Epedemien Multiresistente Keime: Ratten als mögliche Quelle

06. September 2019, 14:39 Uhr

Ratten und die Pest – das war über Jahrhunderte ein allgegenwärtiges tödliches Szenario in Europa. Jetzt zeigt eine Studie: Ratten können auch Träger der gefährlichen multiresistenten Keime sein – bei denen Antibiotika nicht mehr wirken.

Multiresistente Keime gelten als globale Bedrohung. Schon jetzt wirken bei vielen Menschen bestimmte Antibiotika nicht mehr. Mediziner befürchten: Breiten sich die multiresistenten Keime noch weiter aus, werden die Resistenzen noch stärker, könnte die Welt medizinisch um Jahrhunderte zurückgeworfen werden. Diese Entwicklung könnte durch Ratten beschleunigt werden. Wie eine aktuelle Studie zeigt, sind viele in Wien lebende Ratten Träger gefährlicher multiresistenter Keime. Jede siebe Ratte, die in der Wiener Innenstadt zwischen 2016 und 2017 gefangenen wurde, trug demnach multiresistente Enterobakterien in sich. Deren wichtigsten Vertreter sind auch als Kolibakterien bekannt. Das entspricht einem Anteil von 14,5 Prozent. Ein Siebtel aller Wiener Ratten trug also multiresistente Erreger in sich.

"Besorgniserregende Häufigkeit" von multiresistenten Bakterien

"Obwohl die genaue Wechselwirkung zwischen mit multiresistenten Keimen belasteten Ratten und dem Risiko für die menschliche Gesundheit derzeit noch nicht geklärt ist, ist die Häufigkeit multiresistenter Keime besorgniserregend", erklären die Autoren. "Eine der von uns untersuchten Ratten wurde beispielsweise in einem Grünbereich gefangen, der im Sommer von Obdachlosen als Schlafstelle genutzt wird. Diese besondere Situation erhöht das Risiko einer Übertragung der resistenten Bakterien." Grundsätzlich sei für eine Übertragung aber auch eine Vielzahl weiterer Szenarien denkbar, schreiben die Forscher. Die Bekämpfung von Ratten, aber auch anderer Nagetiere wie Mäuse, ist und bleibe in Städten deshalb eine wichtige Priorität für die öffentliche Gesundheit.

Ratten – gefährlicher Krankheitsüberträger

Die Verbreitung durch Wanderratten ist den Wissenschaftlern zufolge besonders relevant. Ratten gelten demnach als die produktivste und am weitesten verbreitete städtische Schädlingsart. "Sie ernähren sich von menschlichen Abfällen und besiedeln das Abwassersystem, wodurch sie häufig mit menschlichen Fäkalien interagieren und multiresistente Bakterien aufnehmen und verbreiten können", schreiben die Tiermediziner.

Klimawandel und Landflucht können Problem verschärfen

Die Erkenntnis ist neben dem hohen Verbreitungsrisiko noch aus einem anderen Grund brisant. Immer mehr Menschen leben in Städten. Schon jetzt wohnt die Hälfte der Weltbevölkerung in urbanen Räumen, bis 2030 soll dieser Anteil weiter auf 60 Prozent steigen. "Die dichte menschliche Bevölkerung, die zunehmende Interaktion mit der städtischen Tierwelt und das wärmere städtische Mikroklima begünstigen die Entstehung von Krankheiten, die von wildlebenden Tieren auf den Menschen übertragen werden", erklären die Forscher. Städte könnten dadurch die Orte sein, an denen Krankheitserreger eingeschleppt und verbreitet werden.

Zahlen vergleichbar mit anderen Großstädten

Die Arbeit ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen der Universität Wien (Vetmeduni Vienna), der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), der Freien Universität Berlin sowie dem Leibniz-Institut für Photonische Technologien in Jena. Die in Wien erhobene Häufigkeit ist laut der Forscher auch vergleichbar mit früheren Studien. Demnach wiesen auch in Berlin 13,6 Prozent der untersuchten Ratten multiresistente Erreger auf, in Hongkong 13,9 Prozent. In Wien wurden vorher bei mehr als der Hälfte der Ratten (59,7 %) gefährliche, multiresistente Staphylokokken festgestellt.

Die Studie "Urban brown rats (Rattus norvegicus) as possible source of multidrug-resistant Enterobacteriaceae and meticillin-resistant Staphylococcus spp., Vienna, Austria, 2016 and 2017" wurde im Fachjournal für Infektionskrankheiten "Eurosurveillance" veröffentlicht.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 19. Juni 2019 | 11:15 Uhr