Europäische Raumfahrt Astronauten-Ausbildung bei der ESA: Tausende wollen ins Weltall

23. Juni 2021, 16:09 Uhr

Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA will zum ersten Mal seit elf Jahren wieder Astronaut:innen ausbilden. Nun hat die Behörde die ersten Zahlen zu den eingegangenen Bewerbungen bekannt gegeben: Es sind weit mehr Kandidat:innen als erwartet.

Bildkombo - Auf der linken Seite befindet sich ein Astronautenhelm, auf der rechte Seite eine rothaarige, junge Frau.
Bildrechte: ESA

Das Bewerbungsverfahren zur Astronaut:innen-Ausbildung bei der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA ist vorbei. Nun hat die Behörde die Anzahl ihrer eingegangenen Bewerbungen bekanntgegeben. Bei der letzten Ausschreibung vor elf Jahren haben sich 8.413 Personen auf das Ausbildungsprogramm beworben. Dieses Jahr sind 22.589 Bewerbungen eingegangen – mehr als das Zweieinhalbfache.

Für den amtierenden Generaldirektor Joseph Aschbacher ist dies eine historische Zahl. In der Pressekonferenz vom 23. Juni betont er, dass dies mehr Bewerberinnen und Bewerber sind, als sie erwartet hatten. Doch warum sucht die ESA gerade jetzt nach neuen Astronaut:innen? David Parker, der ESA-Direktor für menschliche und robotische Forschungsmissionen, hat darauf eine einfache Antwort:

Wir haben Arbeit im Weltraum zu erledigen. Wir wollen das Weltall erforschen und es als Lebens- und Arbeitsort nutzen.

David Parker, ESA-Direktor für menschliche und robotische Forschungsmissionen

Von den eingegangenen Bewerbungen haben sich 5.419 Frauen und 17.170 Männer beworben. Das entspricht einem Verhältnis von 24 Prozent (weiblich) zu 76 Prozent (männlich). Im Vergleich zur Ausschreibung von 2008 ist das eine enorme Steigerung. Damals hatten sich lediglich 1.287 Frauen (15,3 Prozent) und 7.043 Männer (83,7 Prozent) beworben. Somit hat das explizite Werben um Frauen zumindest ein kleines Plus gebracht.

Woher kommen die Bewerber:innen?

Bewerben konnten sich alle Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedsstaaten der ESA. Die große Mehrheit der Bewerbungen sind aus Frankreich eingetroffen. Von dort haben sich 7.137 Personen beworben. Mit 3.700 Bewerbungen befindet sich Deutschland auf dem zweiten Platz, gefolgt vom Vereinigten Königreich (1.979 Bewerbungen), Italien (1.860), Spanien (1.344) und Belgien (1.019). Die wenigsten Bewerbungen gingen aus Estland (57), Slowenien (62) und Luxemburg (65) ein.

Estland hat zwar die geringste Bewerberanzahl. Dafür liegt der Anteil der weibliche Bewerberinnen bei 38,6 Prozent. Das ist der höchste Anteil von einem Mitgliedsstaat der ESA. Mit 30,1 Prozent liegen die Niederlande auf dem zweiten Platz, gefolgt vom Vereinigten Königreich (28,3 Prozent), Irland (28,1 Prozent) und Deutschland mit 28 Prozent. Norwegen (17,6 Prozent) und die Schweiz (17,8 Prozent) bilden hier das Schlusslicht.

Entsprechend kommen die meisten Bewerbungen von Männern aus diesen Ländern. Die Schweiz mit 82,2 Prozent und Norwegen mit 82,4 Prozent. Aber auch aus den skandinavischen Ländern Schweden (81,7 Prozent) und Finnland (80,8 Prozent) haben überdurchschnittlich mehr Männer beworben.

Ausbildung zum Parastronaut

Auf die Ausbildung zum Parastronaut – einem Raumfahrer oder einer Raumfahrerin mit körperlicher Beeinträchtigung – haben sich insgesamt 257 Personen beworben. Davon 197 Männer und 60 Frauen. Die meisten Frauen mit körperlicher Beeinträchtigung haben sich aus Frankreich (17 Frauen), dem Vereinigten Königreich (11) und Deutschland (9) beworben. Aus den 23 Mitgliedsstaaten sind aber nur zwölf Länder mit weiblichen Bewerberinnen dabei.

Dagegen kommt mindestens eine Bewerbung aus jedem Mitgliedsstaat von Männern mit körperlicher Beeinträchtigung. Die meisten kommen auch hier aus Frankreich (50), gefolgt von Italien (24), Deutschland (23), dem Vereinigten Königreich (20) sowie den Niederlanden (13) und Spanien (10). 

Übrigens: Es gingen auch 30 Bewerbungen aus Ländern ein, die nicht zu den ESA-Mitgliedsstaaten gehören. Diese haben grundlegend keine Chance weiterzukommen. Dasselbe gilt für die zusätzlichen 367 Bewerbungen aus anderen Ländern für das Standard-Ausbildungsprogramm der ESA. Zur ersten Auswahlphase, einem psychologischen Test, werden ohnehin nur 1.500 Bewerber:innen zugelassen. Der Leiter des Support-Teams, Guillaume Weerts, möchte sich auf die Zahl aber nicht festlegen:

Es können aber auch ein paar mehr oder weniger Bewerber sein, die weiterkommen. Das kommt auf die eingereichten Bewerbungen an.

Guillaume Weerts, Leiter des Support-Teams für das European Astronaut Centre

Wen sucht die ESA?

Auch wenn sich der Beruf Astronautin oder Astronaut nach einem Job für Superfrauen und Supermänner anhört, ist er es gar nicht. Selbst der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst hatte damals gezweifelt, dass er der richtige Kandidat für den Job sei. Dennoch war er zwei Mal auf der Internationalen Raumstation ISS stationiert.

Ich dachte, Astronauten müssten Supermänner sein – und mir war ja klar, ich hingegen bin nur ein Mensch.

Alexander Gerst, deutscher ESA-Astronaut

Den Kandidat:innen wird das nötige Wissen bei ihrer Ausbildung beigebracht. Vorausgesetzt, sie schaffen es so weit. Von den über 22.000 Bewerber:innen werden es nur wenige bis zur Ausbildung schaffen: vier bis sechs Karriere-Astronaut:innen, bis zu 20 Reserveastronaut:innen sowie ein oder eine Parastronaut:in. Ende 2022 sollen die endgültigen Auszubildenden von der ESA bekannt gegeben werden.

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