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Gülle aus MassentierhaltungNitrat im Grundwasser: Regeneration dauert Jahrzehnte

05. September 2019, 17:55 Uhr

Zu viel Fleisch, zu viel Gülle. Mit gravierenden Folgen. Nitrat belastet das Grundwasser weit über die Grenzwerte. Die EU macht jetzt Druck: Wenn bis Ende September keine Vorschläge zur Reduzierung des Nitrats und zum Schutz des Grundwassers vorliegen, droht Deutschland eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Dann könnte es teuer werden, bis zu 850.000 Euro - täglich. Der MDR sprach mit dem Wasser-Experten Prof. Dietrich Borchardt vom Umweltforschungszentrum in Magdeburg.

Die EU will, dass Deutschland die Nitratwerte im Grundwasser senkt. Wo liegt das Problem?

Nitrat ist ein Grundwasserproblem in Deutschland. Schon vor Jahrzehnten sind Grenzwerte eingeführt worden, um Grundwasser als Trinkwasserressource zu schützen. In vielen Gebieten überschreiten wir die Grenzwerte heute erheblich – auch wenn die Belastung mit Nitrat regional sehr unterschiedlich ausfällt.

Wie wird damit umgegangen?

Die Konzentration von Nitrat und damit auch die Überschreitungen der Grenzwerte werden in einem weit gefächerten intensiven Mess-Netz überwacht. Wenn es das nicht geben würde, wüsste man gar nicht, dass das Problem da ist  - die Messungen sind verpflichtend vorgeschrieben. Die Verweilzeiten im Grundwasser sind lang, deswegen wird neben der Konzentration auch der Trend gemessen. Die Gesetzgebung verlangt dabei zweierlei: Erstens, dass der Grenzwert nicht überschritten wird. Zweitens, dass es eine Trendumkehr geben muss, damit das Grundwasser in einer überschaubaren Zeit wieder in einer guten Zustand zurückkommt.

Welche Risiken bringt die hohe Konzentration von Nitrat im Grundwasser?

Nitrat ist ein Stoff, der problematisch ist. Er gilt als bedenklich, besonders bei der Versorgung von Kleinkindern. Durch die Aufnahme erhöhter Nitratmengen bilden sich Stoffwechselprodukte im Körper, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein – Nitrosamine zum Beispiel. Nitrat wirkt sich direkt auf die Gesundheit aus. Deswegen darf es nicht über den Grenzwerten liegen, die im Wesentlichen zur Gesundheitsvorsorge festgelegt sind. Weil Nitrat vor allem aus der Landwirtschaft kommt, ist es auch ein Indikator für viel Dünger, eine intensive landwirtschaftliche Nutzung sowie weitere potenzielle Umweltbelastungen.

Gülle besteht hauptsächlich aus dem Urin und Kot landwirtschaftlicher Nutztiere und wird als Dünger verwendet. Düngen die Landwirte allerdings zu viel, können die Pflanzen die in der Gülle enthaltenen Nitrate nicht richtig aufnehmen. Die überflüssigen Stoffe gelangen oftmals ins Grundwasser und gefährden damit das Trinkwasser. Bildrechte: MDR/Secilia Pappert

Wie kann die Nitratbelastung in kurzer Zeit signifikant gesenkt werden?

In kurzer Zeit wird das ganz schwierig, die Verweilzeiten im Grundwasser sind einfach zu lang. Wir haben Gebiete, in denen die Regeneration mindestens Jahrzehnte dauern wird, vielleicht sogar Jahrhunderte. Der Schlüssel ist die Begrenzung der Nährstoffüberschüsse in der Landwirtschaft in den Gebieten, in denen das Grundwasser so empfindlich ist.

Müssen dafür die Viehbestände reduziert werden?

Das ist der Weg – und das muss der Weg sein. Die landwirtschaftliche Nutzung führt zu exzessiv hohen Viehdichten, die nicht grundwasserverträglich sind, zum Beispiel im Nordosten von Niedersachsen. Um die Belastung zu senken, muss die Gülleaufbringung reduziert wird. Wir haben es aber auch mit Gülletransport und Gülletransfer zu tun. Der Schlüssel ist, die Landwirtschaft wieder so auszurichten, dass unser Grundwasser regeneriert und wieder gesund wird – und wir dies auch langfristig sichern können.

Müssen wir das Nitratproblem im Zusammenhang mit unserem Fleischkonsum diskutieren?

Das müssen wir, weil ein erheblicher Teil der Nitrat-Überschüsse aus der Fleischproduktion kommt. Dazu muss man wissen: Das in der Massentierhaltung produzierte Fleisch konsumieren wir nur zu einem geringem Teil selbst, ein großer Teil wird nach China und Asien exportiert. Das zeigt, dass wir im Grunde mit unserer Exportwirtschaft ein Abfallproblem erzeugen, in dem wir unser Grundwasser als Deponie für das überflüssige Nitrat benutzen.

Lässt sich das Gülleproblem auch lösen, ohne Arbeitsplätze in der Landwirtschaft anzutasten?

Das Problem relativiert sich, weil in der Massentierhaltung nicht viele Arbeitsplätze zur Disposition stehen. Es ist ja nicht so, als dass es keine Fleischproduktion und Tierhaltung gebe, die nicht existenzsichernd ist. Es geht um eine Umstellung. Es geht um eine nachhaltige Fleischproduktion, die vielleicht sogar mehr Arbeitsplätze liefert. Ich würde hier von einer Verschiebung der Arbeitsplatzsituation sprechen, nicht von einem massiven Arbeitsplatzproblem – es ist eine Frage des Umsteuerns.