Studie aus Warnemünde Hoffnung geplatzt: Bakterien können Plastik nicht zersetzen

07. August 2019, 15:27 Uhr

Sie galten als Hoffnungsträger beim Kampf gegen das unverwüstliche Mikroplastik in den Meeren. Jetzt ist klar: Bakterien werden uns bei diesem Umweltproblem nicht helfen. Sie sind definitiv nicht in der Lage, Plastik im Meer zu zersetzen und werden diese Fähigkeit voraussichtlich auch nicht evolutionär erwerben. Das ist das ernüchternde Ergebnis einer groß angelegten Studie des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW).

Die Hoffnung, dass Bakterien die unverwüstlichen Plastikabfälle im Meer abbauen könnten, ist im Keim erstickt. "Wechselwirkungen zwischen Bakterien und Mikroplastik-Partikeln in marinen Lebensräumen sind äußerst begrenzt", erklären die Mikrobiologen Sonja Oberbeckmann und Matthias Labrenz in der internationalen Fachzeitschrift „Annual Review of Marine Science“ . Die Autoren beschäftigen sich seit Jahren mit Mikroplastik und Bakterien. Für die großangelegte Übersichtsstudie haben sie neben ihren eigenen, die weltweit zu diesem Thema erschienenen Ergebnisse aus mehreren hundert Studien zusammengefasst und neu ausgewertet.

Keine Hoffnung auf Zersetzung in der Zukunft

"Bakterien besiedeln zwar Plastik-Partikel, sie bauen sie aber nicht ab. Der Energieaufwand wäre viel zu hoch für sie", schreiben die Forscher. Im Gegenteil: Das Mikroplastik sei so schwer abbaubar für Bakterien, dass sie "unter marinen Bedingungenmit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft keinen Plastik-Abbaumechanismus entwickeln werden".

Mensch wieder allein auf sich angewiesen

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Mo 17.06.2019 12:45Uhr 01:49 min

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Nach den neuen Erkenntnissen sei der Mensch wieder allein auf sich selbst angewiesen. "Somit sind wir mit der Herausforderung, das Mikroplastik loszuwerden, weiterhin auf uns alleine gestellt", erklären die Autoren Oberbeckmann und Labrenz. "Da wir es aber nicht aus unseren Meeren entfernen können, wird es sich in Zukunft dort immer mehr anreichern. Und wir wissen nicht, ob es sich dort letztendlich zu einer ‚chronischen Krankheit‘ entwickeln könnte."

Forscher fordern konsequenten Schutz der Meere

Die Mikrobiologen fordern proaktive und konsequente Maßnahmen zum Schutz der Meere vor Plastikvermüllung. Dazu gehören auch eine signifikante zeitnahe Reduzierung von Wohlstandsplastik von der Plastiktüte bis zum Plastikspielzeug sowie "Recycling-Systeme, die ihr Potential vollständig ausschöpfen und weltweit kostengünstig eingesetzt werden können".

Krankheitserreger können sich nicht spezifisch auf Mikroplastik ansiedeln

Es gibt auch eine gute Nachricht: Die häufige Befürchtung, dass sich Krankheitserreger gut auf Mikroplastik ansiedeln und auf diese Weise schnell verbreitet werden können, ließ sich nicht bestätigen. Die auf Mikroplastik wachsenden Mikroorganismen seien in der Regel typische Besiedler, die nicht zwischen natürlichen und künstlichen Oberflächen unterscheiden, schreiben die Autoren. Zwar gebe es auch einige schädliche Bakterien, aber nicht mehr als auf anderen Partikeln, wie Holz oder andere organische Substanzen. "In dieser Hinsicht stellt Mikroplastik in marinen Lebensräumen also kein erhöhtes Risiko dar", erklären die Wissenschafter.

Mikroplastik mit nicht absehbaren Folgen für die Umwelt

Als Mikroplastik werden kleine Teile aus Kunststoff bezeichnet, deren Durchmesser kleiner als fünf Millimeter ist. Diese winzigen Kunststoffteile finden sich in Reifenabrieb, Wäsche, Kunstrasen, Zahncreme, Kosmetikartikeln und sie entstehen durch zerfallende Plastikverpackungen, -tüten oder -flaschen. "All diese kleinen Plastikteilchen landen irgendwann im Ozean, mit zurzeit noch nicht absehbaren Folgen für die marine Umwelt", erklären die Wissenschaftler.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 19. Juni 2019 | 20:00 Uhr

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