Ein Reagenzglas mit blauem Deckel wird mit einer Flüssigkeit gefüllt.
Im Labor wird eine Nährstofflösung vorbereitet, in der lebende Tumorzellen von Patienten nach der Operation kurzzeitig gelagert werden können. Bildrechte: MDR/Damaris Diener

Krebsforschung in Dresden Individuelle Krebstherapie dank Erbgutanalyse und Minitumor

04. März 2020, 11:47 Uhr

Am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden züchten Wissenschaftler lebende Modelle aus den Krebszellen von Patienten, bei denen übliche Therapien nicht mehr anschlagen. Neben der kompletten Erbgutanalyse des Tumors wird im Labor die Wirkung von Medikamenten an den Tumorzellen getestet. Forschung, die in Zukunft allen Krebspatienten zugutekommen soll, wenn die Krankheit individuell behandelt werden kann - mit weniger Nebenwirkungen.

Jedes Jahr erkranken schätzungsweise 500.000 Menschen in Deutschland an Krebs. Ein Großteil kann mittlerweile gut behandelt werden, vor allem, wenn der Krebs noch keine Metastasen gebildet hat.

Am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden versuchen Wissenschaftler sehr jungen Patienten, bei denen alle Standardtherapien versagt haben, und Patienten mit besonders seltenen Krebsarten zu helfen. Ein großes Team an Wissenschaftlern aus Dresden und Heidelberg und der Standorte des Deutschen Krebskonsortiums arbeitet gemeinsam an der Erforschung und Heilung von Krebs.

Gezieltere Behandlung dank Erbgutanalyse

Die Ursachen von Krebs liegen immer im Erbgut, daher muss die DNA genau durchleuchtet werden. Beim Blick ins Erbgut suchen die Wissenschaftler nach Veränderungen und können Therapiemöglichkeiten empfehlen. Patienten können also gezielter mit Medikamenten behandelt werden und müssen nicht viele verschiedene durchprobieren. Das entlastet die Patienten, denn der Körper leidet während einer Krebserkrankung enorm.

Der Standort Dresden ist einer der Vorreiter, wenn es um individuelle Krebstherapie geht. Prof. Dr. Hanno Glimm ist Leiter der Abteilung Translationale Medizinische Onkologie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden, er sagt:

Jeder Tumor ist sehr individuell und somit auch die Veränderungen im Erbgut. Durch die Erbgutanalyse können wir den Tumor gut beschreiben und später mit den Kollegen vom NCT-Standort Heidelberg in einer Videokonferenz individuelle Behandlungsoptionen für die Patienten besprechen und Vorhersagen machen, welche Medikamente wirken könnten.

Professor Dr. Hanno Glimm

Bildergalerie Krebsforschung mit Erbgutanalyse und Minitumoren

Behälter mit Tumorzellen
Die Mini-Tumore wachsen in einer Nährstofflösung, in der sie sich gut vermehren können. Sie sind so klein, dass sie nur unter dem Mikroskop sichtbar sind. Bildrechte: MDR/Damaris Diener
Behälter mit Tumorzellen
Die Mini-Tumore wachsen in einer Nährstofflösung, in der sie sich gut vermehren können. Sie sind so klein, dass sie nur unter dem Mikroskop sichtbar sind. Bildrechte: MDR/Damaris Diener
Krebstellen unter Mikroskop
Unter dem Mikroskop wird das Wachstum und die Reaktion der Krebszellen auf verschiedene Medikamente überwacht. Bildrechte: MDR/Damaris Diener
Frau sitzt am Mikroskop
Im Labor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen werden unter anderem sehr seltene Tumore sowie Tumore von sehr jungen Patienten untersucht. Bildrechte: MDR/Damaris Diener
Reagenzgläser stehen in Reagenzglashalter.
Jeder Tumor ist sehr individuell. Damit die Krebszellen überleben und sich teilen, brauchen sie spezielle Nährstofflösungen. Bildrechte: MDR/Damaris Diener
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Es gibt aber auch Kritiker der Erbgutanalyse. Der Ansatz greife zu kurz, weitere Faktoren müssten beachtet werden, sagen sie. Professor Dr. Hanno Glimm betont, dass durch diese Vorgehensweise viele Veränderungen im Erbgut gefunden wurden, die Medizinern früher noch gar nicht bekannt waren. Andere Krebspatienten profitieren davon und können individuellere Hilfe bekommen.

Natürlich ist die Erbgutanalyse nur ein Baustein der Krebstherapie. Die Reaktion des Immunsystems und des Blutsystems des einzelnen Patienten auf die Krebsmedikamente, die eingesetzt werden, sind weitere Faktoren, die beachtet werden müssen.

Professor Dr. Hanno Glimm

Mikroskop Bild von Mini-Darmkrebstumoren
Unter dem Mikroskop werden sogenannte Darmkrebs-Organoide sichtbar – aus Tumorzellen von Darmkrebspatienten gezüchtete Mini-Tumoren. Bildrechte: MDR/Damaris Diener

Krebsmedikamente werden im Labor an Zellen getestet

Die Erbgutanalyse ist aber nur ein Teil der individuellen Krebstherapie. Als einziger Standort in Deutschland testet das Labor in Dresden seit Kurzem, wie Tumorzellen auf Medikamente reagieren. Die Wissenschaftler können im Labor feststellen, wie schnell die Zellen abgestorben sind und welche Medikamente keine Wirkung hatten.

Zurzeit werden noch keine Patienten behandelt, denn die Wissenschaftler brauchen noch mehr Daten. Vielleicht könnten in Zukunft dadurch aber seltene Krebskrankheiten schneller behandelt oder sogar geheilt werden.

Ein weiterer Schritt hin zur Krebstherapie der Zukunft sind im Labor gezüchtete Mini-Tumore von Krebspatienten. Mit diesen Organoiden kann noch genauer getestet werden, wie der Krebs auf bestimmte Medikamente reagiert. Allerdings ist das auch sehr aufwendig. Die Biologin Dr. Claudia Ball ist Leiterin des Labors in Dresden:

Organoide zu züchten dauert bedeutend länger als die funktionelle Testung frisch aus dem Tumor entnommener, einzelner Zellen. Bis ein Minitumor im Labor entsteht, kann es Wochen bis Monate dauern.

Dr. Claudia Ball

Zukunft der personalisierten Krebstherapie

Die aktuelle Forschung ist ein Hoffnungsschimmer für Patienten mit sehr seltenen Krebsarten. Bisher ist allerdings nicht klar, ob die Krebszellen im Körper genauso auf die Medikamente reagieren wie im Labor. Hanno Glimm ist sich sicher, dass die Krebsforschung auf einem guten Weg ist. Er betont, dass ein Großteil der Krebserkrankten mittlerweile gute Heilungschancen hat.

Die personalisierte Krebstherapie wird in Zukunft eine immer größere Bedeutung erlangen. Durch die personalisierte Analyse von Tumoren können wir Patienten gezielter und effektiver behandeln.

Professor Dr. Hanno Glimm

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