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Zahlen, bitte!Beschleunigt Corona das Ende des Bargeldes?

02. Juli 2020, 12:11 Uhr

Corona hat einiges auf den Kopf gestellt. Und obwohl wir langsam zurückkehren in die Normalität, kann man sich fragen: Was bleibt und was ändert sich? Vielleicht unsere Beziehung zum Bargeld?

von Karolin Dörner, Thilko Gläßgen

Corona hat für dramatische Einschnitte im Leben vieler Menschen gesorgt. Aber die Maßnahmen haben auch gezeigt, wo Veränderungen beginnen, die zukunftsweisend sind. Sprich: Schon jetzt sieht man Entwicklungen, die Forscher vorausgesagt hatten. Zum Beispiel arbeiten wir vermehrt von Zuhause, wir fahren mehr Fahrrad (zumindest in den großen Städten), lassen uns mehr liefern und auch die Art und Weise, wie wir bezahlen, hat sich verändert, selbst bei den bargeldliebenden Deutschen. Das zeigen jetzt neue Zahlen der Initiative Deutsche Zahlungssysteme. Ist das das Ende des Bargelds - wie so oft prognostiziert? Und wie sieht die Zukunft der Bezahlung aus?

Karte oder bar – wer gewinnt?

Die Tür geht auf per Fingerabdruck, das Licht klatschen wir an, die Uhr misst unseren Blutdruck, den Puls und jeden Tag die Anzahl unserer Schritte. Nur den Pizzaboten an der Tür, den bezahlen wir noch in bar. Ein Szenario, das man sich so wahrscheinlich nur in Deutschland vorstellen kann. Schließlich lieben die Deutschen ihr Bargeld. Noch. Denn der Trend geht eindeutig zu digital, sagt die Initiative Deutsche Zahlungssysteme. Vor zwei Jahren wurde in Deutschland das erste Mal mehr mit Karte bezahlt als in bar. Und Corona hat alles noch Mal beschleunigt, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Initiative, Ingo Limburg:

Bildrechte: EURO Kartensysteme GmbH

Man kann davon ausgehen, dass Kunden, die einmal kontaktlos bezahlt haben, die Vorteile der schnellen bequemen Abläufe in Zukunft nicht mehr missen wollen.

Ingo Limburg, Initiative Deutsche Zahlungssysteme

Zwar hat sich die Zahl Kartenzahler von Anfang April, als zwei Drittel aller Befragten aussagten, dass Sie aus Rücksicht auf das Kassenpersonal mit Karte zahlen, wieder verringert auf jetzt rund 50 Prozent, so Limburg. "Aber dafür steigen auf der anderen Seite die Werte, die zu den eigentlichen Vorteilen der Kartenzahlung zählen, also z.B. ich kann immer passend zahlen. Also Krisengründe nehmen ab, Vorteilsempfinden nimmt zu."

Die Banken und Sparkassen sehen diesen Trend ebenfalls. So verweist auch der Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, Michael Ermrich, darauf, dass das kontaktlose Girocard-Verfahren nicht nur hygienischer, sondern für die Kunden auch bequemer ist. Er sei überzeugt, dass der Trend über die Pandemie-Phase hinaus anhalte.

Wir lieben unser Bargeld

Dem widerspricht Horst Gischer, Wirtschaftswissenschaftler der Uni Magdeburg. Dass die Entwicklung hin zum vermehrten digitalen Bezahlen nach Corona so bleibt, glaubt er nicht. Zum einen sei es unpraktisch, kleine Geldbeträge digital zu bezahlen.

Zum anderen wird bei dem einen oder anderen doch der Sicherheitsaspekt überwiegen. Sicherheit einmal auf der Seite des Käufers, dass er eine Transaktion abwickelt, die anonym und nicht nachvollziehbar ist. Und auch Sicherheit auf der Seite des Verkäufers, der mit dem Bargeld sofort den Gegenwert seiner verkauften Ware erhält.

Prof. Horst Gischer, Uni Magdeburg

Datenschutz und Sicherheit schreiben die Deutschen groß. Eine Umfrage von Ende 2019 zeigt, dass es vielleicht noch etwas länger dauern könnte, bis wir Deutschen, die im europäischen Vergleich viel öfter mit Bargeld bezahlen, auf digital umsteigen. Selbst bei den unter 30-Jährigen sind erst ein Viertel bereit für ein Leben ohne Bargeld. Je älter, desto geringer die Zustimmung. Ab 65 Jahren können sich nur fünf Prozent ein Leben ohne Cash vorstellen.

Andre Länder, andere Bezahlung  

Wie ein Leben ohne Bargeld aussieht, zeigen dagegen andere Länder, wie etwa Norwegen. Norweger sind bekannt dafür, alles digital zu bezahlen, egal ob Kollekte in der Kirche oder Flohmarkt, sagt Bernd Raffelhüschen, Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Freiburg. Naja, vielleicht eine Ausnahme:

Bildrechte: Prof.Dr. Raffelhüschen

Ich glaube, es ist schwierig, bei den Samen in Lappland das Rentier mit der Karte zu bezahlen, aber ansonsten geht, glaube ich, alles.

Prof. Bernd Raffelhüschen, Uni Freiburg

Wie dann genau digital bezahlt wird, da setzen sich ganz unterschiedliche Apps und Anbieter durch. In Kenia beispielsweise ist es eine Mobilfunkfirma. Das Handysystem M-Pesa ermöglicht den Kenianern, Guthaben aufzuladen und weiterzugeben. Besonders wichtig: Man braucht dafür kein Bank-Konto! Rose Marie Beck, Afrikanistik-Professorin der Uni Leipzig, erklärt:

Bildrechte: Swen Reichhold, Universität Leipzig

Das bedeutet, dass eben Leute, die keinen Zugang haben zu einer Bank, weil sie eben nicht genug verdienen, dass die trotzdem Zugang haben zu Geldströmen, und das ist eigentlich das, was wichtig ist am M-Pesa.

Prof. Rose Marie Beck, Uni Leipzig

Und so sucht sich jedes Land eine Bezahlart, die passt. Die Möglichkeiten scheinen schier unendlich: In China kann man via Alipay per Gesichtserkennung mit einem Lächeln bezahlen. Das funktioniert über biometrische Merkmale des Gesichts und der Mimik. In den USA kann man sich in Amazon Go Stores Ware nehmen und wieder gehen. Die Bezahlung hat automatisch im Hintergrund schon stattgefunden. Und wenn dann Fernseher, Kaffeemaschinen und Autos gleich selbst die Rechnung begleichen, bleibt wohl irgendwann der Geldbeutel das einzige, womit nicht mehr bezahlt werden kann.

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