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ErnährungsstudieErst zu viel Zucker und Fett, dann zu viel Alkohol

von Antje Übel

Stand: 19. November 2018, 18:03 Uhr

Ob Pizza, Pommes oder Gummibärchen: Wenn Kinder zu viel Zucker und Fett essen, dann ist das ein Problem. Sie werden oft dick und lernen nicht, sich gesund zu ernähren. Jetzt hat eine Studie des Bremer Leibnitz-Institutes für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) gezeigt, dass schlechte Ernährung in der Kindheit auch Auswirkungen darauf haben kann, wie oft und wieviel Alkohol diese Kinder als Jugendliche trinken.

Mehr als 16-tausend Kinder und Jugendliche zwischen zwei und 18 Jahren mussten mehrfach Auskunft geben, was und wie sie essen und welchen Lebensstil sie führen. Die jungen Probanden kamen aus insgesamt acht europäischen Ländern, darunter Schweden, Portugal und auch Deutschland. Und die Forscher fanden in ihrer Studie, die in Public Health Nurticion veröffentlicht wurde, heraus: Die Kinder, die viel zucker- und fettreiche Nahrungsmittel essen, trinken später als Jugendliche deutlich häufiger und regelmäßig Alkohol.

Erhöhter Dopaminspiegel

Ob Zucker tatsächlich süchtig machen kann, ist derzeit umstritten, sagt Leonie Bogl, die an der Studie mitgearbeitet hat. Sie hält es aber für möglich.

Man weiß, dass Zucker zu einer erhöhten Ausschüttung des Glückshormons Dopamin führt. Und das wiederum verursacht ein Verlangen nach Zucker. Und auch Alkohol verursacht eine erhöhte Ausschüttung von Dopamin. Und somit könnte es sein, dass sich der Körper bei regelmäßigem Konsum an einen erhöhten Dopaminspiegel gewöhnt und man mehr konsumieren muss, um das gleiche belohnende Gefühl zu bekommen.

Leonie Bogl, Ernährungswissenschaftlerin

Dieser Mechanismus könnte die Ergebnisse der Studie biologisch erklären. Ein anderer Erklärungsansatz findet sich in früheren Tierforschungen. Die haben gezeigt, dass sich das Verlangen nach Fett und Alkohol gegenseitig verstärken.

Belohnungssystem aktiviert

Der Jenaer Psychiater Karl-Jürgen Bär zweifelt allerdings daran, dass Zucker und Fett tatsächlich zu einer Abhängigkeit führen können. Er vermutet hinter den Ergebnissen der Studie einen anderen Zusammenhang: "Wir wissen, dass sich die Alkoholabhängigkeit zu einem hohen Anteil auch biologisch erklären lässt", so Psychiater Bär. Das läuft über das Belohnungssystem im Gehirn. Und  wer später alkoholabhängig werde, brauche schon vor der Abhängigkeit höhere Dosen, um dieses Belohnungssystem zu aktivieren.

Man könnte sich vorstellen, dass Kinder, die mehr Zucker und Fett zu sich nehmen müssen, um das gleiche Wohlgefühl zu erhalten, vielleicht biologisch schon anders präformiert sind als Kinder, die das nicht in diesem Maße zu sich nehmen müssen.

Prof. Karl-Jürgen Bär, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Uniklinikum Jena

Welche Zusammenhänge tatsächlich bestehen, können die Forscher derzeit nicht sagen. In jedem Fall sei es aber wichtig, vorzubeugen, sagt Co-Autorin Leonie Bogl. Der erlernte Lebensstil behalten Kinder meist auch im Erwachsenenalter bei. Deshalb sei es wichtig, Fett und Zucker schon in jungen Jahren zu reduzieren, sagt sie.

Laut der Empfehlungen der WHO sollten Kinder weniger als zehn, idealerweise sogar weniger als fünf Prozent der täglichen Energie aus freien Zuckern aufnehmen.

Leonie Bogl

Zehn Prozent – das sind bei Erwachsenen 50 Gramm oder zehn Teelöffel Zucker. Bei einem fünfjährigen Kind ist der Wert schon mit 30 Gramm Schokolade oder drei Teelöffeln Nuss-Nougat-Creme erreicht.

Um das durchzusetzen, seien auch politische Maßnahmen notwendig, glaubt Leonie Bogl. Eine Zuckersteuer zum Beispiel – wie sie z.B. in Mexiko seit 2014 für zuckerhaltige Getränke gilt. Dort ist der Zuckerkonsum seitdem nach eigenen Angaben um 17 Prozent gesunken. Letztendlich brauche man aber ein gesellschaftliches Umdenken, sagt Leoni Bogl. Gerade Erwachsene sollten sich öfter fragen, ob sie ihren Kindern mit vielen Naschereien wirklich einen Gefallen tun.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL Radio | 19. November 2018 | 20:50 Uhr