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PsychologieCorona lässt uns mit den Zähnen knirschen

17. November 2020, 16:13 Uhr

Die Pandemie erfordert eine hohe Anpassung und führt viele Menschen an ihre Grenzen. Das macht sich auch körperlich bemerkbar. Wie Forscher jetzt herausfanden, nehmen durch Corona-Stress und -Ängste Zähneknirschen und Gesichtsschmerzen zu.

Bildrechte: imago images/Panthermedia

Wenn die Probleme groß werden, pressen viele Menschen unbewusst die Zähne aufeinander. Im wahrsten Sinne des Wortes zermartern sie sich zähneknirschend über Lösungen den Kopf. Der Druck steht ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. Das zeigt auch die Corona-Pandemie. Wie Forscherinnen der Universität Tel Aviv (TAU, Israel) jetzt herausfanden, nehmen durch Corona-Stress und -Ängste Zähneknirschen und Gesichtsschmerzen zu. "Der Stress und die Angst, die die Allgemeinbevölkerung während der ersten Abriegelung Israels erlebten, führte zu einem signifikanten Anstieg der orofazialen und Kieferschmerzen sowie des Kieferpressen am Tag und des Zähneknirschens in der Nacht", erklären Dr. Alona Emodi-Perlman und Prof. Ilana Eli, die die Untersuchungen geleitet haben.

Ergebnisse spiegeln die Not der mittleren Generation

Nach Angaben der Expertinnen für Zahnmedizin knirschten die untersuchten Probanden in der Nacht um 26 Prozent häufiger mit den Zähnen als vor der Corona-Pandemie. Den Kiefer pressten sie um 15 Prozent häufiger aufeinander. Zudem hätten Frauen stärker als Männer unter den Symptomen gelitten. Besonders betroffen sei die Altersgruppe der 35- bis 55-Jährigen.

Wir glauben, dass unsere Ergebnisse die Not widerspiegeln, die die mittlere Generation empfand. Sie waren zu Hause mit kleinen Kindern ohne die übliche Hilfe der Großeltern eingesperrt und machten sich gleichzeitig Sorgen um ihre Eltern, die finanzielle Probleme hatten und oft unter schwierigen Bedingungen von zu Hause aus arbeiten mussten.

Dr. Alona Emodi-Perlman und Professorin Ilana Eli | Goldschleger School of Dental Medicine der Universität Tel Aviv

Jeder fünfte Deutsche knirscht mit den Zähnen

Zähneknirschen als Reaktion auf Stress und Anspannung durch die Corona-Pandemie - auch in Deutschland ist das natürlich nicht unbekannt. "Neben Zahnfehlstellungen, Bisslageanomalien und einer falschen Körperhaltung, ist vor allem Stress der Auslöser für den Bruxismus", heißt es von der Initiative "proDente". Das unbewusste Anspannen der Kaumuskulatur mit Knirschen und Pressen der Zähne – der sogenannte Bruxismus – sei ein Ventil des Körpers zum Stressabbau.

Solche Kunsstoffschienen sollen verhindern, dass im Schlaf die Zähne aneinander gerieben werden. Bildrechte: imago images / Niehoff

"Die Betroffenen knirschen und pressen meist unbewusst", erklärt Professor Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. "Doch die im Vergleich zum normalen Kauen deutlich höheren Kräfte haben Folgen an Zähnen, Mundschleimhaut, Kiefermuskulatur und sogar bei der Funktion der Kieferbewegung." In Deutschland sei etwa jeder Fünfte von der Diagnose Bruxismus betroffen, wobei das Zähneknirschen und Zähnepressen tagsüber doppelt so häufig auftritt wie nachts.

Polen knirschen noch mehr als die Israelis

Die israelischen Forscherinnen fanden in ihrer Studie noch einen interessanten Aspekt. Beim Vergleich mit Daten aus Polen stellten sie fest, dass die Wahrscheinlichkeit von Zähneknirschen, Gesichtsschmerzen und Kieferpressen "in Polen viel höher war". Menschen ticken also ähnlich und bauen Stress mit Zähneknirschen ab. Doch wie unterschiedlich sie diesen Stress empfinden und wie stark sie mit den Zähnen knirschen, ist regional offenbar verschieden, ebenso wie die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie. In diesem Fall also besser Vorsicht mit dem alten Sprichwort: "Zähne zusammenbeißen und durch." Immerhin zeichnet sich mit der Entwicklung der Impfstoffe zumindest eine Hoffnung auf ein mögliches Ende der Pandemie ab.

Informationen zur Studie

Die Studie wurde von Dr. Alona Emodi-Perlman und Professorin Ilana Eli von der Goldschleger School of Dental Medicine an der Sackler Faculty of Medicine der TAU geleitet. Die Arbeit wurde am 12. Oktober 2020 im Journal of Clinical Medicine veröffentlicht.

(kt)

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