Knochenmark
Versuch der Forscher: Nach Wochen aufgebrochener Knochen zeigt das gut erhaltene Knochenmark Bildrechte: Dr. Ruth Blasco/AFTAU

Urgeschichtliche Vorratsbehälter Knochenmark - die Dosensuppe der Altsteinzeit

09. Oktober 2019, 20:00 Uhr

Von wegen, die Altsteinzeitmenschen lebten von der Hand in den Mund. Bislang glaubte man, dass sie Jäger und Sammler waren. Forschungen belegen jetzt: Für Altsteinzeitmenschen waren Knochen offenbar das, was für manchen heute die Dosensuppe ist: Praktisch verpacktes Essen, das auch nach Wochen noch schmeckt und stärkt.

Leckerbissen aufsparen - fällt uns heute ja schon beim Plätzchenbacken für Weihnachten schwer. Dabei haben wir es leicht - wir können sie in Behältern aller Art aufbewahren, Plastik, Glas oder Metall. Dass Menschen Essbares bewusst für den späteren Verzehr lagern, kennen wir aus effektiven Techniken der jüngeren Vergangenheit, wie das Trocknen von Obst, Dörren von Fisch oder Räuchern von Schinken.

Dass aber auch schon Menschen im späten Paläolithikum - 400.000 bis 200.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung - Nahrungsmittel bewusst gelagert haben, überrascht die Forschung. Ein internationales Wissenschaftsteam hat in der Nähe von Tel Aviv in der Qesem Höhle Beweise dafür gefunden, dass die Menschen damals bis zu neun Wochen Knochen gelagert haben, bevor sie sich deren Inhalt, das Knochenmark, einverleibt haben. Die Forscher veröffentlichten ihre Funde Anfang Oktober im Fachmagazin Science Advances.

Knochenmark - schmeckte in der Altsteinzeit auch noch nach Wochen

Professor Ran Barkai, Archäologe der Tel Aviv Universität, erklärt das näher: Bisher ging die Forschung davon aus, dass Knochenmark sofort, nachdem ein Tier erbeutet worden war, verzehrt wurde, zusammen mit den anderen Weichteilen. Knochenmark an sich war ein wichtiges Nahrungsmittel. Erbeutet wurde überwiegend Damwild. Schädel und Gliedmaßen wurden in die Höhle gebracht, Fett und Fleisch an Ort und Stelle, wo das Tier getötet wurde, vom Körper abgezogen und der Rest liegen gelassen. Die Knochen, die in der Qesem Höhle gefunden worden, zeigen dem Forschungsteam zufolge jedoch Schnittspuren, die nicht entstehen, wenn Fett und Fleisch von Knochen abgezogen werden. Vielmehr müssen sie vom Abstreifen der Haut und Herausziehen des Knochenmarks stammen, wenn die Haut bereits getrocknet war.

Forschungsleiterin Dr. Ruth Blasco wertet die Funde als frühesten Beweis überhaupt für derartig vorausschauendes Verhalten. Bislang war man in der Forschung davon ausgegangen, dass Menschen im späten Paläolithikum Jäger und Sammler waren, die von de Hand in den Mund lebten und bei Nahrungsmittelknappheit hungerten. Die Funde von Qesem widerlegen das jetzt.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 08. Juni 2017 | 12:10 Uhr

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