Fragment einer antiken Schriftrolle
Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority/Mariana Salzberger

Erste Bibel auf Hebräisch DNA-Analyse löst Rätsel um die berühmten Qumran-Rollen

05. Juni 2020, 13:27 Uhr

So versuchte der Autor Dan Brown mit dem Besteller "Da-Vinci-Code / Sakrileg" im Gefolge von "Verschlußsache Jesus" dem Vatikan die größte Verschwörung der Geschichte der Christen unterzujubeln: Die Qumranrollen würden angeblich Geheiminformationen über Jesus Christus enthalten. Jesus sei verheiratet gewesen und habe eine Tochter gehabt.

Neueste Forschungen widerlegen diesen historischen Krimi: Und die Wahrheit ist ganz simpel. Der Wissenschaftspublizist Alexander Schick hat längst mit Büchern wie "Faszination Qumran" oder "Das wahre Sakrileg" für Aufklärung gesorgt, wird aber nicht müde zu betonen:

Der deutsche Qumranforscher Prof. Claus-Hunno Hunzinger, der die Funde in den 1950er-Jahren in Jerusalem mit gesichtet hat, sagt immer: Die Leute sind von einer solchen religiösen Ahnungslosigkeit, dass sie jeden Blödsinn glauben. Die Qumrantexte sind alle veröffentlicht. Jede Behauptung einer angeblichen Vatikanverschwörung ist schlichtweg erlogen.

Alexander Schick, Wissenschaftspublizist

Qumran-Rollen: Puzzeln mit DNA-Hilfe am Toten Meer

Eingang zu einer Felsenhöhle
Die berühmten Qumran-Schriftrollen wurden zwischen 1947 und 1956 nahe dem Toten Meer gefunden. Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority/Beatriz Riestra
Eingang zu einer Felsenhöhle
Die berühmten Qumran-Schriftrollen wurden zwischen 1947 und 1956 nahe dem Toten Meer gefunden. Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority/Beatriz Riestra
Blick aus einer Felsenhöhle
Sie verteilten sich in insgesamt elf Höhen bei der Ruinenstätte Qumran im heutigen Westjordanland. Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority/Shai Halevi
Antike Tongefäße
Die etwa 15.000 Fragmente wurden zu großen Teilen in Tonkrügen gelagert. Allerdings sind viele Fragmente so klein, dass sich nur einzelne Buchstaben lesen lassen - dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zuordnung. Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority/Shai Halevi
Fragment einer antiken Schriftrolle
Bei einigen größeren der mehr als 2.000 Jahre alten Fragmente lassen sich dagegen ganze Textteile lesen, sodass Forscher sie früh als Abschnitte der Bibel identifizieren konnten. Damit sind es die ältesten bisher gefundenen Überreste der heiligen Schrift. Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority/Mariana Salzberger
Zwei Männer und eine Frau begutachten das Fragment einer Schriftrolle
Forscher um Oded Rechavi (Mi.) von der Universität Tel Aviv haben nun eine neue Methode gefunden, um die kleineren Fragmente wie in einem Puzzle zuzuordnen: die DNA-Analyse des Leders, auf die Buchstaben verfasst sind. Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority
Menschen in Schutzkleidung in ein einem Labor
Dabei stellten sie fest, dass die meisten Textteile auf Schafsleder geschrieben sind. Einzelne Überreste, die vom gleichen Tier stammen, lassen sich so leichter zuordnen - und das Rätsel der restlichen Fragmente vielleicht bald lösen. Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority
Antiker Lederbehälter
Das ist ein Wasserschlauch, der in den 1960er-Jahren von Prof. Yadin in den Bar-Kochba-Höhlen entdeckt wurde. Bildrechte: Courtesy of the Israel Antiquities Authority
Alle (7) Bilder anzeigen

Ein Puzzle mit 100.000 Teilen

Was ist nun aber so besonders an den Schriftrollen vom Toten Meer? Zunächst einmal die Quantität: Es sind über 1.000 antike Schriftrollen aus der Zeit vor Jesus, elf davon noch komplett erhalten. Der Rest der Schriftrollen ist nur in einem sehr fragmentarischen Zustand. "Manchmal sind die Schnipsel nicht größer als ein Fingernagel. Wenn man Glück hat, ist ein Fragment mal so groß wie eine Hand", erklärt Schick.

Stellen Sie sich ein Puzzle von 100.000 Teilen vor. Sie haben aber nur 20.000 Puzzleteile und sollen nun – ohne zu wissen, wie das Puzzlebild im Original aussah – dieses Puzzle zusammensetzen.

Alexander Schick

Die meisten der 1.000 Schriftrollen sind nur in einem sehr fragmentarischen Zustand entdeckt worden, erklärt Schick. "Das war die mühsame Arbeit der Forscher in den letzten Jahrzehnten. Nur war es eben ein wissenschaftliches Puzzle mit Leder- oder Papyrusschnipseln, die meist mit hebräischen Buchstaben beschrieben sind."

Alexander Schick in einer Qumran-Höhle, 2012 3 min
Bildrechte: Alexander Schick / www.bibelausstellung.de
3 min

MDR KULTUR - Das Radio Mi 03.06.2020 14:15Uhr 03:22 min

https://www.mdr.de/wissen/audio-1422922.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

DNA-Technik besser als Spionage-Methoden

Zur Lösung dieses Wissenschaftspuzzle nutzen die Forscher digitale Kameras, die jedes Fragment aus dutzenden Winkeln von vorn und hinten und in verschiedenen Lichtwellenlängen 56 Mal aufnehmen, so Alexander Schick. Heraus kommt Bild Nr. 57, ein 3-D-Modell aus einem fingernagelgroßen Stück Leder, das 4,5 Gigabyte groß ist.

Dieses Bilder sind eine große Hilfe beim Puzzlen, viel effektiver - so Alexander Schick - ist allerdings die DNA-Analyse. Die wird zwar seit den 1990er-Jahren eingesetzt, bei den Qumran-Rollen jedoch nicht konsequent. Obwohl sie sich hier besonders lohnt, bestehen diese ja aus Tierhäuten: "Fragmente, bei denen man sich nie ganz sicher war, ob sie wirklich zusammengehören, konnten jetzt als zusammengehörig nachgewiesen werden", sagt Schick. "Haben nämlich zwei Fragmente eine identische DNA, so stammen sie von der Haut eines Tieres und man kann annehmen, dass sie somit beide zu einer einzigen Schriftrolle gehören. Haben zwei nahe beieinanderliegende Fragmente allerdings eine unterschiedliche DNA-Struktur, so gehören die Fragmente zu zwei verschiedenen Schriftrollen."

In einem Fall stellte man fest, dass ein Fragment auf Kuhhaut, aber das andere auf Schafhaut geschrieben war. Diese beiden Fragmente können also nicht von ein und derselben Schriftrolle stammen.

Alexander Schick

Bei diesen beiden Fragmenten handelte es sich um Texte des Buches Jeremiah, so die neue Studie, die außerdem vom heute bekannten biblischen Text abweichende Versionen widergeben. Das bedeutet, dass verschiedene Autoren an verschiedenen Orten daran gearbeitet haben könnten.

Dan Brown wird wohl enttäuscht sein

Die neue Studie zeigt aber auch: Die meisten Qumran-Rollen stammen genau da her, wo sie gefunden wurden, erklärt Schick die Ergebnisse. Interessant dabei war, dass eine Vielzahl der untersuchten Fragmente sich als Häute von Schafen erwiesen. Schick: "Schafzucht wurde in der Siedlung von Qumran am Toten Meer betrieben."

Zusammen mit dem Nachweis einer anderen Studie, dass in einigen Fällen die Tinte, mit denen die Schriftrollen beschrieben sind, mit Wasser aus der Region am Toten Meer angerührt worden war, legt das die Vermutung nahe, dass etliche der Schriftrollen auch in der Siedlung Qumran angefertigt und beschrieben worden sind. Das ist immer wieder bezweifelt worden. 

Alexander Schick

Bei den Ausgrabungen in Qumran wurden auch drei Tintenfässer entdeckt und Tonkrüge, in denen Schriftrollen aufbewahrt wurden. Die Mehrheit der Forscher glaubt daher, dass der Fund quasi einmal eine Bibliothek war, die Bibliothek der jüdischen Religionsgruppe der so genannten Essener, die hier gelebt haben sollen. Doch die Forschung steht in Sachen DNA-Analysen erst am Anfang. Tausende von Fragmenten müssen untersucht und große Datenbanken angelegt werden. Also noch ergebnisoffen, sagt Alexander Schick.

Einer, so meint er, wird allerdings von diesen Forschungen enttäuscht sein - Dan Brown nämlich. Denn kein einziger der Qumran-Texte enthält auch nur den geringsten Hinweis darauf, dass Jesus verheiratet gewesen sei. Und so bleibt die wissenschaftliche Forschung rund um die Qumran-Rollen spannender als jeder Roman.

Link zur Studie

Die Studie wurde unter dem Titel "Illuminating Genetic Mysteries of the Dead Sea Scrolls" im Fachmagazin Cell veröffentlicht.

1 Kommentar

BickHD-QLB am 04.06.2020

Danke für den sachlichen und informativen Artikel! Die Qumran-Rollen zeigen, wie nah wir mit den schriftlichen Zeugnissen an den Ereignissen sind, und wie zuverlässig die Texte überliefert wurden.