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Männer und die "biologische Uhr"Auch alte Väter sind ein Risikofaktor für Kinder

14. Mai 2019, 13:29 Uhr

Die Menopause - irgendwann um die Mitte der 40 setzt sie bei Frauen ein, bei wenigen früher, bei manchen später. Sie können dann keine Kinder mehr bekommen, weshalb auch oft die Rede ist von der "biologischen Uhr" der Frau. Und die tickt eben. Und je älter die Mutter, desto höher ist das gesundheitliche Risiko für die Schwangerschaft. Auch darüber sind sich Mediziner recht einig. Aber beim Mann?

Auch die "biologische Uhr" des Mannes tickt

Männer können theroretisch ihr ganzes Leben lang Kinder zeugen, die Spermiogenese hört nie auf. Also solange die Hoden funktionieren und der Mann ejakulieren kann, ist es auch möglich Nachwuchs zu zeugen. Aber offenbar ist es aus medizinischer Sicht nicht unbedingt empfehlenswert etwas zu tun, nur weil man(n) es kann. Das zeigt eine Metastudie der Rutgers University aus den USA, die im Fachmagazin "Maturitas" erschienen ist. Darin haben die Medizinerinnen 40 Jahre medizinischer Forschung zum Einfluss des Alters von Vätern auf Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und die Gesundheit von Kindern analysiert.

Das Ergebnis der Analyse: Auch Männer haben eine tickende "biologische Uhr", welche die Gesundheit ihrer Partnerinnen und ihrer Kinder beeinflussen kann, schreiben die Forscherinnen.

Dr. med. Gloria Bachmann Bildrechte: Rutgers University

Obwohl allgemein anerkannt ist, dass physiologische Veränderungen, die bei Frauen nach 35 auftreten, die Empfängnis, die Schwangerschaft und die Gesundheit des Kindes beeinträchtigen können, wissen die meisten Männer nicht, dass ihr fortgeschrittenes Alter ähnliche Auswirkungen haben kann.

Dr. med. Gloria A. Bachmann, Rutgers University

Darüber, welches Alter genau bei Männern als "fortgeschritten" gelten kann, ist sich die Ärzteschaft uneinig. Die Angaben schwankten zwischen 35 und 45 Jahren.  Einer Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung zufolge waren 2013 sechs Prozent aller Neuväter in Deutschland 45 Jahre oder älter. Das waren im Vergleich zu 1995 fast drei Mal so viele - Tendenz steigend.

Ü45-Väter Risiko für Frau und Kind

Dass ältere Väter ein Risikofaktor für das Kind sein können, wird bereits seit längerem in der Medizin diskutiert. Je älter der Mann, desto eher sollte die Frau bestenfalls in ihren Zwanzigern sein, damit das Baby sicher gesund zur Welt kommt, erklärt etwa Dr. Christian Leiber von der Deutschen Gesellschaft für Andrologie.

Da gibt es klare Daten, die belegen: Bei Vätern, die relativ deutlich über den 50 Jahren liegen, ist das Risiko für bestimmte genetische Störungen, für Frühgeburtlichkeit, für niedriges Geburtsgewicht, möglicherweise auch Dinge, die mit der Intelligenz zusammenhängen, so, dass es da negative Auswirkungen geben kann – nicht muss, aber kann.

Dr. Christian Leiber, Uniklinik Freiburg

Die Meta-Analyse der Rutgers-Mediziner legt nun nahe, dass die Risikoschwelle tatsächlich bei 45 Jahren beginnen könnte. Demnach sind ihre Partnerinnen einem höheren Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung) und Frühgeburt ausgesetzt.

Weniger Testosteron, schlechtere Spermien

Bei den Neugeborenen bestätigen die Daten unter anderem ein signifikant höheres Risiko für Frühgeburten, Spätgeburten, ein niedriges Geburtsgewicht und ein höheres Auftreten von Geburtsfehlern wie angeborenen Herzkrankheiten und Gaumenspalten. Mit zunehmendem Alter hätten die Kinder außerdem ein erhöhtes Risiko, noch im Kindesalter an Krebs oder an psychiatrischen und kognitiven Störungen zu erkranken. Auch das Vorkommen von Autismus sei mit dem hohen Vateralter in Verbindung zu bringen, heißt es. Allerdings beruhten einige Annahmen auf Korrelationen, die noch weiter untersucht werden müssten, merken die Autorinnen an.

Die meisten dieser Ergebnisse führt Medizinerin Bachmann auf den natürlichen Abfall des Testosteronspiegels beim Mann zurück. Der beginnt ab etwa 40 Jahren mehr oder weniger schnell zu sinken. Außerdem nehme die Spermienqualität dann immer mehr ab.

Genauso wie Menschen mit zunehmendem Alter an Muskelkraft, Beweglichkeit und Ausdauer verlieren, neigen Spermien auch dazu, über den gesamten Lebenszyklus an Fitness zu verlieren

Dr. med. Gloria A. Bachmann, Rutgers University

Altersstress kann die Keimbahn verändern

Der Stress des Alterns kann für Mutationen in der DNA sorgen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Den US-Medizinern zufolge liegt ein Grund für das höhere Risiko darin, dass Alterungsstress das Erbgut von Spermien und Eizellen verändern kann und diese Veränderungen dann auch in die DNA der Nachkommen weitervererbt werden. Das kann auch die Schwangerschaft an sich beeinflussen und zu einem erhöhten Schwangerschaftsrisiko führen, so Bachmann. Außerdem würden diese Keimbahn- oder Vererbungsmutationen dazu beitragen, dass mit steigendem Alter der Väter auch die Störungen im Erbgut der Nachkommen zunehmen.

Auch Androloge Leiber verweist auf die Gene. Die würden durch bestimmte Faktoren moduliert. Es gibt zum Beispiel bestimmte Enzyme, die Gene an- und wieder ausschalten, so Leiber. Diese Reglation wird als Epigenetik bezeichnet. Und da habe man gesehen, dass bei Vätern, die älter sind, epigenetische Störungen auftreten könnten, die dann bestimmte Veränderungen bedingen sollen.

Spermien einfrieren vor dem 35. Geburtstag

Generell sollten es sich ältere Personen gut überlegen, ob sie im fortgeschrittenen Alter tatsächlich noch ein Kind zeugen wollten, meint Leiber. Er rät dazu, die Beratung von Reproduktionsmedizinern in Anspruch zu nehmen und eine genetische Analyse zur Risikoabschätzung in Anspruch zu nehmen.

Ich denke als potentielle Eltern trägt man da ein hohes Maß an Verantwortung und ich muss mir natürlich vorher überlegen: Wäre ich bereit, es in Kauf zu nehmen, wenn ein Kind mit Behinderung geboren wird? Bei solchen Konstellationen würden wir aus reproduktionsmedizinischer Sicht empfehlen, dass hier vorher eine genetische Beratung stattfindet.

Dr. Christian Leiber, Uniklinik Freiburg

Die Medizinerinnen der Rutgers University setzen dagegen auf einen vorsorglichen Ratschlag: Wer das Thema Vaterschaft hinauszögern möchte, sollte darüber nachdenken, das eigene Sperma bestenfalls bis zum 35. Lebensjahr oder spätestens bis zum 45. Lebensjahr einfrieren zu lassen, um das Risiko für Mutter und Kind später zu verringern.

Generell sei es nicht sehr hilfreich, dass Männer im Gegensatz zu Frauen hinsichtlich ihrer reproduktiven Gesundheit weniger informiert und aufmerksam seien. Die meisten Männer würden nur dann zum Arzt gehen, wenn sie ein medizinisches Problem oder ein Fruchtbarkeitsproblem hätten. Deshalb müsse die Ärzteschaft besser aufklären über den Einfluss des Alters auf die Empfängnis, die Schwangerschaft und die Gesundheit der Kinder.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 17. Januar 2019 | 05:21 Uhr