über die Anden. Sie bestand etwa von 600 bis 1100 nach Christus und wurde schließlich von den Inka abgelöst. Für ein Reich dieser Größe sind 500 Jahre ein beachtlicher Zeitraum. Die Forscher fragten sich also: Wie bleibt eine so diverse Gesellschaft über so lange stabil? Die These der Wissenschaftler: Eine konstante Versorgung mit Bier war wohl hilfreich dabei.

Nachbildung eines reich verzierten Tonkrugs, in dem das Chicha Bier ausgeschenkt wurde.
Nachbildung eines reich verzierten Tonkrugs, in dem das Chicha Bier ausgeschenkt wurde. Bildrechte: Field Museum

Williams Team untersuchte die Scherben alter Tonkrüge mit Hightech: Ein Laserstrahl verdampfte kleine Materialproben vom Rand der Krüge. So konnten die Forscher auf Molekülebene genau das Material der Krüge und die Überreste ihres Inhalts analysieren. Damit konnten sie das Rezept des Chicha-Bieres rekonstruieren und zeigen, dass der Ton für die Krüge aus der näheren Umgebung der Braustätte stammte.

"Durch unsere Forschung verstehen wir besser, wie Bier zur Schaffung komplexer politischer Organisationen beigetragen hat", sagt Ryan Williams. Das Kultgetränk Chicha war wohl nur etwa eine Woche lang haltbar und musste deswegen direkt an Ort und Stelle getrunken werden. Offenbar nahm es eine zentrale Stelle bei rituellen Festen ein, bei denen es aus den etwa einen Meter hohen Tonkrügen getrunken wurde, die mit den Gesichtern der Wari-Götter dekoriert waren.

"Die Waris mussten an diesen Ort, zu den Festen reisen und dort ihre Verbundenheit zu den Wari-Fürsten erneuern, in dem sie Tribut-Geschenke mitbrachten und ihre Loyalität zum Staat der Wari versprachen", sagt Williams. Nach seiner Ansicht nahm das Getränk so eine zentrale Bedeutung für die Stabilität der Hochkultur ein.

Komplizierte Herstellung

Die Archäologen brauten zusammen mit peruanischen Brauern das Rezept von Chicha nach.
Die Archäologen brauten zusammen mit peruanischen Brauern das Rezept von Chicha nach. Bildrechte: Donna Nash

Um ihre Theorien über die Herstellung von Chicha zu testen, brauten die Forscher das Bier zusammen mit peruanischen Brauern nach. "Die Herstellung von Chicha war kompliziert und erforderte viel Zeit und Arbeitskraft", sagt Donna Nash, Co-Autorin der Studie und Professorin aus North Carolina. Ein Vorteil der Grundzutat Pfefferbeeren ist, dass sie auch bei Dürre wachsen. So war nach Ansicht der Forscher eine konstante Versorgung mich Chicha sichergestellt.

Wer Chicha selbst kosten will, muss in diesem Sommer nach Chicago reisen. Dort hat die Craft-Beer-Brauerei Off-Colour-Brewing zusammen mit dem Field Museum das Chicha nachgebraut. Das pinke Ale mit Pfefferbeeren kommt im Juni in die Läden.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 23. April 2019 | 20:15 Uhr