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Weniger Ideologie, mehr Toleranz beim Gendern. Das fordert das Leibniz Institut für Deutsche Sprache Mannheim. Bildrechte: IMAGO / Christian Ohde

Gender und SpracheInstitut für Deutsche Sprache empfiehlt: Seien Sie tolerant – und kreativ

21. März 2024, 10:35 Uhr

Ein VW-Mitarbeiter klagt gegen das Gendern in seiner Firma. Linguisten werfen z.B. ARD und ZDF vor, mit geschlechteregerechten Sprachformen sozialen Unfrieden zu stiften und gültige Regeln zu missachten. Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim sieht diese Diskussion kritisch und wirbt beim Gendern um Kreativität und Toleranz.

Nur 14 Prozent der Menschen, die sich beim Meinungsbarometer für Mitteldeutschland MDRfragt im Juli beteiligten, halten gendergerechte Sprache für ein wichtiges Thema. Nichtsdestotrotz findet es immer wieder eine große mediale Aufmerksamkeit. Zuletzt etwa durch die Klage eines VW-Mitarbeiters gegen einen Leitfaden für gendersensible Sprache bei der Audi AG, die vom Landgericht Ingolstadt abgewiesen wurden. Sprachwissenschaftler aus ganz Deutschland veröffentlichten vor wenigen Tagen ihren Aufruf gegen gendergerechte Sprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Die Unterzeichnenden fordern "eine kritische Neubewertung des Sprachgebrauchs im ÖRR auf sprachwissenschaftlicher Grundlage".

Sprache ist kein statisches Gebilde

Jetzt hat sich das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim in die Diskussion eingeschaltet, mit einem Aufruf zu Kreativität und Toleranz, Toleranz im gegenseitigen Umgang und Kreativität im Sprachgebrauch. Denn Sprache, so das Institut, sei kein statisches Gebilde und entwickle sich auch nicht in einem sozial unabhängigen oder ideologiefreien Raum. Daher sei es auch nicht verwunderlich, dass sich das auch in Veränderungen des Sprachgebrauchs zeigt. "Es gibt sehr gute Gründe, den traditionellen Sprachgebrauch des generischen Maskulinums infrage zu stellen – also Bezeichnungen wie Kollegen oder Mitarbeiter für alle Zugehörigen eines Betriebs", erläutert Prof. Dr. Carolin Müller-Spitzer, Leiterin des Projekts "Empirische Genderlinguistik" am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim in einer Mitteilung.

Was man in pluralistischen Gesellschaften erwarten kann

Müller-Spitzer fordert daher mehr Toleranz. "Dabei sollten wir akzeptieren, mit Sprachformen konfrontiert zu werden, die nicht die sind, die wir selber präferieren. Dies ist eine Form von Toleranz, die man in einer pluralistischen Gesellschaft erwarten können sollte." Das bedeutet auch einen kreativen Umgang mit der Sprache zu finden, wie ihr Kollege Prof. Dr. Henning Lobin, Wissenschaftlicher Direktor des IDS erklärt: "Auch in unserer Belegschaft am IDS sehen wir ein buntes Bild an Sprachverwendungen. Einige Mitarbeitende nutzen den Genderstern oder -doppelpunkt, andere lieber Doppelformen oder auch das generische Maskulinum. So zeigt sich auch bei uns ein vielfältiges Bild. Wir stehen dem entspannt gegenüber." Toleranz bedeute daher auch, weder eine bestimmte Form des Genderns verpflichtend zu machen, noch den Wunsch nach mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache als ideologisch abzutun. Das zeige sich auch in der Diskussion innerhalb der Sprachwissenschaft. Die Aussage, "die Sprachwissenschaft" stünde dem Thema kritisch gegenüber, würde nach Aussagen des Instituts jedenfalls nicht den Tatsachen entsprechen. In Wirklichkeit gebe es einen sehr offenen Zugang dazu. So habe die "Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft" dieses Jahr mit großer Mehrheit eine geschlechtergerechte Satzung verabschiedet.

Links/Studien

Aufruf: Wissenschaftler kritisieren Genderpraxis des ÖRR. Hier finden Sie den Aufruf.

Mitteilung des IDS Mannheim: Gegenseitige Toleranz beim Thema "Gendern"

Gendergerechte Satzung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft als pdf.

gp

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